B2B-Coaching doch kein Fernunterricht (FernUSG)?

B2B-Coaching doch kein Fernunterricht (FernUSG)?
6 min
Beitrag vom: 03.09.2025

Seit der Entscheidung des BGH zur Anwendbarkeit des FernUSG auf B2B-Coachings im Juni 2025 sind viele Anbieter verunsichert. Ein Fall des LG München sorgt für weitere Verwirrung, gibt aber auch Anlass zur Hoffnung.

Was hat der BGH jüngst zum FernUSG entschieden?

Gegenstand einer noch jungen Entscheidung des BGH (Urteil des BGH vom 12. Juni 2025 - Az. III ZR 109/24 - FernUSG) waren einige wesentliche Punkte zum Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG):

  • Das FernUSG findet nicht bloß im B2C-, sondern auch im B2B-Bereich Anwendung.
  • Digitale B2B-Coaching- und Mentoring-Programme können als Fernunterricht i.S.d. FernUSG zu qualifizieren sein.
  • Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 1 FernUSG wird weit verstanden, auch Coachings oder Kurse im Bereich Mindest, Persönlichkeitsentwicklung und unternehmerisches Denken und Handeln können hierunter fallen.
  • Digitale Formate wie Aufzeichnungen von Live-Meetings und Bereitstellung von Videos können als asynchrone Formate und in der Folge als räumlich getrennt i.S.d. FernUSG anzusehen sein.
  • Das Kriterium der Lernerfolgskontrolle i.S.d. FernUSG kann bereits dann vorliegen, wenn nach dem Vertrag die Möglichkeit der Teilnehmenden besteht, dem Anbieter gegenüber Fragen zu stellen, etwa im Rahmen von Live-Calls, Live-Meetings, via E-Mail oder in Community-Foren.
  • Bei zulassungspflichtigen Coachings ist der Coaching-Vertrag ohne Zulassung nichtig, so dass bereits gezahlte Entgelte grundsätzlich zurück gefordert werden können.
  • Allerdings kann der Anbieter des Coachings ggf. einen Anspruch auf Wertersatz in der Höhe in Ansatz bringen, die das Coaching wert gewesen ist. Hierfür trägt allerdings der Anbieter die Darlegungs- und Beweislast.

Weiterführende Informationen zum Urteil des BGH hins. Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich finden Sie in diesem Beitrag.

Sonstige Informationen zum Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) und dessen Anwendbarkeit finden Sie in diesem Beitrag ,

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Worum geht es im Fall des LG München?

Das LG München hat in einem aktuellen Fall eine etwas andere Position als der BGH eingenommen (Urteil des LG München vom 08. August 2025 - Az. 47 O 12802/24).

Der Kläger war Teilnehmer eines Coaching-Programms des beklagten Coaching-Anbieters, mit dem er einen Vertrag über das Coaching-Programm namens "Coaching und Consulting Elite Training" abgeschlossen hatte.

Vertragsinhalt war ein Videoselbstlernkurs, der

  • von mehrmals wöchentlich stattfindenden Live-Webinaren (die auch aufgezeichnet worden sind und später wiederholt abgerufen werden konnten) sowie
  • einer individuellen 1:1-Betreuung durch einen persönlichen Ansprechpartner

begleitet werden sollte. Für diese Leistungen zahlte der Teilnehmer wie vereinbart über eine Einmalzahlung und mehrere monatliche Raten insgesamt mehr als EUR 7.000.

Da der Teilnehmer mit dem Inhalt des Kurses unzufrieden war, machte er gegenüber dem Coaching-Anbieter geltend, der Vertrag sei nach den Bestimmungen des FernUSG zulassungspflichtig und wegen der fehlenden Zulassung nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Der Teilnehmer verlangte vom Anbieter Rückzahlung der bereits gezahlten Vergütung nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Der Coaching-Anbieter bestritt dies und berief sich u. a. darauf, dass es sich nicht um einen Vertrag über Fernunterricht i.S.d. FernUSG handele, weshalb das LG München für den Fall auch gar nicht zuständig sei.

Wie hat das LG München entschieden?

Das LG München hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass es nach § 26 Abs. 1 FernUSG nicht zuständig sei, da kein Vertrag über Fernunterricht i.S.d. § 1 FernUSG vorliege.

