Abmahnungen sind im Ecommerce ein lästiges Problem. Viele Online-Händler sehen sich sogar mehrfach mit demselben Abmahner wegen desselben Abmahnthemas konfrontiert. Ein Praxisproblem bei solchen „Mehrfachabmahnungen“ liegt darin, wie „scharf“ im Wiederholungsfall die erneut geforderte Unterlassungserklärung gestaltet werden muss. Der BGH hat hier nun für Klarheit gesorgt.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es?
Bei der Aussprache etwa einer wettbewerbsrechtlichen, markenrechtlichen oder urheberrechtlichen Abmahnung fordert der Abmahner zur Vermeidung künftiger, gleichgelagerter Verstöße in aller Regel die Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Gibt der Abgemahnte eine solche ab, muss der dem Abmahner für jeden künftigen, schuldhaften und gleichgelagerten Verstoß eine sogenannte Vertragsstrafe bezahlen.
Dieser Umstand ist u.U. sehr lukrativ für den Abmahner, da er so schnell einen in aller Regel höheren vierstelligen Betrag vom Abgemahnten fordern kann. Das gilt insbesondere dann, wenn der Abmahner eine Unterlassungserklärung mit einem fixen Betrag für die Vertragsstrafe abgegeben hatte. Hierbei hat sich der Betrag von 5.100 Euro pro Verstoß bei vielen Abmahnern als „Wunschbetrag“ eingebürgert.
Begeht der Abgemahnte danach schuldhaft z.B. 10 mal einen gleichgelagerten Verstoß, hat er kaum eine Möglichkeit, die damit rechnerisch verwirkte Vertragsstrafe von 51.000 (10 x 5.100) Euro zu drücken.
Dies kann schnell passieren, etwa wenn die Unterlassungserklärung sich auf eine fehlende bzw. falsche Grundpreisangabe bezieht und dann bei gleich mehreren Artikeln wieder ein falscher Grundpreis angegeben wird bzw. die Grundpreisangabe fehlt.
Im Rahmen einer anwaltlichen Beratung auf eine Abmahnung hin wird der Abgemahnte, ist die Abgabe einer Unterlassungserklärung in der Sache überhaupt verantwortbar, in aller Regel dann dahingehend beraten, eine Unterlassungserklärung nach dem sogenannten Neuen Hamburger Brauch abzugeben.
Diese beinhaltet dann gerade keinen fixen Betrag für die Vertragsstrafe.
Vielmehr wird die Festsetzung der Höhe des Betrags der Vertragsstrafe in das billige Ermessen des Abmahners gestellt und zugleich vereinbart, dass der dann vom Abmahner festgesetzte Betrag auf seine Billigkeit hin gerichtlich überprüft werden kann.
Der große Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass keine starre Verpflichtung eingegangen wird, aus welcher der Abgemahnte bei Mehrfachverstößen in Zukunft dann nicht mehr herauskommt.
Mahnt ein Mitbewerber oder Abmahnverband denselben Abgemahnten, der auf die erste Abmahnung hin bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, erneut ab, wird in aller Regel die Abgabe einer „schärferen“ Unterlassungserklärung gefordert mit dem Argument, das bisherige Unterlassungsversprechen habe den Abgemahnten ja nicht von einer Wiederholung des Verstoßes abhalten können.
Streit wegen Verschärfung
Mit dieser Argumentation hat der Abmahner grundsätzlich Recht. Schließlich soll die Unterlassungserklärung den Abgemahnten ja gerade davon abhalten, einen erneuten, gleichgelagerten Verstoß zu begehen. Das hat sie aber eben nicht, so dass der erneut Abgemahnte nachlegen muss. Wie dieses „Nachlegen“ in der Praxis aussehen muss, ist jedoch – je nach Art der zuvor abgegebenen Unterlassungserklärung – umstritten.
Wurde zuvor eine Unterlassungserklärung mit fixem Vertragsstrafeversprechen abgegeben, ist die Sache recht klar: Der Betrag muss angehoben werden. Die Gerichte sehen hier einen Anspruch des Abmahners auf ein erheblich höheres Vertragsstrafeversprechen. Waren es die bekannten 5.100 Euro, werden oft 7.500 oder gar 10.200 Euro in der „zweiten Runde“ gefordert. In der täglichen Anwaltspraxis kommen somit auch Unterlassungserklärungen vor, die eine Vertragsstrafe von mehr als 30.000 Euro je Verstoß vorsehen.
