Anspruch des Betroffenen gegen den Betreiber eines Bewertungsportals auf Löschung der persönlichen Daten?

Anspruch des Betroffenen gegen den Betreiber eines Bewertungsportals auf Löschung der persönlichen Daten?
11.10.2013 | Lesezeit: 8 min

Ein Arzt wird auf einer Bewertungsplattform im Internet von seinen Patienten bewertet. Ihm widerstrebt das bereits dem Grundsatz nach und er möchte, dass seine persönlichen Daten wie Name, Anschrift und die veröffentlichten Bewertungen allesamt gelöscht werden. Hat er aus datenschutzrechtlichen Gründen hierauf einen Anspruch? Im fünften Teil der Serie „Bewertungsportale im Internet und ihre Auswirkungen aus rechtlicher Sicht“ nimmt sich die IT-Recht Kanzlei der Beantwortung der Frage an, ob einem Betroffenen ein Löschungsanspruch hinsichtlich der persönlichen Daten gegen den Betreiber eines Bewertungsportals zusteht.

5. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei - "Bewertungsportale im Internet und ihre Auswirkungen aus rechtlicher Sicht":

Anspruch des Betroffenen gegen den Betreiber eines Bewertungsportals auf Löschung der persönlichen Daten?

Die IT-Recht Kanzlei beantwortet diese und weitere Fragen zu Bewertungsportalen im Internet in einem ausführlichen Beitrag und in weiteren Beiträgen einer großen Serie zu Bewertungsportalen.

I. Anspruch auf Löschung von Name, Anschrift und Bewertungen im Internet?

Von Bewertungen in Bewertungsportalen und Meinungsforen im Internet sind nicht nur große Unternehmen betroffen, sondern häufig auch einzelne Berufsgruppen wie Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte, Restaurant-Betreiber oder Friseure sowie eine Vielzahl weiterer vor allem freier Berufe. Dabei werden von den Betroffenen neben Noten und Bewertungen regelmäßig auch deren persönliche Daten wie Namen, Adressen etc. im Internet veröffentlicht.

Das deutsche Datenschutzrecht ist im Bundesdatenschutzgesetz (kurz: BDSG) geregelt und schützt die personenbezogenen Daten von natürlichen Personen, sowohl im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. Gemäß § 3 Absatz 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.

Einen Anspruch auf Löschung von gespeicherten personenbezogenen Daten hat ein Betroffener gemäß § 35 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG dann, wenn die Speicherung der Daten unzulässig ist.

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II. Die Zulässigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind gemäß § 4 Absatz 1 BDSG nur zulässig, soweit das *BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt
(…) oder der Betroffene eingewilligt hat.

In welchen Fällen nicht-öffentliche Stellen personenbezogene Daten speichern dürfen, ist in den § 28 BDSG und § 29 BDSG geregelt. Dabei geht es bei der im Vergleich strengeren Regelung des § 28 BDSG um die Datenspeicherung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke, während § 29 BDSG die geschäftsmäßige Datenspeicherung zum Zweck der Übermittelung erfasst.

1. Bewertungsportale speichern die Daten nicht für eigene Geschäftszwecke

Seit dem spickmich.de-Urteil des BGH zu Lehrer-Bewertungsportalen im Internet (BGH, Urteil vom 23.6.2009, Az. VI ZR 196/08) ist ständige Rechtsprechung, dass die Betreiber von Bewertungsportalen und Meinungsforen im Internet die personenbezogenen Daten der betroffenen Personen nicht für eigene Geschäftszwecke im Sinne des § 28 BDSG, sondern zum Zweck der Übermittlung nach § 29 BDSG speichern, so dass sich die Voraussetzungen für die rechtliche Zulässigkeit der Datenspeicherung aus § 29 BDSG ergeben (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 8.3.2012, Az. 16 U 125/11).

