Nach BGH-Urteil: Was müssen Anbieter von Online-Coaching jetzt beachten?

Der BGH hat kürzlich eine weitreichende Entscheidung zum Thema „Fernunterricht“ getroffen. Danach könnten zahlreiche Angebote für digitale Lerninhalte, wie etwa Online-Coaching, den Regularien des Fernunterrichtsschutzgesetzes unterliegen.
Was ist „Fernunterricht“?
Zahlreiche Lerninhalte werden heutzutage auch online in digitaler Form angeboten. Hierzu zählen etwa Webinare, Online-Kurse, Online-Coaching oder Fernstudium. Dabei fallen bestimmte Veranstaltungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (kurz: Fernunterrichtsschutzgesetz - FernUSG) und sind damit gesetzlich reguliert.
Fernunterricht im Sinne des FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der
1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
In besonderen, gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen (insbesondere Fernlehrgänge zur Berufsbildung nach dem Berufsbildungsgesetz), findet das FernUSG auch auf unentgeltlichen Fernunterricht Anwendung.
Grundsätzlich liegt also Fernunterricht vor, wenn ein Lehrgang
- auf vertraglicher Basis gegen Entgelt angeboten wird,
- Lernende und Lehrende überwiegend räumlich getrennt sind und
- eine individuelle Lernerfolgskontrolle stattfindet.
Welche Regularien gelten für Fernunterricht?
Liegt ein Fernunterrichtsvertrag vor, muss der Veranstalter hierfür besondere rechtliche Anforderungen erfüllen. Hierzu zählen etwa ein Textformerfordernis hinsichtlich des Vertragsschlusses mit dem Teilnehmer, ein besonderes Widerrufsrecht sowie ein besonderes Kündigungsrecht des Teilnehmers. Ferner benötigt der Veranstalter in solchen Fällen grundsätzlich eine besondere behördliche Zulassung.
Gilt das FernUSG auch für Online-Coaching?
Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Verträge über Online-Coaching in den Anwendungsbereich des FernUSG fallen.
Unter welchen Voraussetzungen die Regelungen zum FernUSG anwendbar sind und welche Auswirkungen dies ggf. auch auf Anbieter von Coaching-Leistungen hat, erläutern wir in diesem Beitrag.
1. Anwendbarkeit auch für B2B-Verträge
In der Rechtsprechung war insoweit insbesondere umstritten, ob das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern (B2B) Anwendung findet. Dies war in der Vergangenheit von einigen Gerichten mit nachvollziehbarer Begründung abgelehnt worden.
Hierzu hat der BGH mit Urteil vom 12.06.2025 (III ZR 109/24) eine klare Entscheidung getroffen. Erfasst seien danach nicht nur Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, sondern auch Verträge zwischen Unternehmern. Erfasst seien alle Personen, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen; ob dies zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt oder nicht, sei unerheblich.
Danach kann die Anwendbarkeit des FernUSG jedenfalls nicht allein daran scheitern, dass der Teilnehmer der Veranstaltung nicht als Verbraucher handelt.
2. Weite Auslegung von „Fernunterricht“
Ferner legt der BGH den Begriff „Fernunterricht“ weit aus. Dies umfasse „jegliche“ Wissens- und Fähigkeitsvermittlung, unabhängig vom genauen inhaltlichen Zuschnitt oder etwaigen „Coaching“- oder „Mentoring“-Bezeichnungen.
3. Überwachung des Lernerfolgs
Insoweit hielt der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Danach liege eine Überwachung des Lernerfolgs bereits dann vor, wenn Teilnehmende die Möglichkeit haben, Fragen zum erlernten Stoff persönlich zu stellen und Rückmeldung zu erhalten (BGH, Urt. v. 15.10.2009 – III ZR 310/08). Dies könne etwa in Online-Meetings, per E-Mail oder in Gruppenforen erfolgen. Ob und inwieweit Teilnehmende tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sei für die Einordnung dagegen nicht relevant.
Welche Folgen hat das BGH-Urteil für die Praxis?
Da der BGH den Anwendungsbereich des FernUSG sehr weit auslegt, könnten zahlreiche Angebote für digitale Lerninhalte darunterfallen, mit der Folge, dass die betreffenden Anbieter die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen müssen.
Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Dies hat u. a. zur Folge, dass der Veranstalter die vereinbarte Vergütung für den Lehrgang nicht durchsetzen kann und diese ggf. an den Teilnehmer zurückzahlen muss, wenn der Teilnehmer die bereits gezahlte Vergütung zurückfordert.
Zwar hat es der BGH in seiner Entscheidung als möglich erachtet, dass der Anbieter dem Anspruch des Teilnehmers einen eigenen Anspruch auf Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen entgegenhalten kann, wenn der Anbieter von dem Verstoß gegen das FernUSG keine Kenntnis hatte und er in der Lage ist, den Wert der Leistungen, die der Teilnehmer empfangen hat, darzulegen. Diese Anforderungen sind allerdings hoch und werden den Anbieter in der Praxis vor Probleme stellen.
Für bereits abgeschlossene Verträge besteht für betroffene Anbieter daher ein potenzielles Risiko, mit Rückzahlungsforderungen konfrontiert zu werden, seien diese im Einzelfall nun berechtigt oder unberechtigt. So wird auf einigen Anwalts-Webseiten bereits offensiv für entsprechende Rückforderungsmandate geworben.
Ferner können Verstöße gegen das FernUSG Ordnungswidrigkeiten begründen und gemäß § 21 FernUSG zu Geldbußen führen.
Schließlich können Verstöße gegen das FernUSG Wettbewerbsverstöße nach dem UWG begründen und somit auch wettbewerbsrechtliche Sanktionen (z. B. Abmahnungen) nach sich ziehen.
Was sollte man als Anbieter von Online-Coaching beachten?
Um keine unangenehmen rechtlichen Überraschungen zu erleben, sollten Anbieter von Online-Coaching folgende Punkte beachten:
1. Prüfen Sie zunächst selbst, ob ihre Veranstaltungen in den Anwendungsbereich des FernUSG fallen. Hierzu können unsere FAQ eine wertvolle Hilfestellung sein.
2. Orientieren Sie sich grundsätzlich an den Richtlinien und FAQ der ZfU, die diese auf ihrer Website veröffentlicht hat. Sind demnach die Kriterien für Fernunterricht erfüllt, sollten Sie entweder einen Antrag auf Zulassung bei der ZfU stellen oder das Konzept Ihres Online-Kurses so abändern, dass Sie die Kriterien nicht mehr erfüllen.
3. Die ZfU bietet nicht nur Informationsmaterial auf ihrer Website, sondern kann und sollte auch als Anlauf- und Beratungsstelle genutzt werden, um die Zulassungsbedürftigkeit von Online-Kursen als Fernunterricht zu klären. Zwar könnte es dann passieren, dass die Behörde Sie zur Stellung eines Antrages auf Zulassung Ihres Online-Kurses auffordert, obwohl Sie den Kurs nicht zulassen und durch die Behörden auf seine Qualität und Tauglichkeit überprüfen lassen wollten. Allerdings haben Sie dann immerhin etwas Verbindliches in der Hand, das Sie ggf. gegenüber missgünstigen Kunden, die ihr Geld zurückfordern, sowie Mitbewerbern entgegenhalten können.
Für Unternehmer, deren Veranstaltungen in den Anwendungsbereich des FernUSG fallen, bieten wir ein spezielles Schutzpaket für Fernunterricht an.
Für Anbieter von Online-Coachings stellen wir hier nützliche Informationen für die Praxis bereit.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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