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Bildung & E-Learning

Verstoß gegen FernUSG und doch kein Geld zurück?

Verstoß gegen FernUSG und doch kein Geld zurück?
6 min
Beitrag vom: 06.11.2025

Der BGH hat im Juni 2025 entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auch im B2B-Bereich Anwendung findet. Anbietern von B2B-Coachings droht nun die Rückzahlung von Kursgebühren an ihre Kunden. Das AG Paderborn urteilte nun jedoch anders.

Was ist das FernUSG?

Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für sog. Fernunterricht, der zulassungspflichtig ist, also von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zertifiziert werden muss. Dabei versteht das FernUSG unter Fernunterricht die

  • auf vertraglicher Grundlage erfolgende,
  • entgeltliche
  • Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten,
  • bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
  • der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Viele Online-Angebote im Bereich des E-Learning oder Business-Coaching stehen im Verdacht, Fernunterricht i.S.d. der FernUSG und daher zulassungspflichtig zu sein. Häufig sind diese Angebote aber tatsächlich nicht zugelassen, was erhebliche Folgen haben kann.

Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei, dass viele Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einordnung als Fernunterricht nicht abschließend geklärt sind und viele Gerichte beschäftigen, die im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit teils völlig unterschiedlich urteilen.

In unserem FAQ zum Fernunterrichtsschutzgesetz finden Sie viele weitere Informationen hierzu.

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Wieso sind Verstöße gegen das FernUSG schmerzhaft?

Verstöße gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) sind für Anbieter von Fernunterricht juristisch und wirtschaftlich schmerzhaft:

  • Wenn ein Anbieter ein Fernunterrichtsangebot ohne Zulassung der ZFU anbietet oder abschließt, ist der Vertrag automatisch nichtig – also rechtlich unwirksam. Der Anbieter hat keinen Anspruch auf Kursgebühren, bereits gezahlte Entgelte müssen zurückgezahlt werden, und Teilnehmende dürfen den Kurs aber trotzdem behalten (da der Teilnehmende nicht zur Rückgabe der Inhalte verpflichtet ist).
  • Die bundesweit zuständige Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) kann nach § 21 FernUSG Bußgelder verhängen, wenn ein Anbieter nicht zugelassene Fernlehrgänge vertreibt oder ohne Genehmigung Werbung für solche Angebote macht. Dabei sind Bußgelder bis zu 10.000 Euro pro Fall möglich.
  • Verstöße gegen das FernUSG sind gleichzeitig Wettbewerbsverstöße i.S.d. § 3a UWG. Das bedeutet, etwa Mitbewerber, Verbraucherschutzverbände und Abmahnvereine können Abmahnungen aussprechen oder gerichtliche Unterlassungsverfügungen beantragen.
  • Gerade bei Online-Angeboten droht die Sperrung oder Löschung durch Plattformen, wenn gegen deutsches Bildungsrecht verstoßen wird, und negative Publicity ("Abzocke"). Das kann langfristig mehr schaden als jedes Bußgeld.

Worum ging es im Fall des AG Paderborn?

Im Mittelpunkt des Falles vor dem AG Paderborn (Urteil vom 5. September 2025 - Az. 57a C 183/24) stand die Frage, ob

  • bei einem Vertrag über ein B2B-Online-Coaching wegen Verstoßes gegen das FernUSG ein Rückzahlungsanspruch der Teilnehmerin besteht bzw.
  • einem solchen Rückzahlungsanspruch ein Wertersatzanspruch des Anbieters des Coachings gegenübersteht und gegebenenfalls in welcher Höhe.

Die in dem Fall klagende Teilnehmerin verlangte die Rückzahlung eines Entgelts für ein Online-Coaching, da der Vertrag mangels Zulassung gemäß § 12 FernUSG durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) nach § 7 FernUSG nichtig sei. Sie sah in dem Angebot Fernunterricht, weil die Kenntnis- und Fähigkeitsvermittlung überwiegend über aufgezeichnete Videos und damit räumlich getrennt erfolgte und die Möglichkeit des Feedbacks in Gruppen mit Coaches und anderen Teilnehmern bestand, wobei Fragen gestellt und Erfahrungen ausgetauscht werden konnten.

Das beklagte Coaching-Unternehmen bestritt die Anwendbarkeit des FernUSG, da keine individuelle Lernerfolgskontrolle i.S.d. FernUSG stattfinde und die Teilnehmerin das Coaching im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit - also im B2B-Bereich - gebucht habe.

Wie entschied das AG Paderborn?

Das Gericht entschied zu Gunsten des Coaching-Unternehmens, dass die Teilnehmerin im Ergebnis keinen Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts hat.

