Alternative Streitbeilegung - Informationspflichten beachten!
Das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen verpflichtet Unternehmer dazu, Verbraucher über ihre Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an Schlichtungsverfahren zu informieren. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Inhaltsverzeichnis
- Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen als Rechtsgrundlage
- Wer ist betroffen?
- Worüber muss informiert werden?
- Wo muss informiert werden?
- Wann muss informiert werden?
- Gibt es Ausnahmen von den Informationspflichten?
- Komplexes Regelungsgefüge
- Soll ich mich bereit erklären oder gar verpflichten, an Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen?
Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen als Rechtsgrundlage
Durch die sog. ADR-Richtlinie werden die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, nationale Regelungen zu schaffen, damit Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung beigelegt werden können.
Die ADR-Richtlinie wurde durch das „Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen“ – kurz VSBG – in deutsches Recht umgesetzt.
Die §§ 36 und 37 VSBG sind es, die Unternehmern Informationspflichten in Bezug auf die Bereitschaft bzw. Verpflichtung zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bescheren.
Mittelbar besteht auch über § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 16 EGBGB eine entsprechende Informationspflicht.
Wer ist betroffen?
Betroffen von den gesetzlichen Regelungen des VSBG ist grundsätzlich jeder Unternehmer, der eine Webseite unterhält und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet.
Damit treffen die Pflichten grundsätzlich insbesondere alle Onlinehändler, die Waren und/ oder Dienstleistungen anbieten, es sei denn, diese sind ausschließlich im B2B-Bereich tätig.
Denn die Informationspflichten gelten nur gegenüber Verbrauchern, und nicht gegenüber Unternehmern.
Worüber muss informiert werden?
1. Online-Information
Onlinehändler müssen nach § 36 VSBG sowohl in ihren AGB als auch an leicht zugänglicher Stelle auf ihren Webseiten in klarer und verständlicher Weise die Verbraucher informieren,
a) inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen und
b) über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite, wenn sie sich zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet haben oder aufgrund von Rechtsvorschriften gesetzlich verpflichtet sind. Zudem ist zu erklären, dass der Unternehmer an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilnimmt.
Nach der oben unter a) genannten Informationspflicht existiert damit auch eine „negative Informationspflicht“ dahingehend, dass ein Unternehmer, der weder bereit noch verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, aktiv über diesen Umstand zu informieren hat.
Die oben unter b) genannte Informationspflicht betrifft Onlinehändler jedoch nur dann, wenn diese sich vertraglich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet haben.
Eine solche vertragliche Verpflichtung kommt etwa dann in Betracht, wenn der Unternehmer sich als Mitglied dem Trägerverein einer Schlichtungsstelle angeschlossen hat und dessen Satzung eine Verpflichtung vorsieht oder er entsprechende Mediations- oder Schlichtungsabreden getroffen hat.
Denn Rechtsvorschriften, die gesetzlich zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichten, bestehen derzeit für einen Einzelhändler (und damit den typischen Onlinehändler) nicht, sondern nur in ganz spezifischen Bereichen, etwa für Energieversorgungsunternehmen.
2. Information in Textform
Ferner müssen Onlinehändler nach § 37 VSBG den Verbraucher in Textform nach dem Entstehen einer Streitigkeit auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinweisen sowie darüber informieren, ob sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit oder verpflichtet sind, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte.
Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er dabei diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.
Diese Informationen nach § 37 VSBG müssen in Textform erteilt werden, also z.B. per Mail oder Fax. Eine Information rein „online“ auf der Webseite / in AGB erfüllt das gesetzliche Formerfordernis dagegen nicht.
Wo muss informiert werden?
Die genannten Informationen im Sinne des § 36 VSBG müssen nach § 36 Abs. 2 VSBG „auf der Webseite des Unternehmers erscheinen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält“ und „zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden, wenn der Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.“
In Bezug auf die Information auf den Webseiten empfiehlt es sich, diese im Rahmen des Impressums zu erteilen, da dieses in jedem Fall als „leicht zugänglich“ anzusehen sein dürfte und der Verbraucher auch davon ausgeht, dort weitergehende Informationen zum Unternehmer zu finden.
In Bezug auf die Informationen nach § 37 VSBG ist die Mitteilung mindestens in Textform notwendig, d.h. also, die Infos müssen zumindest in einer Email verkörpert sein.
Wann muss informiert werden?
