
Immer wieder werden wir in unserer Beratungspraxis mit Fällen konfrontiert, in denen Kunden die vom Händler versandten Waren angeblich nicht oder nicht vollständig erhalten haben und deshalb vom Händler Lieferung der fehlenden Ware verlangen. Der Händler ist sich jedoch sicher, die bestellte Ware vollständig verpackt und an den Kunden versendet zu haben. Doch wie kann er dies im Ernstfall nachweisen? Welche Beweismittel kommen hierfür in Betracht und wie stehen die Chancen des Händlers, sich gegen evtl. Missbrauchsfälle zu wappnen? Der nachfolgende Beitrag soll Online-Händlern einige Hilfestellungen für die Praxis aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Rechtlicher Hintergrund
- II. Mögliche Fehlerquellen bei der Lieferung
- III. Möglichkeiten der Beweissicherung für Händler
- 1. Vier-Augen-Prinzip
- 2. Videokameras am Packtisch
- 3. Scannen der Ware
- 4. Vergleich des Paketgewichtes mit den Gewichtsangaben des Paketdienstes
- 5. Versicherter Versand
- IV. Rechtliche Verwertbarkeit solcher Beweismittel
- V. Fazit
I. Rechtlicher Hintergrund
Bei Kaufverträgen mit Verbrauchern im Versandhandel trägt der Unternehmer gemäß § 474 Abs. 4 BGB grundsätzlich das Transportrisiko, also die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Ware auf dem Transportweg. Behauptet der Käufer in solchen Konstellationen, dass ihm die vom Verkäufer versandte Ware nicht oder nicht vollständig zugegangen ist, so muss der Verkäufer das Gegenteil beweisen. Dies stellt den Händler in der Praxis jedoch in der Regel vor größere Probleme, da er die Ware zumeist nicht selbst ausliefert sondern sich hierzu eines Transportdienstleisters bedient, der wiederum entsprechendes Personal mit der Zustellung betraut. Der Händler kann daher zumeist nur den Weg der Ware bis zur Übergabe an den Transportdienstleister nachvollziehen, wobei selbst dies nicht immer lückenlos möglich ist.
II. Mögliche Fehlerquellen bei der Lieferung
Kommt es bei der Lieferung der Ware zu Problemen, so können hierfür verschiedene Fehlerquellen in Betracht kommen:
1. Fehler können sich bereits im Betrieb des Händlers bei der Verpackung der Ware einschleichen. Dabei genügt eine Unachtsamkeit des Händlers oder eines seiner Mitarbeiter und die Ware wurde nicht oder nicht vollständig eingepackt.
2. Eine weitere Fehlerquelle kann sich bei der Lagerung der Ware beim Transportdienstleister vor dem Versand der Ware auftun, etwa wenn das lagernde Paket von einer unbefugten Person geöffnet und der Inhalt ganz oder teilweise entnommen wird.
3. Ferner kann die Ware auf dem Transportweg verloren gehen oder entwendet werden.
4. Schließlich kann es auch bei der Zustellung selbst zu Fehlern kommen, etwa wenn die Ware einfach vor der Haustür des Kunden abgestellt und von dort entwendet wird.
Für jeden der vorgenannten Fälle trägt beim Verbrauchsgüterkauf der Verkäufer das Risiko und muss dem Käufer die bestellte Ware ggf. erneut liefern. Von seiner Lieferpflicht gegenüber dem Käufer wird der Händler nur dann frei, wenn er die Ware nachweislich versendet hat und diese auf dem Transportweg unwiederbringlich verloren gegangen ist (Unmöglichkeit). Allerdings verliert der Händler insoweit auch seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegenüber dem Käufer.
III. Möglichkeiten der Beweissicherung für Händler
Nicht in allen Fällen lässt sich die Fehlerquelle bei der Lieferung genau ausmachen. Leider kommen in der Praxis auch immer wieder Fälle vor, in denen Käufer die Beweisnot von Händlern beim Verbrauchsgüterkauf ausnutzen wollen und dabei wahrheitswidrig behaupten, die Ware nicht oder nicht vollständig erhalten zu haben, um sich hierdurch den Kaufpreis ganz oder teilweise zu ersparen. Unabhängig davon, dass es sich bei solchen Fällen um einen strafbaren Betrug bzw. Betrugsversuch handelt, stellt sich für den Händler die Frage, wie er sich in der Praxis vor solchen Missbrauchsfällen schützen und seine rechtliche Position verbessern kann.