Nach Ansicht des Gerichts sprechen hierfür die folgenden Erwägungen:

  • Das Coaching-Programm beinhalte keine räumliche Trennung i.S.d. § 1 FernUSG, so dass alleine deshalb bereits kein Fernunterricht vorliegen könne.
  • Aus Sicht des Gerichts sei maßgeblich, ob die gebotene digitale Betreuung eine mit Präsenzunterricht (vor Ort) vergleichbare Betreuung sicherstellt.
  • Dies sei bei dem streitgegenständlichen Coaching-Programm der Fall: Neben Videoselbstlernkursen bestünde im Rahmen des Programms die Möglichkeit zu regelmäßigen Live-Webinaren und individuellem 1:1-Support.
  • Damit seie eine "echte" Betreuung gegeben, die mit der Betreuung bei einem Präsenz-Programm vergleichbar sei. Hieran ändere sich aus Sicht des Gerichts nichts dadurch, das die Betreuung nicht persönlich vor Ort, sondern ausschließlich via digitaler Mittel erfolge.

Was sieht das LG München anders als der BGH?

Der BGH und das LG München bewerten ähnlich strukturierte Coaching-Programme im Hinblick auf die Anwendbarkeit des FernUSG diamentral unterschiedlich:

  • Der BGH sieht jedenfalls bei im Wesentlichen asynchron veranstalteten digitalen Coaching- und Kurs-Programmen typischerweise eine räumliche Trennung i.S.d. § 1 Nr. 1 FernUSG und in parallel angebotenen regelmäßigen Meetings, Calls, 1:1-Betreuung etc. eine Lernerfolgskontrolle i.S.d. § 1 Abs. Nr. 2 FernUSG. Solche Kurse können aus Sicht des BGH daher nach dem FernUSG zulassungspflichtig sein, müssten dann also durch die Zentralstelle für Fernunterricht (ZfU) zertifiziert werden.
  • Im Unterschied hierzu sieht das LG München bei besonders engmaschig und persönlich begleiteten - ansonsten zumindest auch asynchron veranstalteten - digitalen Coaching-Programmen und Kursen wegen der vielen Online- bzw. Live-Feedback-Möglichkeiten schon keine räumliche Trennung i.S.d. FernUSG, so dass es auf eine Erfolgskontrolle gar nicht ankommt. Einer Zertifizierung solcher Programme bzw. Kurse bedarf es daher in solchen Fällen aus Sicht des LG München nicht.

Für beide Ansichten lassen sich ganz gute Argumente finden. Allerdings muss betont werden, dass die Gerichte in ihren jüngsten Entscheidungen regelmäßig eher die Rechtsauffassung des BGH vertreten haben.

Was bedeutet dieses Urteil für B2B-Coaching-Verträge?

Das Urteil des LG München ist für viele B2B-Coaching-Anbieter ein Lichtstreif am Horizont, stiftet andererseits aber auch weitere Verwirrung:

  • Anbieter von B2B-Coaching-Programmen können sich auf dieses Urteil des LG München stützen, um Rückforderungen von Kursentgelten durch unzufriedene Teilnehmende abzuwehren.
  • Das Urteil liefert ein vergleichsweise neues Argument in der Diskussion: Eine besonders engmaschige und intensive persönliche Betreuung via digitaler Tools bzw. Formate, wie z.B. regelmäßige Live-Sessions, individuelle Q&As, direkter Ansprechpartner) kann dazu führen, dass trotz einer räumlichen Trennung in physischer Hinsicht keine räumliche Trennung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG besteht.
  • Für B2B-Coaching-Anbieter sinkt durch die Entscheidung des LG München das Risiko, dass unzufriedene Teilnehmende ihre Entgelte wegen vermeintlich fehlender Zulassung nach § 7 FernUSG zurückfordern können.
  • Besonders im B2B-Bereich (Coaching für Unternehmer, Selbstständige) stärkt das Urteil die Position der Anbieter, da diese sich ohnehin oft darauf berufen, dass das FernUSG vorrangig verbraucherschützenden Charakter hat.

Allerdings muss deutlich betont werden, dass die Entscheidung des LG München samt der darin enthaltenen Argumentation vergleichsweise exotisch ist, d.h. die Rechtsansicht von anderen Gerichten soweit ersichtlich nicht geteilt worden ist. Dies kann sich nun ändern, es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass die meisten Gerichte an ihrer bisherigen Linie festalten werden.

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Bildquelle: fizkes / shutterstock.com

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