Die Pflichten nach § 36 VSBG bestehen unabhängig davon, ob sich bereits eine Streitigkeit mit einem Verbraucher anbahnt bzw. bereits entstanden ist oder gar deren Beilegung zwischen den Parteien gescheitert ist. Die Informationen nach § 36 VSBG sind also „vorbeugend“ zu erteilen.
Anders liegt dies bei der Informationspflicht nach § 37 VSBG.
Die nach dieser Vorschrift erforderlichen Informationen müssen Unternehmer erst erteilen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte, also im „Krisenfall“. Eine vorbeugende Erteilung dieser Informationen bereits vor Entstehen der konkreten Streitigkeit (z.B. bereits bei Vertragsschluss auf der Webseite / in den AGB) dürfte zudem nicht zur Erfüllung der Pflichten nach § 37 VSBG genügen.
Gibt es Ausnahmen von den Informationspflichten?
Ja.
Insbesondere die Ausnahme für Unternehmer, die am 31.12. des vergangenen Jahres (Achtung: jährliche Neubewertung erforderlich!) nicht mehr als 10 Personen beschäftigt haben (es ist alleine die Kopfzahl der Beschäftigten unabhängig von ihren Arbeitszeitanteilen maßgeblich), nimmt einen Großteil der Onlinehändler von der allgemeinen Informationspflicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG aus.
Diese „Kleinunternehmer“ müssen dem Verbraucher also nicht mitteilen, inwieweit sie bereit sind oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, vgl. § 36 Abs. 3 VSBG).
Diese Ausnahme gilt jedoch nicht für die spezielle Informationspflicht des § 36 Abs. 1 Nr.2 VSBG, wenn der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet ist. Hierüber haben damit auch „Kleinunternehmer“ zu informieren.
Komplexes Regelungsgefüge
Durch die abgestuften Informationspflichten, die erforderlichen detaillierten Informationen zur zuständigen Schlichtungsstelle, die jährlich jeweils neu zu bewertende Ausnahmeregelung des § 36 Abs. 3 VSBG sowie die erst im Streitfalle zu erfüllende Informationspflicht nach § 37 VSBG sind die neuen Informationspflichten recht komplex geraten und können leider nicht „mit einem Satz“ erschlagen werden.
Soll ich mich bereit erklären oder gar verpflichten, an Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen?
Nach unserer Ansicht ist es derzeit nicht empfehlenswert, sich als Onlinehändler bereit zu erklären bzw. sich gar vertraglich zu verpflichten, an Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen.
Dagegen sprechen mehrere Gründe.
Unternehmer erwartet zum einen ein happiges Entgelt für die Streitschlichtung.
Nach der Kostenordnung der Allgemeinen Schlichtungsstelle beträgt das streitwertabhängige Entgelt für die Streitschlichtung:
- 50 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro,
- 75 Euro bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro,
- 150 Euro bei Streitwerten von 200,01 Euro bis einschließlich 500 Euro,
- 300 Euro bei Streitwerten von 500,01 Euro bis einschließlich 2.000 Euro,
- 380 Euro bei Streitwerten von 2000,01 Euro bis einschließlich 5.000 Euro,
- 600 Euro bei Streitwerten von über 5.000 Euro.
Zum anderen hat sich das Streitschlichtungsverfahren in der Praxis nicht bewährt.
Drohenden Streitigkeiten dürften etliche Verbraucher ohnehin bereits durch das Ausüben des gesetzlichen Widerrufsrechts im Fernabsatz aus dem Weg gehen, zeigt sich das Problem bereits während der Widerrufsfrist.
Warum sollte der Verbraucher sich dann auf ein Schlichtungsverfahren einlassen, wenn er durch schlichten Widerruf einfach und sicher vom „unerwünschten“ Vertrag loskommt?
Ferner führt eine Verpflichtung zur Teilnahme – wie dargestellt – auch zu weiterführenden Informationspflichten und damit erheblichen Aufwand für den Unternehmer.
Unternehmern drohen damit in erster Linie weitere Kosten und Unwägbarkeiten sowie ein zusätzlicher Haufen Bürokratie.
Zuletzt verbleibt noch die eigentlich entscheidende Frage: Nehmen die Verbraucher die neue Möglichkeit zur alternativen Streitbelegung überhaupt an? So formalisiert und komplex die neu geschaffenen Streitschlichtungsmöglichkeiten daherkommen, dürften diese Verbraucher eher abschrecken, davon aktiv Gebrauch zu machen.
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