Marke vs. Domain: Wer sticht wen?
In Zeiten des Internets ist die effektive Verteidigung von Markenrechten dringender denn je. Immer wieder neuartigen Angriffen sehen sich die geschützten Worte und Bilder im virtuellen Raum ausgesetzt. Häufig taucht seit einigen Jahren das Problem auf, dass sich eine Internetdomain auf der einen und eine gleichlautende Wortmarke oder ein gleichlautendes Unternehmenskennzeichen auf der anderen Seite gegenüberstehen.
Inhaltsverzeichnis
Kann der Zeicheninhaber in einer solchen Situation die Löschung der Webadresse bewirken, obwohl diese domainrechtlich korrekt angemeldet wurde?, ist die Frage, mit der sich die Gerichte konfrontiert sahen und sehen. Im Folgenden sollen hierzu die gesetzliche Ausgangslage und die von der Rechsprechung vorgenommenen Konkretisierungen dargestellt werden.
Beurteilung auf Grundlage des Markengesetzes
Grundsätzlich gilt: Wird ein rechtlich geschütztes Zeichen durch einen Dritten – in einer Domain oder anderswo – in unbefugter Weise benutzt, so ergeben sich hiergegen Unterlassungsansprüche aus dem Markengesetz. Abgesichert werden:
-Marken ab deren Eintragung (§§ 14, 4 MarkenG)
-nicht registrierbare geschäftliche Bezeichnungen ab deren Benutzung. Hierunter fallen Unternehmenskennzeichen und Werktitel (§§ 15, 5 MarkenG) .
Diese markenrechtlichen Schutznormen, darüber herrscht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, überlagern gleichsam das Domainrecht. Das bedeutet, dass sie auch dann Anwendung finden, wenn die Vergabe der Webadresse durch die zentrale Registrierungsstelle in Deutschland (DENIC) ordnungsgemäß erfolgt war. Dort ist nach dem Prioritätsprinzip einzig erforderlich, dass eine gleichlautende Domain noch nicht existiert.
Prinzipiell heißt es also: Sobald eine Marke oder ein geschütztes Unternehmenszeichen existieren, liegt die maßgebliche Voraussetzung der Unterlassungsansprüche nach §§ 14, 15 MarkenG vor. Der Zeichenberechtigte kann dann die Nutzungsunterlassung der geschäftlich genutzten, identischen Internetadresse verlangen; das Zeichen gewährt das gegenüber der Domain „bessere Recht“.
Im Grundsatz kommt es dabei nicht darauf an, was zuerst da war: Website oder Zeichen. Eine Marke schlägt die markenrechtlich ungeschützte Domain ab ihrer Eintragung. Für den Beginn des Schutzes eines Unternehmenskennzeichens ist – schwieriger zu ermitteln – die „geschäftliche Nutzung als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens“ notwendig (§ 5 Abs. 2 MarkenG) .
Ausgangsfall: Jüngere Domain gegen ältere Marke
Bei dem einfach gelagerten Sachverhalt, dass das Zeichenrecht schon bestand, als die gleich lautende Domain an einen Dritten vergeben wurde, ist die Situation eindeutig. Der Löschungsanspruch nach § 14 bzw. nach § 15 MarkenG ist gegeben, sobald der geschützte Begriff in der Domain „geschäftlich genutzt“ wird. Das wiederum ist der Fall, wenn die Webpage nicht nur von einer Privatperson zu privaten Zwecken verwendet, sondern mit Einkunftserzielungsabsicht in Betrieb genommen, d. h. mit Inhalten hinterlegt, wird.
Die neuralgische Frage, die der BGH in dieser Konstellation zu beantworten hatte, war, ob auch das „Horten“ von Domains, ohne Konnektierung (sogenanntes Domain-Grabbing), bereits eine „geschäftliche Nutzung“ des Zeichens darstellt. In diesem Fall hätte der Zeicheninhaber auch hiergegen die markenrechtlichen Unterlassungsansprüche nach §§ 14, 15 MarkenG und wäre nicht darauf angewiesen, dem Domaingrabber die Adresse abzukaufen, wollte er sie für eigene Zwecke verwenden.
