Problem: Bei eBay und Amazon werden die wesentlichen Merkmale der Ware nicht auf der Bestellübersichtsseite angezeigt!
Unternehmer sind beim Anbieten von Waren oder Dienstleistungen verpflichtet, den Verbraucher über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung zu informieren. Seit dem 01.08.2012 müssen diese Informationen bei einem Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr – wie es bei eBay und Amazon der Fall ist – zwingend (auch) auf der finalen Bestellseite getätigt werden und zwar klar und verständlich in hervorgehobener Weise, § 312j Abs. 2 BGB. Auf den Plattformen eBay und Amazon werden diese wesentlichen Merkmale allerdings nicht auf der Bestellübersichtsseite angezeigt. Derzeit gibt es die ersten Abmahnungen, welche die fehlenden wesentlichen Merkmale auf der Bestellübersichtsseite zum Gegenstand haben - lesen Sie mehr:
1. Was sind eigentlich wesentliche Merkmale einer Ware?
Bisher war anerkannt, dass über die wesentlichen Merkmale des Warenangebots, wenn nicht bereits auf der Übersichtsseite, spätestens auf der Produktdetailseite informiert werden muss. In jedem Fall also, bevor die Ware in den Warenkorb gelegt wird (vgl. BGH, Urteil v. 16.07.2009, Az. I ZR 50/07 – Kamerakauf im Internet; OLG Hamm, Urteil v. 02.07.2009, Az. 4 U 73/09). Seit dem 01.08.2012 müssen alle wesentlichen Merkmale eines Produkts auf der Bestellübersichtsseite (nochmals) mitgeteilt werden.
Der Gesetzgeber beschrieb die Wesentlichkeit von Merkmalen im Rahmen der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/2658, S. 38) wie folgt:
"Der Begriff „wesentliche Merkmale“ ist deskriptiv zu verstehen. Der Verbraucher soll in die Lage versetzt werden, das Leistungsangebot des Unternehmers zu be-werten. Deshalb müssen nicht alle Einzelheiten angegeben werden."
Ein weiterer Ansatz geht davon aus, dass diejenigen Merkmale wesentlich sind, welche angegeben werden müssten, um dem Verbraucher einer Vergleichsmöglichkeit mit Konkurrenzprodukten zu ermöglichen. Erst kürzlich hatte sich das OLG Hamburg mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Merkmale einer Ware wesentlich seien. Welche Merkmale aber „wesentlich“ im Sinne des §246a §1 Abs. 1 Nr. 1 BGB seien, könne nach Ansicht des Gerichts nicht allgemein festgestellt werden, sondern bedürfte vielmehr einer wertenden Betrachtung im Einzelfall. Insofern sei der Maßstab der Wesentlichkeit stets in Abhängigkeit zur Detailgenauigkeit und zum Informationsgehalt der konkreten Angebotsbeschreibungen zu bestimmen.
Im Fall des OLG Hamburg hatte der Beklagte in seinen Produktinformationen konkrete und detaillierte Angaben über die Beschaffenheit und die Vorteile des Spannstoffes und das Material des Gestells gemacht, sodass ersichtlich sei, dass er selbst diesen Anführungen eine gewisse Bedeutung zumesse. Gerade derartige Hinweise seien aber auch aus Verbrauchersicht für die Kaufentscheidung relevant, da sie Rückschlüsse auf die Regenbeständigkeit, den Lichtschutz und die Standsicherheit zuließen. Die Frage nach der Beurteilung der Wesentlichkeit von Waren ist daher noch lange nicht abgeschlosen und es steht zu vermuten, dass es diesbezüglich noch einige Gerichtsentscheidungen geben wird.
2. Bestellübersichtsseite bei Amazon:
Durchläuft ein Käufer den Bestellprozess bei der Plattform Amazon, so kann der Käufer am Ende des Bestellprozesses auf der Bestellübersichtsseite die nachstehenden Informationen ersehen:
Beispielhafte Bestellübersichtsseite bei Amazon
Es wird lediglich die Produktüberschrift abgebildet, eine Auflistung von wesentlichen Merkmalen sucht man vergeblich.
3. Bestellübersichtsseite bei eBay im Falle eines Sofort-Kaufen-Artikels
Bei eBay gibt es Aritkel zum sofort kaufen, des Weiteren werden Artikel auch im Rahmen eines Bietverfahrens angeboten. Nachstehend wird die Bestellübersichtsseite eines Sofort-Kaufen-Artikels dargestellt, sofern der Kunde sich mit seinem eBay-Mitgliedsnamen angemeldet hat:
Bestellübersichtsseite eines Sofort-Kaufen-Artikels bei angemeldetem Mitglied
Klickt man den Link an, erfolgt eine Verweisung auf die Artikeldetailseite. Käufer haben auf eBay allerdings auch die Möglichkeit eine Bestellung über die Gast-Funktion auszuführen, ohne sich zuvor bei eBay mit einem Mitgliedskonto angemeldet zu haben. In diesem Fall sieht die letzte Bestellübersichtsseite wie folgt aus:
Ansicht bei einer Gastbestellung
Den Bestellvarianten bei eBay ist gemein, dass auf der Bestellübersichtsseite keine Mitteilung der wesentlichen Merkmale der Ware erfolgt. Im Falle der Gastbestellung ist zudem noch nicht einmal eine Verlinkung auf die Artikeldetailseite vorhanden.