  • § 28 BDSG betrifft die Fälle, in denen die gespeicherten personenbezogenen Daten als „Hilfsmittel“ für die Erfüllung bestimmter anderer, eigener Zwecke der die Daten verarbeitenden Stelle dienen. Dabei sind die Daten selbst nicht Teil des Hauptgeschäfts. Gemeint sind beispielsweise Webshops, die die Kontaktdaten ihrer Kunden speichern, damit die Versandabteilung die von den Kunden bestellten Produkte ordnungsgemäß an deren Adresse verschicken kann.
  • Bei § 29 BDSG hingegen geht es um die Fälle, bei denen die gespeicherten personenbezogenen Daten selbst die Ware und somit der Geschäftsgegenstand sind. Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass die Betreiber von Bewertungsportalen die Daten speichern, weil sie diese der interessierten Allgemeinheit zur Information und zum Meinungsaustausch zur Verfügung stellen wollen (so OLG Frankfurt, Urteil vom 8.3.2012, Az. 16 U 125/11). Die Finanzierung eines Bewertungsportals oder Meinungsforums mittels Werbung – etwa durch Werbebanner und elektronische Anzeigen – sahen die Gerichte bislang nicht als Hauptzweck des Betreibens eines Bewertungsportals, sondern lediglich als Nebenaspekt, so dass § 28 BDSG deshalb nicht zur Anwendung kommt.

2. Andere Rechtsprechung in der Zukunft?

Es ist nicht sicher, ob die Rechtsprechung die Zulässigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten in Bewertungsportalen und Meinungsforen im Internet auch zukünftig in jedem Einzelfall an den weniger strengen Voraussetzungen des § 29 BDSG statt an denen des § 28 BDSG messen wird.

Grundlage und Annahme der bisherigen Rechtsprechung war stets, dass die Betreiber von Bewertungsportalen das hehre Ziel des von Verfassung wegen besonders geschützten freien Informations- und Meinungsaustausches im Blick haben und nicht etwa vorrangig das Geldverdienen. Dies mag bei einigen Foren tatsächlich – auch immer noch – der Fall sein. Allerdings dürfte in einer Vielzahl von Fällen auch eine Gewinnerzielungsabsicht hinter dem Betreiben eines (dann kommerziellen) Bewertungsportals stecken.

Sollte die Rechtsprechung dies eines Tages ähnlich sehen, so könnte sie – zumindest in einzelnen Fällen – von der Anwendung des § 29 BDSG abrücken und die Zulässigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit Bewertungsportalen an § 28 BDSG messen.

III. Die Voraussetzungen der Speicherung personenbezogener Daten nach § 29 BDSG

Gemäß § 29 Absatz 1 Satz 1 BDSG ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung zulässig, wenn:

  • (Nr. 1) kein Grund zu der Annahme besteht, dass der davon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat, oder
  • (Nr. 2) die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (…), es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt.

1. Daten aus allgemein zugänglichen Quellen

Personenbezogene Daten wie Name, Anschrift, Telefonnummer und E-Mail- sowie Internet-Adresse eines Betroffenen sind häufig in Telefonbüchern oder Branchenverzeichnissen wie den „Gelben Seiten“ – auch online – verzeichnet. Diese Quellen sind allgemein zugänglich im Sinne des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG. Dabei hat der Betroffene in der Regel kein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Daten nicht verwendet werden. So ist grundsätzlich das Verbreiten von Name und Anschrift des Betroffenen – beispielsweise eines Arztes – eine für den Betroffenen nützliche Werbung, jedenfalls aber rechtlich zulässig.

2. Kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Speicherung

Andere personenbezogenen Daten wie etwaige Bewertungen der fachlichen Leistung des Betroffenen, etwa eines Arztes oder eines Rechtsanwalts, stellen regelmäßig subjektive Werturteile dar und werden von der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG verfassungsrechtlich umfassend geschützt. Dasselbe gilt in der Regel für die Tatsachen, die einer Meinungsäußerung zugrunde liegen. Der Meinungsfreiheit billigt die Verfassung aufgrund ihrer in der demokratischen Gesellschaft bedeutenden Rolle im Ausgangspunkt einen höheren Rang zu als dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG gewährleistet wird.