Gerade bei Abgabe der vorherigen Unterlassungserklärung unter Nutzung des Neuen Hamburger Brauchs kommt in der Praxis jedoch häufig Streit auf, wie zu verfahren ist.
Die eine Ansicht geht davon aus, dass die erneute Unterlassungserklärung nach dem Neuen Hamburger Brauch mit einem fixen Mindestbetrag für künftige Verstöße nachzubessern sei.
Andererseits wird vertreten, dass der Abmahner durch den Neuen Hamburger Brauch und dessen Flexibilität auch bei weiteren Verstößen hinreichend abgesichert sei, da er im Rahmen seines billigen Ermessens die Vorgeschichte berücksichtigen und so die „Daumenschrauben“ weiter anziehen könne. Von daher könne auch die weitere Unterlassungserklärung wiederum unter Verwendung des Neuen Hamburger Brauchs abgegeben werden, also ohne fixes Versprechen eines Mindestbetrags.
Klärung durch den BGH
Der BGH hat mit Versäumnisurteil vom 01.12.2022, Az.: I ZR 144/21 nun für Klarheit gesorgt.
Wird der bereits zuvor wegen einer Markenrechtsverletzung Abgemahnte, der daraufhin eine Unterlassungserklärung nach Neuem Hamburger Brauch abgegeben hatte, erneut wegen erneuter Verletzung dieser Marke abgemahnt, reicht die Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung nach Neuem Hamburger Brauch für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr aus.
Der Abmahner, ein bekannter deutscher Autobauer, akzeptierte eine solche im Streitfall nicht und ging gerichtlich gegen den Abmahner vor, der aus seiner Sicht eben keine ausreichende weitere Unterlassungserklärung abgegeben hatte. In der Revisionsinstanz teilte der BGH die Rechtsansicht des Abgemahnten:
Ein der Höhe nach unbegrenztes Bestimmungsrecht - wie es die von den Beklagten abgegebene Erklärung nach "Hamburger Brauch" vorsieht - bietet dem Gläubiger den entscheidenden Vorteil, in schwerwiegenden Verletzungsfällen die Vertragsstrafe auch in einer Höhe bestimmen zu können, die erheblich über derjenigen liegen kann, die für die Vereinbarung eines festen Betrags im Hinblick auf die zuvor begangene Verletzungshandlung angemessen gewesen wäre. Eine Vertragsstrafevereinbarung in dieser Form ist deshalb ein besonders geeignetes Mittel zur Verhütung schwerwiegender oder folgenreicher Wiederholungen der Verletzungshandlung, da der Schuldner gerade bei Begehung solcher Verstöße einem angemessen höheren Strafrisiko ausgesetzt ist (…). Diese Grundsätze gelten auch für eine weitere, nach einer erneuten Verletzung abgegebene Unterlassungserklärung. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Wiederholungsfall grundsätzlich erforderliche höhere Strafbewehrung einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ bereits innewohnt. Dieses entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist (…). Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb im Wiederholungsfall die Angabe einer Untergrenze nicht erforderlich.
Damit besteht nun Gewissheit, dass kein Mindestbetrag in die weitere Unterlassungserklärung aufgenommen werden muss, sondern wiederum eine Unterlassungserklärung nach dem Neuen Hamburger Brauch abgegeben werden kann.
Fazit
Abmahnungen führen nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Geht es dabei durch die Instanzen, wie im hiesigen Fall, kann die Kostenbelastung bedrohliche Ausmaße annehmen.
Im Abmahnfall ist in jedem Fall die Betreuung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt anzuraten. Dies schon deswegen, um dem „Angriff“ adäquat begegnen zu können, wird die Abmahnung in den allermeisten Fällen ja auch durch einen Rechtsanwalt ausgesprochen.
Die IT-Recht Kanzlei unterstützt Online-Händler und Webseitenbetreiber mit ihren Schutzpaketen dabei, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen effektiv zu vermeiden.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch zur Seite, sollten Sie bereits eine Abmahnung erhalten haben. Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir auch Ihren Internetauftritt absichern dürfen oder Sie anwaltliche Hilfe bei einer erhaltenen Abmahnung benötigen.
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