Das Gericht sah in dem Coaching-Programm zwar Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG, da die Vermittlung von Wissen klar im Vordergrund stand, überwiegend räumlich getrennt erfolgte und eine Lernerfolgskontrolle durchgeführt wurde. Die wesentlichen Coaching-Inhalte (aufgezeichnete Live-Calls) konnten zeitversetzt (asynchron) abgerufen wurden, sodass eine überwiegende räumliche Trennung vorlag. Daher wäre eine Zulassung des Coaching-Programms durch die ZFU nach § 12 FernUSG erforderlich gewesen.

Wegen der fehlenden ZFU-Zulassung war der Vertrag daher nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. In der Folge hätte der Teilnehmerin deswegen ein Rückzahlungsanspruch nach dem sog. Bereicherungsrecht zugestanden. Die Teilnehmerin konnte aber keine Rückzahlung des Entgelts verlangen, weil dem Coaching-Anbieter aus Sicht des Gerichts ein gleich hoher Anspruch auf Wertersatz für die erbrachten Leistungen zustand.

Welche weiteren Fragen zum FernUSG werden diskutiert?

Viele weitere Fragen rund um das FernUSG sind gegenwärtig noch Gegenstand von Diskussionen, so dass keine vollständige Rechtssicherheit besteht. Hierzu zählt etwa:

Ist das FernUSG im B2B-Bereich anwendbar, also etwa auf E-Learning-Angebote für Freiberufler und sonstige Selbstständige?

Der BGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) bejaht. Diese Entscheidung ist allerdings nicht bindend, andere Gerichte könnten hiervon abweichen. In der Regel wird sich die Rechtsprechung künftig hieran aber orientieren und der BGH-Entscheidung folgen.

Werden Coaching- und Mentoring-Angebote vom FernUSG erfasst, bei denen der Schwerpunkt auf der persönlichen Beratung und Begleitung der Teilnehmenden liegt?

Es wird intensiv diskutiert, ob solche Angebote überhaupt eine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 1 FernUSG beinhalten und Fernunterricht in diesem Sinne sein können. In der jüngsten Rechtsprechung ist dies meist nicht entscheidungserheblich gewesen, weshalb die Gerichte dies offen gelassen haben.

Besteht bei Live-Calls/Live-Online-Meetings eine räumliche Trennung i.S.d. § 1 FernUSG?

Überwiegend geht man davon aus, dass (synchrone) Live-Calls/Live-Online-Meetings im Gegensatz etwa zu (asynchronen) bloß aufgezeichneten (früheren) Live-Calls/Live-Online-Meetings nicht räumlich getrennt i.S.d. FernUSG erfolgen. So sieht es auch die für die Zertifizierung von Fernunterricht zuständige ZFU. Der BGH hat dies in seinem Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) allerdings ausdrücklich offen gelassen, da es für die Entscheidung des Falles hierauf nicht ankam.

Wie bemisst sich bei hybriden (Misch)Formen von Online-Kursen der Anteil der räumlichen Trennung?

Fernunterricht i.S.d. FernUSG liegt nur dann vor, wenn der Anbieter und die Teilnehmenden dabei überwiegend räumlich getrennt sind. Viele Online-Kursen setzen sich aus Inhalten auf einer digitalen Lernplattform sowie aus Live-Elementen zusammen. Wann die Anteile eines Kurses, die nicht live oder synchron und damit "räumlich getrennt" stattfinden, die Live-Elemente überwiegen, ist nicht immer eindeutig. Klare Maßstäbe, an denen sich die Gerichte orientieren, haben sich bislang nicht herausgebildet.

Ist individuelles Feedback zum Lernfortschritt durch KI-Bots eine Lernerfolgskontrolle i.S.d. FernUSG?

Die ZFU hält zumindest automatisiert ausgewertete Multiple-Choice-Tests für keine Lernerfolgskontrolle i.S.d. FernUSG. Rechtsprechung, die dies oder die Auswertung durch KI-Bots anders beurteilt, ist zumindest nicht bekannt. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass dies künftig einmal anders gesehen wird, insbesondere wenn das KI-gesteuerte Feedback der Rückmeldung durch eine lebende Lehrperson qualitativ gleichwertig oder sogar überlegen ist. Gegenwärtig gibt es hierzu aber keine Hinweise.

Coaches, Seminar- und Kurs-Anbieter benötigen nicht nur Rechtssicherheit im Hinblick auf das FernUSG, sondern auch eine rechtliche Absicherung Ihres Online-Business insgesamt.

Wir stellen unseren Mandanten in unseren Schutzpaketen abmahnsichere Rechtstexte zur rechtlichen Absicherung bereit:

Sprechen Sie uns hierzu natürlich gerne an.

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Bildquelle: fizkes / shutterstock.com

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