4. Rechtliche Lage
Seit dem 01.08.2012 müssen die wesentlichen Merkmale einer Ware bei einem Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr – wie es bei eBay und Amazon der Fall ist – zwingend (auch) auf der finalen Bestellseite getätigt werden, dies in klarer und verständlicher und in hervorgehobener Weise gemäß § 312j Abs. 2 BGB. Dies ist unserer Auffassung nach derzeit bei Verkäufen auf den Plattformen Amazon und eBay nicht zu realisieren.
Insbesondere bei der neu eingeführten eBay-Funktion „Als Gast Kaufen“, in deren Rahmen Interessenten Festpreisartikel auch ohne eBay-Nutzerkonto erwerben können, wird auf der finalen Bestellseite (dortiger Button „Kaufen und zahlen“) leider nur die Überschrift des Festpreisartikels dargestellt. Diese ist auch nicht als Link ausgestaltet, führt also nicht zur Artikeldetailseite. Ferner wird – sofern der Interessent verschiedene Varianten des Artikels auswählen kann – auch die gewählte Variante angezeigt (z.B. bei Auswahl der gelben Farbvariante „gelb“), jedoch unter dem falschen Zusatz „Artikelpreis: gelb“.
Sofern diese Überschrift nicht alle wesentlichen Merkmale des Artikels enthält, wird sich der anbietende Händler den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass er seinen gesetzlichen Informationspflichten nach § 312j Abs. 2 BGB nicht bzw. nicht vollständig nachkommt.
Aber auch im Rahmen des konventionellen Vertragsschlusses bei eBay (Käufer verfügt über eBay-Nutzerkonto) bestehen hier u.E. erhebliche Defizite: Nach dem der Interessent auf der Artikeldetailseite sein Interesse bekundet hat, wird er auf eine gesonderte Seite („Überprüfen und kaufen“) weitergeleitet, auf welcher er durch Betätigen des „Kaufen“-Buttons seine Vertragserklärung abgibt.
Leider findet sich jedoch auch auf dieser finalen Bestellseite keine Angabe der wesentlichen Merkmale, sondern ebenfalls lediglich die Überschrift des Festpreisartikels, hier jedoch verlinkt auf die Artikeldetailseite. Allerings hatte der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/7745, S. 10, 11) noch klar gestellt, dass er eine Verlinkung für nicht ausreichend hält:
"Keinesfalls genügt es, wenn die Informationen erst über einen gesonderten Link erreichbar oder nur einem gesondert herunterzuladenden Dokument entnehmbar sind."
Auf der Plattform Amazon erscheint auf der letzten Bestellübersichtsseite ebenfalls keine Mitteilung der wesentlichen Merkmale der Ware, es wird ausschließlich die Produktübschrift dargestellt, eine Verlinkung auf die Artikeldetailseite ist nicht gegeben.
Des Weiteren hatte das OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.10.2014; Az.: I-15 U 103/14) erst vor Kurzem entschieden, dass es für die Angabe von wesentlichen Warenmerkmalen nicht ausreiche, wenn nur die allernotwendigsten Informationen angegeben werden. Vielmehr seien sämtliche kaufrelevanten Merkmale (bei Sonnenschirmen etwa Material, UV-Beschichtung usw.) anzugeben. Der Beklagte gab in diesem Verfahren nach Hinweis des Senats ein Anerkenntnis ab, weshalb ein entsprechendes Anerkenntnisurteil erging und damit keine Entscheidungsgründe vorliegen.
Es liegen daher mit dem OLG Düsseldorf und dem OLG Hamburg bereits zwei oberinstanzliche Entscheidungen vor, welche davon ausgehen, dass die wesentlichen Merkmale ausdrücklich auf der Bestellübersichtsseite zu nennen sind, hierbei dürfen nicht irgendwelche oder nur die allernotwendigsten Informationen gegeben werden, der Händler muss gerade die wesentlichen Merkmale angeben!
5. Fazit und Ausblick
Es besteht derzeit beim Anbieten über Amazon und/oder eBay ein Abmahnrisiko, sofern nicht sichergestellt werden kann, dass alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung bereits in der Artikelüberschrift abgebildet werden bzw. bei eBay - durch die Auswahl einer Variante und deren Anzeige auf der finalen Bestellseite dargestellt werden. In der Praxis dürfte die Darstellung sämtlicher wesentlicher Merkmale auf diesem Wege nicht zu realisieren sein. Dies hat dann eine Informationspflichtverletzung zur Folge, die wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden kann.
Die IT-Recht Kanzlei steht bereits mit eBay und Amazon in Kontakt und bemüht sich im Sinne der Händler um eine schnelle Lösung in dieser Angelegenheit. Wir werden weiter berichten!
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare