Haben Händler einen Anspruch auf Löschung negativer Bewertungen?

Haben Händler einen Anspruch auf Löschung negativer Bewertungen?
12.09.2022 | Lesezeit: 8 min

Bewertungen auf Bewertungsportalen im Internet sind erfahrungsgemäß nicht ausschließlich positiv. Schön wäre es aus Sicht von Händlern, wenn sie gegen negative Bewertungen vorgehen könnten. Vorgaben aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) könnten hierbei helfen. Ob betroffene Personen im Falle von negativen Bewertungen einen DSGVO-Anspruch auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten haben, hat jüngst der BGH entschieden. Wir erläutern die Hintergründe und Folgen insbesondere für Händler.

Worum ging es in dem Fall?

Die Beklagte ist Betreiberin eines bekannten Arzt-Patienten-Portals, auf dem Patienten kostenlos Erfahrungsberichte, Empfehlungen und Bewertungen anderer Patienten nachlesen und abrufen können. Damit die Besucher der Webseite sich noch umfassender über Ärzte, Träger anderer Heilberufe und ihre Praxen informieren können, werden von der Beklagten auch Basisdaten der Ärzte, wie etwa deren Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Praxisstandorte, Kontaktdaten und ggf. weitere praxisbezogene Informationen auf dem Portal bereitgestellt.

Über die Klägerin, eine Augenärztin, wurde auf dem Portal eine negative Bewertung veröffentlicht, in der sie als "arrogant, unfreundlich, unprofessionell" bezeichnet wurde. Sie bat die Betreiberin um die Löschung der negativen Bewertung und Mitteilung des Verfassers dieser Bewertung. Beides wurde von der Betreiberin des Portals abgelehnt, wie auch die Löschung der Basisdaten der Ärztin auf dem Portal.

Auf dem Klageweg verlangte die Klägerin daraufhin die Löschung ihrer Basisdaten. Während das LG der Klage statt gab, wies das OLG die Klage ab. In einer Anschlussberufung verlangte die Klägerin ausschließlich die Löschung der negativen Bewertung, was vom OLG als unbegründet angesehen wurde. Daraufhin verfolgte die Klägerin ihre Anträge mit einer Revision vor dem BGH weiter. Der BGH entschied schließlich, dass der Klägerin kein Anspruch auf Löschung ihrer Basisdaten zustehe (Urteil vom 15.02.2022 – Az. VI ZR 692/20).

Was sagt das Gesetz dazu?

Betroffene Personen, deren personenbezogene Daten verarbeitet und gespeichert werden, können unter den Voraussetzungen des Art. 17 der Datenschutz-Grundverordnung („DSGVO“) die Löschung ihrer Daten verlangen:

In Art. 17 Abs. 1 DSGVO lautet:

"Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
(a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
(b) Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. A oder Art. 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
(c) Die betroffene Person legt gemäß Art. 21 Abs. 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Art. 21 Abs. 2 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
(d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
(e) Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.
(f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Art. 8 Abs. 1 erhoben."

Somit genügt es, wenn einer der dort aufgezählten Tatbestände erfüllt ist.

Besondere zusätzliche Vorgaben enthält Art. 17 Abs. 2 DSGVO für den Fall, dass die personenbezogenen Daten der betroffenen Person veröffentlich worden sind, etwa auf einer Website:

"Hat der Verantwortliche die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht und ist er gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu deren Löschung verpflichtet, so trifft er unter Berücksichtigung der verfügbaren Technologie und der Implementierungskosten angemessene Maßnahmen, auch technischer Art, um für die Datenverarbeitung Verantwortliche, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, darüber zu informieren, dass eine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Links zu diesen personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser personenbezogenen Daten verlangt hat."

In einem solchen Fall gibt es also eine Reihe von zusätzlichen Pflichten für den Verantwortlichen, der die Daten speichert.

Allerdings enthält das Gesetz auch einige Ausnahmen von diesem Grundsatz, dass personenbezogene Daten zu löschen sind. Das Recht bzw. die Pflicht zur Löschung der personenbezogenen Daten nach Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO gilt nicht,

"soweit die (Daten-)Verarbeitung erforderlich ist:
(a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information;
(b) zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
(c) aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. h und i sowie Art. 9 Abs. 3;
(d) für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Art. 89 Abs. 1 DSGVO, soweit das in Art. 17 Abs. 1 DSGVO genannte (Lösch-)Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder
(e) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen."

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Wieso hat der BGH so entschieden?

Von den in Art. 17 Abs. 1 DSGVO aufgelisteten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Löschung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person waren in diesem Fall aus Sicht des Gerichts keine erfüllt.

Insbesondere war der Löschungsgrund nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO nicht gegeben, wozu die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet worden sein müssten. Wann eine Datenverarbeitung rechtmäßig erfolgt, ist grundsätzlich in Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO geregelt. Allerdings sah der BGH keine der dort geregelten Rechtsgrundlagen erfüllt.

Vor allem hatte die Klägerin nicht ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a DSGVO).

Intensiv diskutiert wurde, ob nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DSGVO vorliegen könnten. Demnach erfolgt eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie

"zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen (…)."

Somit müssten insgesamt drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Zunächst muss von der Beklagten oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, wobei als Dritte vorliegend z.B. sämtliche Nutzer bzw. Besucher des Bewertungsportals bezeichnet werden können.
2. Weiter muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses tatsächlich auch erforderlich sein.
3. Schließlich dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, hier also der klagenden Augenärztin, nicht überwiegen.

Im Streitfall waren nach Ansicht des Gerichts alle drei Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere überwogen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Ärztin (das nach dem Grundgesetz geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Berufsfreiheit) nicht im Vergleich zu den Interessen und Rechten der Beklagten (das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Kommunikations- und Berufsfreiheit) sowie zudem auch das Informationsinteresse Dritter an der Auflistung der Ärzte auf der Portalseite samt Benotung und den veröffentlichten Kommentaren.

Ausschlaggebend war laut BGH dabei, dass den auf dem Portal bewerteten Ärzten über die Angabe ihrer personenbezogenen Daten hinaus im Vergleich zu den Ärzten, die ein kostenpflichtiges Leistungspaket auf dem Bewertungsportal buchten, keine relevanten Nachteile hätten:

"Die Aufnahme des nichtzahlenden Arztes in das Portal gereicht diesem dann nämlich bereits unabhängig von dem mit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten verbundenen Eingriff in seine Rechte aus Art. 7 GRCh als solchem und der - von ihm grundsätzlich hinzunehmenden - Gefahr negativer Bewertungen zum Nachteil. Denn seine personenbezogenen Daten werden in diesem Fall gleichsam als "Köder" dafür missbraucht, ihm potentielle Patienten, die sich für ihn und sein Profil interessieren, zu entziehen und konkurrierenden, aber zahlenden Ärzten zuzuführen, wohingegen dies umgekehrt nicht der Fall ist; dies haben nichtzahlende Ärzte grundsätzlich nicht hinzunehmen."

"Anderes muss im Grundsatz aber dann gelten, wenn dem ohne seine Einwilligung im Portal der Beklagten geführten Arzt durch die konkrete Gestaltung des Bewertungsportals kein Nachteil droht, der über die Verarbeitung seiner für den Portalbetrieb erforderlichen personenbezogenen Daten (Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten) als solche und die mit der Bewertungsmöglichkeit verbundenen, von jedem Arzt grundsätzlich hinzunehmenden Gefahren nicht nur unerheblich hinausgeht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der nichtzahlende Arzt durch seine Aufnahme in das Bewertungsportal - von dem mit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten stets verbundenen Eingriff in seine Rechte aus Art. 7 GRCh und den mit der Bewertungsmöglichkeit einhergehenden Beeinträchtigungen abgesehen - nicht entscheidend schlechter steht, als er ohne seine Aufnahme in das Portal stünde"

Hätte sich das Bewertungsportal nicht zusätzlich auch auf das sog. „Medienprivileg“ berufen können?

Die Regelung in Art. 85 Abs. 2 DSGVO berechtigt die EU-Mitgliedstaaten dazu, für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen oder Ausnahmen u.a. auch von dem Recht auf Löschung aus Art. 17 DSGVO vorzusehen.

Die Beklagte hatte ihren Sitz in Freistaat Bayern, der eine solche Abweichung in Art. 38 Abs. 1 S. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) getroffen hatte. Danach steht der betroffenen Person das Löschrecht aus Art. 17 DSGVO nicht zu, wenn personenbezogene Daten etwa zu journalistischen Zwecken verarbeitet werden.

Der BGH ist jedoch der Ansicht, dass die personenbezogenen Daten der Ärztin im Portal nicht zu journalistischen Zwecken verarbeitet werden. Begründet wurde dies u.a. damit, dass die Beklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit ihrem Bewertungsportal das für eine Datenverarbeitung erforderliche Maß an inhaltlicher Bearbeitung nicht erfülle. Selbst in der Missbrauchskontrolle der von den Portalnutzern eingestellten Beiträge liege keine für die Annahme journalistischer Tätigkeit hinreichende inhaltliche Bearbeitung der Beiträge. Auf das Medienprivileg konnte sich der Portalbetreiber somit nicht berufen.

Wie sollten Händler mit Bewertungsportalen nun umgehen?

Bewertungsportale können Online-Händlern viele Vorteile bringen. Durch viele und natürlich vor allem positive Bewertungen erhöht sich die Wahrnehmbarkeit von Händlern im Markt, und in der Folge häufig auch die Anzahl der Kunden.

Unseren Mandanten ermöglichen wir daher die kostenfreie proaktive Nutzung des Bewertungsportals Shopvote. Händler können dort ein Unternehmenskonto einrichten und dadurch den Umgang mit Bewertungen ihrer Produkte und Leistungen moderieren.

Gegen unberechtigte Bewertungen ohne eine entsprechende Tatsachengrundlage können Händler im Übrigen aber schon vorgehen, worüber wir zuletzt hier berichtet haben.

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