Dabei lässt sich jedoch Eines gleich vorweg nehmen: einen hundertprozentigen Schutz vor solchen Missbrauchsfällen gibt es leider nicht. Denn wenn sich die Fehlerquelle bei der Lieferung nicht eindeutig klären lässt, zieht der Händler hier am Ende im Zweifel den Kürzeren.
Gleichwohl kann der Händler sich mithilfe einiger technisch-organisatorischer Maßnahmen zumindest für seinen eigenen Organisationsbereich beweisrechtlich eine bessere Ausgangslage verschaffen:
1. Vier-Augen-Prinzip
Wird die Ware nicht nur von einer Person sondern von mindestens zwei Personen verpackt, kann der Händler im Falle eines Falles jedenfalls auf einen zusätzlichen Augenzeugen zurückgreifen.
2. Videokameras am Packtisch
Anhand von Videokameras lässt sich im Falle eines Falles zumindest nachweisen, dass und in welchem Umfang die Ware vor dem Versand verpackt wurde.
3. Scannen der Ware
Wenn die Ware mit einem entsprechenden Strichcode versehen ist, lässt sich durch das Scannen der Ware dokumentieren, welche Ware vor dem Versand verpackt wurde.
4. Vergleich des Paketgewichtes mit den Gewichtsangaben des Paketdienstes
Anhand eines Vergleichs des Paketgewichts unmittelbar nach der Verpackung mit den Gewichtsangaben des Paketdienstes bei Übergabe des Paketes an diesen lässt sich dokumentieren, dass das Paket bei der Übergabe an den Paketdienst noch genauso viel wog, wie nach der Verpackung der Ware.
5. Versicherter Versand
Der Abschluss einer Transportversicherung kann dem Händler zwar im Falle eines Verlustes des Paketes auf dem Transportweg dabei helfen, seinen Schaden leichter zu regulieren. Eine Beweiserleichterung gegenüber dem Käufer bringt ihm dies jedoch nicht.
IV. Rechtliche Verwertbarkeit solcher Beweismittel
Erhält der Händler vom Transportdienstleister einen Nachweis darüber, dass die Ware ausgeliefert wurde und behauptet der Kunde gegenüber dem Händler gleichwohl, die Ware nicht oder nicht vollständig erhalten zu haben, kann der Händler dem Kunden im Falle eines Rechtsstreits seine Beweismittel entgegen halten. Der Kunde müsste dann wiederum substantiiert darlegen und ggf. beweisen, dass er die Ware tatsächlich nicht erhalten hat. Gelingt ihm dies nicht, könnte ein Gericht dem Vortrag des Händlers im Zweifel mehr Glaubwürdigkeit beimessen und im Sinne des Händlers entscheiden.
Unabhängig davon kann der Händler in besonders „verdächtigen“ Fällen auch Strafanzeige wegen versuchten Betruges gegen den Kunden stellen. Es soll schon vorgekommen sein, dass die Strafverfolgungsbehörden bei anschließenden Haus- bzw. Wohnungsdurchsuchungen fündig geworden sind.
V. Fazit
Beim Verbrauchsgüterkauf trägt grundsätzlich der Händler die Transportgefahr und muss im Falle eines angeblichen Verlustes der Ware oder von Teilen der Ware bei der Lieferung an den Kunden grundsätzlich beweisen, dass die Ware dem Kunden (vollständig) zugegangen ist. Um sich für solche Fälle eine bessere rechtliche Position zu verschaffen, kann der Händler verschiedene Maßnahmen zur Beweissicherung bei der Verpackung der Ware ergreifen. Dies kann ihm im Falle eines Rechtstreits mit dem Kunden zwar einen Beweisvorteil verschaffen, einen hundertprozentigen Schutz vor Missbrauchsfällen gibt es aber nicht.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
© Trueffelpix - Fotolia.com
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
weitere News






11 Kommentare
ich habe vor paar Wochen was bestellt über otto.
Es ist aber bei mir nicht angekommen, weder im Briefkasten noch sonst wo.
Laut deren Aussage und Sendungsnummer wurde es erfolgreich zugestekkt und wir hätten es entgegen genommen.
Aber das ist nicht der Fall, was soll ich jetzt tun?
Es kam ein Broef in dem ich noch mal sagen soll dass ich es nicht bekommen habe.
Kann das vielleicht jemand anderen an der Falschen Hausnummer angenommen haben?
Muss ich das? Oder muss der Verkäufer mir die Ware erstatten bzw. ohne nachliefern?
JT