Allerdings liegt darin nur eine grundsätzliche Tendenz. Die Gerichte müssen in den von ihnen zu entscheidenden Fällen stets eine Abwägung der betroffenen grundrechtlich geschützten Positionen und Interessen der Beteiligten vornehmen. Diese Abwägung kann im Einzelfall auch zugunsten des Rechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung oder dessen Persönlichkeitsrecht ausfallen, etwa dann, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder Beleidigungen erfolgen.

Handelt es sich bei den personenbezogenen Daten hingegen um übliche Bewertungen in einem Bewertungsportal oder Meinungsforum, so besteht regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Speicherung. Dies gilt somit auch dann, wenn die Bewertungen über Suchmaschinen wie Google oder Bing auffindbar sind und die Bewertungen ohne vorherige Registrierung sowie anonym erfolgen können.

3. Regelmäßig kein Anspruch auf Löschung der Daten

In der Regel dürfen Betreiber von Bewertungsportalen im Internet die personenbezogenen Daten von Ärzten, sonstigen Freiberuflern und anderen Gruppen natürlicher Personen, die einen bestimmten Beruf ausüben und diesbezüglich im Internet genannt und bewertet werden, somit sowohl erheben als auch speichern.

Daher haben die Betroffenen regelmäßig keinen Anspruch auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten aus § 35 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG oder aus einer anderen Vorschrift. Erst kürzlich hatte das AG München bestätigt, dass einem bewerteten Arzt auf einer Arzt-Bewertungsplattform kein Löschungsanspruch seiner personenenbezogenen Daten zusteht (AG München, Urteil vom 12.10.2012, Az.: 158 C 13912/12), da die Erhebung und Speicherung der Daten gemäß § 29 Abs. 1 BDSG zulässig ist. Auch in dieser Entscheidung erachtete das AG München das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Arztes gegenüber dem Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit als weniger schutzwürdig, so dass dieses zurückzustehen habe. Das Gericht begründete seine Ansicht damit, dass das öffentliche Informationsinteresse hinsichtlich ärztlicher Leistungen als Grundlage für eine Entscheidungsfinung für (potentielle) Patienten das Interesse des betroffenen Arztes überwiege.

VI. Fazit

Ärzte, Lehrer und andere im Internet in Bewertungsportalen bewertete Berufsgruppen haben in der Regel keinen Anspruch auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten wie etwa ihren Namen, ihre Anschrift und die über sie abgegebenen Bewertungen.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 35 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG, weil das Speichern dieser personenbezogenen Daten regelmäßig nach § 29 Absatz 1 BDSG zulässig ist. Dies liegt daran, dass die Daten entweder aus allgemein zugänglichen Quellen stammen oder das Interesse der Nutzer und des Betreibers eines Bewertungsportals an dem freien Meinungsaustausch im Internet (Artikel 5 Absatz 1 GG) das Interesse der betroffenen Personen am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts und ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG) überwiegt.

Eine Unsicherheit besteht darin, ob die Rechtsprechung auch zukünftig die rechtliche Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten stets an § 29 BDSG, anstatt an dem strengeren § 28 BDSG messen wird.

Im sechsten Teil der Serie "Bewertungsportale im Internet und ihre Auswirkungen aus rechtlicher Sicht" geht es um die das nachstehende Thema:

Die Ansprüche Betroffener bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Äußerungen in Blogs und Bewertungsportalen

Die IT-Recht Kanzlei informiert Sie im Zuge einer umfangreichen Beitragsserie über die wichtigsten Rechtsfragen zum Thema „Bewertungsportale und Meinungsforen im Internet“. Bei Problemen, Rückfragen und weiteren Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne auch persönlich weiter.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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