FAQ: Neues italienisches Gewährleistungsrecht
Das Gewährleistungsrecht für den Verkauf von Waren sowie zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen wurde zwar inzwischen innerhalb der EU weitgehend angeglichen. Gleichwohl kann insoweit nicht von einer Vollharmonisierung gesprochen werden. Daher bleiben nicht zuletzt auch für den Online-Handel die verschiedenen nationalen Regelungen zum Gewährleistungsrecht beachtlich. Für das EU-Mitglied Italien hat der italienische Gesetzgeber das Verbraucher-Gewährleistungsrecht im Jahr 2021 gemäß der einschlägigen EU-Richtlinien reformiert und auf digitale Dienstleistungen ausgeweitet. In den nachfolgenden FAQ werden die wesentlichen Fragen zum italienischen Verbraucher-Gewährleistungsrecht behandelt.
Inhaltsverzeichnis
- In welchen Fällen sind Online-Händler mit Sitz in Deutschland von den Regelungen des italienischen Gewährleistungsrechts betroffen?
- Können Vorschriften des italienischen Verbraucher-Gewährleistungsrechts durch AGB des Online-Händlers ausgeschlossen werden?
- Wer gilt nach italienischem Recht als Verbraucher?
- Wer gilt nach italienischem Recht als Unternehmer?
- Gilt das Gewährleistungsrecht auch für Waren mit digitalen Elementen (z.B. Smartphones oder smarte Kühlschränke)?
- Kann der Händler in seinen AGB eine verkürzte Verjährungsfrist für gebrauchte Ware regeln?
- Kann ein Gewährleistungsausschluss bei verspäteter Mängelanzeige des Verbrauchers geregelt werden?
- Wer muss das Vorliegen eines Sachmangels beweisen?
- Welche Gewährleistungsansprüche kann der Käufer geltend machen?
- Welche Voraussetzungen sind bei einer Händler- oder Herstellergarantie zu beachten?
- Was sind digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen nach italienischem Recht?
- In welchem Zeitraum verjähren Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers nach italienischem Recht?
- In welchem Zeitraum verjähren Gewährleistungsansprüche bei einer fortlaufenden Bereitstellung von digitalen Inhalten oder Dienstleistungen?
- Wer muss das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit beweisen?
- In welchen Fällen greift die Haftung des Unternehmers nicht?
- Welche Gewährleistungsansprüche kann der Verbraucher geltend machen?
In welchen Fällen sind Online-Händler mit Sitz in Deutschland von den Regelungen des italienischen Gewährleistungsrechts betroffen?
Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Rom-I-VO unterliegt ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Danach muss sich ein Online-Händler mit Sitz in Deutschland, dessen Angebote sich gezielt an Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Italien richten, grundsätzlich dem italienischen Recht unterwerfen.
Allerdings können die Parteien gemäß Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-VO eine abweichende Rechtswahl treffen, sofern dem Verbraucher hierdurch nicht der durch zwingende Bestimmungen des italienischen Rechts gewährte Schutz entzogen wird. Die Einhaltung dieser Grundsätze wird durch Art. 135 e italienisches Verbrauchergesetz (VG) sichergestellt.
Können Vorschriften des italienischen Verbraucher-Gewährleistungsrechts durch AGB des Online-Händlers ausgeschlossen werden?
Nein! Wie auch im deutschen Recht handelt es sich beim italienischen Verbraucher-Gewährleistungsrecht um zwingendes Recht. Art. 134 VG stellt klar, dass entsprechende AGB-Klauseln unwirksam sind.
Wer gilt nach italienischem Recht als Verbraucher?
Als Verbraucher gilt jede natürliche Person, die bei Abschluss des Vertrages zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen.
Wer gilt nach italienischem Recht als Unternehmer?
Als Unternehmer gilt gem. Art. 18 lit. b VG jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Auftrag des Unternehmers handelt.
Gilt das Gewährleistungsrecht auch für Waren mit digitalen Elementen (z.B. Smartphones oder smarte Kühlschränke)?
Ja! Art. 133 Abs. 1 VG stellt klar, dass das Gewährleistungsrecht auch für Waren mit digitalen Elementen gilt.
#In welchem Zeitraum verjähren Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers nach italienischem Recht?#
Bei Neuwaren gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von 2 Jahren ab Lieferung der Ware, wenn in diesem Zeitraum der Mangel der Ware offenbar wird. Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers verjähren spätestens innerhalb von 26 Monaten ab Lieferung der Ware, es sei denn der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen.
