BGH: Kein Fernabsatz mehr bei persönlichem Kontakt

BGH: Kein Fernabsatz mehr bei persönlichem Kontakt
14.06.2018 | Lesezeit: 4 min

Der Onlinehandel hat viele Vorteile – va. für die Kunden (Stichwort Widerrufsrecht). Aber wann ist ein Kauf eigentlich ein Fernabsatzvertrag? Mit dieser Frage hatte sich zuletzt der BGH (Urt. v. 27.02.2018 - Az.: XI ZR 160/17) auseinanderzusetzen. Das Gesetz schreibt ja vor, dass der Vertrag unter „ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" zustande kommen muss – der BGH hat hier auch die Vertragsanbahnung in die Betrachtung mit einbezogen und einen Fernabsatzvertrag bei persönlichem Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen in der Vertragsanbahnung verneint.

Um was ging‘s?

Das ganze spielte sich im Bereich Verbraucherdarlehensvertrag ab – die Kläger besprachen mit einem Außendienstmitarbeiter die Einzelheiten der Gewährung zweier Darlehen und stellten einen Darlehensantrag. Letztlich wurde dann der Vertragsschluss durch Übersendung und Zeichnung der Verträge durchgeführt. Diese wurden dann vom Kläger widerrufen. Zu Recht? Darüber hatte der BGH zu entscheiden. Was hier nach einem Fall aus dem Darlehensvertragsrecht aussieht, ist letztlich relevant für den gesamten Fernabsatzhandel – also auch für den Onlinehandel. Denn die Frage, die die Richter umtrieb, war: Handelt es sich bei Involvierung eines Außendienstmitarbeiters des Unternehmen zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung noch um einen Fernabsatzvertrag?

Persönlicher Kontakt bedeutet: Kein Fernabsatz!

Fernabsatz? Was ist das eigentlich? Fernabsatzverträge sind gemäß § 312c I BGB Fernabsatzverträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel (=via email, Fax oder Telefon) verwenden. In den §§ 312c–312k BGB finden sich die gesetzlichen Vorschriften über Fernabsatzverträge. Die Voraussetzungen sind also ein B2C-Geschäft (B2B (Unternehmen-Unternehmen) oder C2C (Verbraucher-Verbraucher) sind dem Wortlaut entsprechend ausgenommen), sowie die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmittel für Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss.

Der BGH hat sich hier gegen das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages ausgesprochen, da ein Kontakt mit dem Außendienstmitarbeiter bestand:

"Auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens zur Vertragsanbahnung haben die Parteien Fernabsatzverträge im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) nicht geschlossen. An einem Vertragsschluss "unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" fehlt es, wenn der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmers oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter hat"

Die Begründung des BGH nach richtlinienkonformer Auslegung weiter:

"Sowohl Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. Nr. L 144 vom 4. Juni 1997, S. 19) als auch Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. Nr. L 271 vom 9. Oktober 2002, S. 16) definieren einen Fernabsatzvertrag als einen Vertrag, bei dem der Lieferer "für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsabschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet" bzw. bei dem der Anbieter "für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet. Nach Unionsrecht setzt der Abschluss eines Fernabsatzvertrags mithin voraus, dass "die beiden Vertragsparteien - der Lieferer und der Verbraucher - bei der Anbahnung und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Fernabsatzvertrags nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind."

Diese Begründung ist konsequent und folgerichtig. Denn nur in Fällen, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit hat, vor Vertragsschluss den Vertragsgegenstand persönlich in Augenschein zu nehmen oder im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter Fragen zu stellen und Unklarheiten auszuräumen, bestehe ein Bedürfnis für ein Widerrufsrecht, so die Richter.

Wen interessiert‘s?

Letztlich den gesamten Onlinehandel – zwar eher nicht den klassischen Onlinehandel mit Website und Warenkorbfunktion. Aber für die Betreiber von Onlinepräsenzen mit Kaufoption auf Nachfrage, oft auch mit eigenen Ladengeschäft, ist das durchaus relevant. Bei diesen Händlern findet die Vertragsanbahnung und der Vertragsschluss indiv. statt. Tedenziell findet bei diesen Händlern durchaus mal ein persönlicher Kontakt statt. Und dann ist zu beachten: Nur wenn durchgehend, also sowohl bei Anbahnung als auch Vertragsschluß, kein persönlicher Kontakt stattfindet, läuft das ganze unter den fernabsatzrechtlichen Regelungen.

Übrigens: Wird der Vertrag über individuelle Kommunikation via email, Fax oder Telefon geschlossen, dann benötigt der Händler natürlich auch ganz andere AGB als, das dies beim klassischen Onlinehandel der Fall ist. Wir haben uns hier mal näher mit dieser Konstellation und deren Anforderungen beschäftigt. Die IT-Recht Kanzlei bieten natürlich auch für solche Vertragskonstellationen Rechtstexte an.

Wir merken uns

Dieses Urteil dürfte für all diejenigen interessant sein, die Ihre Waren zwar online anbieten, der Vertragsschluss und die Vertragsanbahnung aber individuell via mail & Co gestaltet ist – weil hier tendenziell auch mal ein persönlicher Kontakte stattfindet. In solchen Fällen muss der gesamte Ablauf vom Erstkontakt bis zum Vertragsschluss in die Betrachtung einbezogen werden. Sofern sich Verbraucher auf die Vorteile des Fernabsatzes berufen wollen, dann nur dann, wenn sowohl die Vertragsanbahnung als auch der Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel stattgefunden hat. Sobald es hier einen persönlicher Kontakt (face-to-face) zwischen Unternehmen und Kunden gab, sind die Regelungen des Fernabsatzes nicht mehr anwendbar.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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1 Kommentar

O
O Wehner 24.09.2019, 11:36 Uhr
Digitalmarketing
der Beitrag besagt: Ein Kaufvertrag, der nach einem persönlichen face-to-face Beratungsgespräch am Telefon abgeschlossen wurde, fällt NICHT unter das Fernabsatzgeschäft. Aber im Gesetz ist doch das ..."Telefon"... explizit als Fernkommunikationsmittel genannt; demnach fällt Telefon ja doch unter das Fernabsatzgesetz, oder nicht? Wie ist das zu verstehen?

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