Die Gerichte entschieden allerdings, dass der Begriff der geschäftsmäßigen Nutzung nicht derart weit verstanden werden könne. „Wird mit einer Internet-Domain, die eine geschützte Marke enthält, keine Website adressiert, liegt darin weder marken- noch wettbewerbsrechtlich ein Fehlverhalten“, heißt es etwa im sogenannten „bigben.de-Urteil“ des LG Düsseldorf (7.2.2003, Az. 38 O 144/02). Darüber hinausgehend entschied der BGH 2007, dass ein markenrechtlicher Anspruch selbst dann nicht vorliege, wenn die Domain von einer juristischen Person des Handelsrecht gehamstert werde, die selbst stets als im geschäftlichen Verkehr agierend anzusehen sei. (BGH, 1. Zivilsenat, Urteil vom 19.7.2007, Az.:I ZR 137/04). Unter Umständen können sich Ansprüche jedoch aus Namens-, Firmen- oder Deliktsrecht ergeben.
In dem Fall, dass eine geschäftsmäßige Benutzung bejaht wird, kommt es schließlich darauf an, ob die Domain in verwechslungsfähiger Weise genutzt wird, ob also Kennzeichen und angebotene Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind (LG Düssseldorf, Urteil vom 7.2.2003, Az. 38 O 144/02, „bigben“). Für die Beantwortung dieser Frage ist eine individuelle, detaillierte Gegenüberstellung nötig. Es existiert eine umfassende Einzelfallrechtsprechung.
Problemfall: Jüngere Marke gegen ältere Domain
Was aber gilt in dem Fall, in dem zunächst eine Internetadresse vergeben wird und erst danach zugunsten eines Dritten eine gleich lautende Marke eingetragen werden soll? Solche Konstellationen kommen insbesondere dann vor, wenn Domaininhaber ihre Webadressen aus Kostengründen oder auch aus Nachlässigkeit nicht sofort als Marke eintragen lassen. Muss die – unter Umständen wirtschaftlich sehr wertvolle – Webpage nun gelöscht, bzw. „herausgegeben“ werden?
„Es kommt darauf an“, stellten die Richter des LG Frankfurt im „warez.de“-Urteil bereits 1998 klar (Entscheidung vom 26.8.1998, Az. 26 O 438/98). Der Grundsatz „Kennzeichen schlägt Domain“ gelte weiterhin prinzipiell, werde aber dann durchbrochen, wenn die Webadresse selbst als so genanntes Unternehmenskennzeichen nach Art. 5 Abs. 2 MarkenG markenrechtlich gesichert sei.
Für die Begründung des Schutzes nach dieser Vorschrift sei eine Registrierung im Markenregister nicht erforderlich, vielmehr genüge bereits der Nachweis der geschäftsmäßigen Benutzung. Im konkreten Fall sah das Gericht eine Auskunft der DENIC sowie eidesstattliche Versicherungen darüber als ausreichend an, dass unter der Adresse in zwei Zeiträumen Computerprogramme angeboten wurden.
Stehen sich dann zwei kennzeichenrechtlich geschützte Begriffe gegenüber, kann sich „der Inhaber der Domain gegenüber dem Inhaber der später eingetragenen Marke erfolgreich auf Priorität berufen“.
Verfassungsrechtliche Konkretisierung
Was die grundrechtliche Einordnung der Problematik anbelangt, so äußerte sich das Bundesverfassungsgericht hierzu im Jahr 2004. In der sogenannten „ad-acta.de-Entscheidung“ stellte es grundlegend klar, dass die Stellung eines Domaininhabers ähnlich der eines Eigentümers ist und er daher verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG geschützt ist. Eine Umkehrung des Grundprinzips „Marke schlägt Domain“ erfolge dennoch nicht, führten die Richter weiter aus. Der Eigentumsschutz beanspruche Geltung nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, also dann nicht, wenn die Normen des Markenrechts einen Unterlassungsanspruch gegen den Domaininhaber begründen (BVerfG vom 24.11.2004, Az. 1 BvR 1306/02).
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.