Praxistipp:
In der Praxis sollte von einer Verjährungsfrist von 26 Monaten ausgegangen werden, da der Händler kaum die Möglichkeit haben wird nachzuweisen, dass der Mangel im Zeitraum von 2 Jahren offenbar wurde.
Hinweis: Von der Verjährungsfrist ist die sog. Beweislastumkehr zu unterscheiden. Danach muss der Verbraucher, der einen Mangel erst später als ein Jahr nach Lieferung der Ware anzeigt, beweisen, dass der Mangel bereits bei Lieferung der Ware vorhanden oder angelegt war.
Kann der Händler in seinen AGB eine verkürzte Verjährungsfrist für gebrauchte Ware regeln?
Ja! Wie im deutschen Recht kann bei gebrauchter Ware unter bestimmten Voraussetzungen (insbesondere ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers) eine verkürzte Verjährungsfrist von einem Jahr vereinbart werden (Art. 134 Abs. 1 VG).
Kann ein Gewährleistungsausschluss bei verspäteter Mängelanzeige des Verbrauchers geregelt werden?
Nein! Zwar bestand im italienischen VG alte Fassung die Vorschrift, dass der Käufer einen Mangel der Ware innerhalb von 2 Monaten nach Lieferung dem Verkäufer anzeigen musste, andernfalls waren seine Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist jedoch zugunsten der Verbraucherrechte ersatzlos gestrichen worden. Eine Pflicht zur fristgerechten Mängelrüge besteht daher für Verbraucher nicht mehr.
Wer muss das Vorliegen eines Sachmangels beweisen?
Die Frage der sog. Beweislast, also die Frage, ob der Verkäufer oder der Käufer das Vorliegen eines Sachmangels beweisen muss, hat in der Praxis bei Streitverfahren zwischen Verkäufer und Käufer häufig eine ausschlaggebende Bedeutung.
Die Frage der Beweislast bei Sachmängeln ist durch die Richtlinie für den Warenhandel (RL (EU) 2019/770) EU-weit geregelt worden. Entscheidend ist demnach die Zeitspanne nach Übergabe der Ware, in dem ein Sachmangel auftritt. Zeigt der Käufer dem Verkäufer innerhalb von 12 Monaten nach Lieferung der Ware einen Sachmangel an, so wird vermutet, dass dieser Mangel bereits bei Lieferung der Ware bestanden hat, Art 135 Absatz 1 VG (sog. Beweislastumkehr). Zeigt der Käufer dem Verkäufer einen solchen Mangel erst später als 12 Monate nach Lieferung der Ware an, so hat er zu beweisen, dass der Mangel bereits bei Lieferung der Ware bestanden hat.
Welche Gewährleistungsansprüche kann der Käufer geltend machen?
Das VG neue Fassung sieht in Art 135 bis ff auf der Grundlager der EU-Warenrichtlinie eine Rangfolge der Gewährleistungsansprüche. Vorrangig ist die Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung), schlägt sie fehlt, greifen Sekundarrechte (Minderung, Rücktritt, Schadensersatz).
Wie im deutschen Recht kann der Käufer eine Minderung des Kaufpreises verlangen oder vom Vertrag zurücktreten, wenn eine Nacherfüllung nicht möglich oder fehlgeschlagen ist oder vom Verkäufer zu Unrecht ernsthaft und endgültig verweigert wurde. Ein Rücktritt vom Vertrag ist bei einer Geringfügigkeit des Mangels nicht möglich.
Exkurs:
Der Käufer kann die Erstattung des Kaufpreises verlangen oder den Preis in folgenden Fällen mindern :
- Ware kann nicht ausgetauscht oder repariert werden
- Der Verkäufer weigert sich, die Ware auszutauschen oder zu reparieren
- Die Kosten für eine Reparatur oder Ersatzlieferung sind unverhältnismäßig hoch
- Eine Reparatur der Ware ist fehlgeschlagen
- Der Verkäufer repariert die Ware nicht in einem angemessenen Zeitraum
Welche Voraussetzungen sind bei einer Händler- oder Herstellergarantie zu beachten?
Die Händler- oder Herstellergarantie ist ein zusätzliches freiwilliges Garantieversprechen seitens des Verkäufers oder des Herstellers, das neben den gesetzlich vorgegebenen Gewährleistungsrechten besteht.
