OLG Köln und LG München I zum datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch unfreiwillig gelisteter Anbieter in Bewertungsportalen
Für fast jede Branche existieren inzwischen eigenständige Bewertungsportale. Häufig verdienen deren Betreiber Geld damit, dass sich die gelisteten Anbieter kostenpflichtig ihre Profile aufwerten lassen und so den Eindruck einer besonderen Leistungsqualität erwecken können. Dadurch entsteht jedoch oftmals Druck auf Mitbewerber, die einen derartigen kostenpflichtigen „Service“ nicht in Anspruch nehmen oder im Zweifel nicht mal auf der betreffenden Plattform gelistet sein wollen. Sowohl das OLG Köln mit Urteil vom 14.11.2019 (Az. 15 U 89/9) als auch das LG München I mit Entscheidungen vom 06.12.2019 (Az. 25 O 13978/18, 25 O 13979/18 und 25 O 13980/18) haben nun bezüglich eines Arztbewertungsportals entschieden, dass die Erstellung von Bewertungsprofilen für Ärzte ohne deren ausdrückliche Einwilligung datenschutzwidrig ist, wenn mit der Profilerstellung auch kommerzielle Zwecke des Portals verfolgt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Sachverhalt
Ein deutschlandweit bekanntes Arztbewertungsportal hatte Bewertungsprofile für Ärzte als Anbieter von Gesundheitsleistungen unter Übernahme und Speicherung deren personenbezogener Daten erstellt, ohne zuvor deren ausdrückliche Einwilligung einzuholen.
Dabei operierte das Portal auf Basis einen Modells, nachdem gelistete Anbieter gegen Entgelt als „Premium-Kunden“ die Möglichkeit erhielten, ihre Profile eigenständig auszugestalten und mit weiteren Informationen anzureichern. Als nicht zahlende Anbieter (unfreiwillig) gelistete Ärzte wurden dahingegen als „Basis-Kunden“ behandelt und wurden weitgehend daran gehindert, in ihren (unfreiwilligen) Listungen Anpassungen nach eigenen Vorstellungen vorzunehmen.
Auf den Profilen der „Basis-Kunden“ wurden zudem sogenannte „Expertenratgeber-Artikel“ eingeblendet. Diese von zahlenden Mitgliedern verfassten Artikel wurden unter Verlinkung des jeweiligen Autorenprofils veröffentlicht. Auf den Profilen der Premium-Kunden wurden hingegen keine Expertenratgeber-Artikel angezeigt.
Die klagenden Ärzte begehrten von der beklagten Plattformbetreiberin die Löschung ihrer Profile bzw. mindestens die Löschung der personenbezogenen Daten und forderten die Unterlassung der Veröffentlichung von „Ratgeberartikeln“ anderer Mitglieder auf ihrem Profil.
II. Die Entscheidung
Die Gerichte urteilten übereinstimmend zugunsten der klagenden Ärzte. Die Gerichte bejahten neben dem Löschungsanspruch bezüglich der personenbezogenen Daten der Kläger auch den Unterlassungsanspruch, auf den Profilen der Basiskunden mit den Fachartikeln andere Ärzte zu werben.
Bereits im Jahre 2011 hatte der BGH in dieser Thematik geurteilt, dass Ärzten generell kein Löschungsanspruch ihrer Basisdaten und Bewertungen auf derartigen Bewertungsportalen zustehe. 2018 konkretisierte der BGH diese Rechtsprechung weiter dahingehend, dass das Portal, das die Daten veröffentliche, in diesem Fall neutral bleiben müsse.
Gemäß den nunmehr ergangenen Entscheidungen steht den Klägern ein Anspruch auf Unterlassung der Verarbeitung ihrer Daten aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO und auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO zu.
Maßgeblich sei für beide Ansprüche, ob die einwilligungslose Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kläger im Rahmen der Profilerstellung und -anzeige über überwiegende berechtigte Interessen des beklagten Portals oder seiner Nutzer gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt werden könne.
Auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO käme es maßgeblich an, weil sich die Beklagte nicht auf das sogenannte Medienprivileg nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO berufen könne. Zwar sei es für die Bewertung der Beklagtentätigkeit als journalistische Leistung unschädlich, dass ihr eine Gewinnabsicht unterstellt werden könne, jedoch nehme das Portal durch die Art und Weise der Informationsverbreitung keine journalistische, sondern eher eine vermittelnde Rolle ein. Die Plattform sei daher eher als „ein bloßer Hilfsdienst zur besseren Verbreitung der Informationen“ ausgestaltet. Der BGH hatte hierzu ausgeführt, dass ein schützenswertes journalistisches-redaktionelles Niveau erst angenommen werden könne, „wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist“. Dies sei im konkreten Fall und auch für die meisten anderen Bewertungsportale nicht der Fall.
Zwar erfülle die Plattform durch die Sammlung, Kanalisierung und Veröffentlichung der Daten einen Informationszweck, der im öffentlichen und gesellschaftlichen Interesse stünde und mithin in der Abwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sei. Dies gelte jedoch nur insoweit, wie das Portal als neutrale Informationsvermittler auftreten würde.
Diese Neutralität sahen die Gerichte insbesondere durch die Verlinkung der Expertenartikel zahlender Mitglieder bei dem beklagten Portal als nicht gegeben an.
Durch die Schaltung der Artikel gewährten die Plattformbetreiber den zahlenden Mitgliedern einen „verdeckten Vorteil“, da die Besucher der Website nicht auf den ersten Blick erkennen könnten, dass diese Werbung für andere Ärzte nur auf den Profilen nichtzahlender Mitglieder erscheine.
Eine Abwägung der berechtigten Interessen der Beklagten bzw. der Nutzer mit den Belangen der Kläger, ergebe daher ein überwiegendes Schutzinteresse zugunsten der klagenden Ärzte und mithin das Fehlen einer Rechtfertigung der Datenverarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.
III. Fazit
Bewertungsportale dienen generell dem Interesse der Allgemeinheit und dürfen grundsätzlich Daten von gewerbsmäßig agierenden Marktteilnehmern auch ohne Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit f. DSGVO nutzen und verbreiten, wenn sie diese aus anderen öffentlich zugänglichen Quellen erlangen. Eine journalistische Arbeit verrichten sie in der Regel indes nicht. Das Nutzungsinteresse an den Daten geht jedoch nur soweit, als die Informationsvermittlung überwiegend dem öffentlichen Interesse dient. Gewährt das Portal zahlenden Mitgliedern jedoch Vorteile, die für den Nutzer nicht klar erkennbar sind, verliert es die Eigenschaft eines neutralen Informationsvermittlers. Die betroffenen Mitglieder können dann die Löschung ihrer Daten verlangen.
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