Die Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771) gibt EU-weit bestimmte Anforderungen für eine solche Garantie vor. Diese Anforderungen sind in Italien durch das italienische VG in nationales Recht umgesetzt worden. Analoge Regelungen finden sich im deutschen Recht in § 479 BGB neue Fassung.
Folgende Besonderheiten des italienischen VG hinsichtlich der Händler- oder Herstellergarantie sind erwähnungswert, Art 135 e VG:
- Sind die in der Garantieerklärung genannten Bedingungen für den Verbraucher ungünstiger als die in der zugehörigen Werbung genannten Bedingungen, so ist der Händler an die Aussagen in seiner Garantiewerbung gebunden.
- Das Garantieversprechen muss in italienischer Sprache abgefasst sein.
Was sind digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen nach italienischem Recht?
Die Begriffsbestimmungen finden sich in Art. 128 VG, das die EU-Richtlinie (EU) 2019/770 in italienisches Recht umsetzt. Demnach sind „digitale Inhalte“ oder „digitale Produkte Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. „Digitale Dienstleistungen“ sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form ermöglichen. Ein digitales Produkt ist zum Beispiel ein E-Book. Digitale Inhalte decken zum Beispiel den Fall der Datei-Hosting oder der Textverarbeitung ab.
In welchem Zeitraum verjähren Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers nach italienischem Recht?
Gewährleistungsansprüche verjähren bei Vertragswidrigkeiten, die innerhalb von zwei Jahren nach Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen offenbar werden. Wie bei Waren verjähren Gewährleistungsansprüche spätestens innerhalb von 26 Monaten nach Bereitstellung solcher Inhalte und Dienstleistungen. Das italienische VG weicht in dieser Frage von den Mindestanforderungen der EU-Richtlinie ab.
Hinweis: Auch insoweit gilt die sog. Beweislastumkehr. Zeigt der Verbraucher eine Vertragswidrigkeit erst später als 1 Jahr nach Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen an, so muss er beweisen, dass die Vertragswidrigkeit bereits bei Bereitstellung bestanden hat.
In welchem Zeitraum verjähren Gewährleistungsansprüche bei einer fortlaufenden Bereitstellung von digitalen Inhalten oder Dienstleistungen?
Insoweit gilt entsprechend Art. 133 Abs. 2 VG eine Haftung des Online-Händlers für jede Vertragswidrigkeit, die während des Zeitraums, in dem die digitalen Inhalte oder Dienstleistung bereitzustellen sind, eintritt oder auftritt.
Wer muss das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit beweisen?
Wie im Fall der Lieferung von Waren hat die Frage der sog. Beweislast, also die Frage, ob der Unternehmer oder der Verbraucher das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit beweisen muss, in der Praxis bei Streitverfahren zwischen Unternehmer und Verbraucher eine ausschlaggebende Bedeutung.
Der Unternehmer trägt bei einer Vertragswidrigkeit, die innerhalb eines Jahres nach Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen offenbar wird, die Beweislast dafür, dass diese Inhalte oder Dienstleistungen zu dem Zeitpunkt der Bereitstellung in vertragsgemäßen Zustand waren (Art. 135, Abs. 1 VG).
Sieht der Vertrag eine fortlaufende Bereitstellung von digitalen Inhalten oder Dienstleistungen vor, so trifft den Unternehmer die Beweislast, dass diese Inhalte oder Dienstleistungen während des gesamten Vertragszeitraums in vertragsgemäßen Zustand sind, wenn die Vertragswidrigkeit im Vertragszeitraums offenbar wird (Art. 135, Abs. 2 VG).
Nach Beendigung des Vertragszeitraums hat der Verbraucher zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Bereitstellung bestanden hat.
In welchen Fällen greift die Haftung des Unternehmers nicht?
Der Unternehmer haftet nicht, wenn der Verbraucher verfügbare Aktualisierungen einschließlich Sicherheitsaktualisierungen nicht installiert und es so zu einer Vertragswidrigkeit kommt, Art. 130 Abs. 3 VG.
Der Unternehmer haftet nicht, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass eine bestimmte Eigenschaft des Vertragsgegenstandes von den Konformitätsanforderungen abweicht (Art. 130 Abs. 4 VG).
Welche Gewährleistungsansprüche kann der Verbraucher geltend machen?
Insoweit gelten die Ausführungen zu den Gewährleistungsansprüchen des Verbrauchers bei Waren entsprechend (siehe oben).
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare