Einkauf der öffentlichen Hand von IT-Leistungen mit BVB und EVB-IT
Der Einkauf von IT-Produkten durch die öffentliche Hand ist nicht nur aus technischen sondern auch aus rechtlichen Gründen sehr anspruchsvoll. Die rechtliche Herausforderung liegt darin, dass die Grundsätze der bestehenden Rechtsordnung ständig an die sich neu entwickelnde IT-Technologie angepasst werden müssen. Erinnert allein soll an den Kampf der Juristen um die rechtliche Einordnung des neuen Phänomens „Software“.
Inhaltsverzeichnis
Beim Einkauf von IT-Produkten setzt die öffentliche Hand in der Bundesrepublik Deutschland daher schon seit über 30 Jahren Musterbedingungen ein, welche die „Allgemeinen Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand“ (VOL/B) um die Regeln des IT-Einkaufs ergänzen. Bei diesen Bedingungen handelt es sich um die sogenannten „Besondere Vertragsbedingungen für die Beschaffung DV-technischer Anlagen und Geräte” (BVB) sowie die „Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“ (EVB-IT). Sie stehen zum Download unter www.kbst.bund.de.
Was sind BVB?
Die BVB umfassen sieben unterschiedliche Vertragsbedingungen. Gemeinsam entwickelt worden sind sie in der Zeit von Anfang der 70er bis Ende der 80er Jahre von dem Kooperationsausschuss „Automatisierte Datenverarbeitung Bund/ Länder/ Kommunaler Bereich” (KoopA) und den Industrieverbänden. Die BVB stellten zunächst ein einheitliches Regelwerk für die Beschaffung von IT-Produkten dar und legten die Rechte und Pflichten von Auftragnehmer und Auftraggeber eindeutig fest. Auf der Grundlage der BVB wickelten nicht nur Bund, Länder und Kommunen den Einkauf von Produkten der Informationstechnik ab, sondern ebenso Teile der Wirtschaft.
Was sind EVB-IT?
Zwischenzeitlich sind die BVB technisch und rechtlich überholt. Der Grund hierfür ist einerseits in der sich schnell wandelnden Technik und deren Einzug in jedes Büro zu suchen. Andererseits in der seit 1972 auch durch die EU stark veränderten Rechtslage bezüglich der Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Einzelne Klauseln der BVB sind bereits durch die Rechtsprechung für nichtig erklärt worden.
Es gilt als unstrittig, dass alle wesentlichen BVB-Klauseln, also die über Haftung, Verzug, Mängelhaftung (Gewährleistung) und Vertragsstrafe nach den inzwischen geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Teilen als unwirksam anzusehen sind. Daher startete der KoopA bereits Ende der 80er Jahre ein Projekt zur Erarbeitung neuer Vertragstypen.
Ziel war es, die BVB nach und nach vollständig durch ein neues Regelwerk zu ersetzen. Dies war ein recht ehrgeiziges Unternehmen, wie der Projektverlauf deutlich zeigte. Auf Grund einer Änderung der Begrifflichkeiten des § 9 VOL/A Abs. 3 Nr. 2 wurden die neuen Vertragsbedingungen nicht mehr „Besondere Vertragsbedingungen“ (BVB) genannt, sondern „Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“ (EVB-IT), welche, wie oben bereits aufgeführt, die Allgemeinen Vertragsbe-dingungen der öffentlichen Hand(VOL/B), um die Regeln des IT-Einkaufs ergänzen.
Bis März 2004 wurden folgende EVB-IT-Vertragstypen einvernehmlich mit den Vertretern der Industrieverbände veröffentlicht:
- EVB-IT Dienstleistung (Beratung, Schulung, Unterstützung),
- EVB-IT Überlassung Typ A (Überlassung von Standardsoftware auf Dauer),
- EVB-IT Überlassung Typ B (Überlassung von Standardsoftware auf Zeit),
- EVB-IT Kauf (Kauf von Hardware),
- EVB-IT Instandhaltung (Instandhaltung von Hardware),
- EVB-IT Pflege Typ-S ( Pflege von Standardsoftware).
Ab August 2007
- EVB-IT System (Erstellung eines IT-Systems)
Der neue EVB-IT Systemvertrag
Ab 2004 kam es hinsichtlich der EVB-IT-Weiterentwicklung zum Stillstand bei den Verhandlungen der Industrieverbände und der öffentlichen Hand. Grund: Die Akzeptanz der EVB-IT bei vielen Beschaffern sank. Es häuften sich Klagen, dass die EVB-IT, insbesondere deren Haftungskonzept, die Interessen der öffentliche Hand nicht ausreichend berücksichtigten. Die Verhandlungsparteien konnten sich zunächst nicht auf ein neues Haftungskonzept einigen. Das oben genannte Ziel, sämtliche BVB-Verträge im Konsens durch EVB-IT-Verträge zu ersetzen, musste daher zunächst aufgegeben werden.
Um Zeitverlust zu vermeiden, wurde der neue EVB-IT-Systemvertrag zunächst ohne Mitwirkung der Wirtschafts delegation entwickelt. Erst ab Januar 2006, als eine Einigung auf ein neues Haftungskonzept für den EVB-IT Systemvertrag zustande gekommen war, kam es wieder zu Verhandlungen. Allerdings stellten sich diese als überaus mühselig dar, weil sich die Positionen der Verhandlungspartner erheblich unterschieden.
Es bedurfte etlicher Kompromisse auf beiden Seiten, um zu einer in wesentlichen Teilen abgestimmten Fassung zu kommen. Allerdings konnten die Parteien bei wenigen, jedoch grundsätzlichen Fragen keine Einigung erzielen. Daher sah sich die öffentliche Hand wegen der immensen Nachfrage zu diesem Vertragstyp dazu veranlasst, den Vertrag ohne die Zustimmung der Wirtschaftverbände am 24. August 2007 zu veröffentlichen. Der jetzt veröffentlichte Vertrag ist für Bundesbehörden verbindlich.
Aufbau und Nutzung der Vertragsmuster
BVB und EVB-IT bestehen aus einem Vertragsformular (Vertrag, Vertragsdeckblatt), seinen Anlagen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Im Vertrag wird das konkrete Rechtsgeschäft festgelegt. Hier werden nachrangig zunächst die für diesen Vertragstyp geltenden EVB-IT- oder BVB-AGB und dann die VOL/B einbezogen. Das Vertragsformular ist somit der Rahmen aller vertragswesentlichen Unterlagen. Es ist auf der letzten Seite von Auftraggeber und Auftragnehmer zu unterschreiben. Auch die Anlagen sollten unterschrieben werden. Das vom Auftraggeber vorausgefüllte Vertragsmuster wird in den Verdingungsunterlagen mitversandt. Der Bieter wird dabei aufgefordert, das Vertragsdokument zu vervollständigen.
Beim Ausfüllen des Vertragsformulars ist Vorsicht geboten und der Bieter tut gut daran, äußerst sorgfältig vorzugehen. Er sollte die von ihm angebotenen Leistungen und die Preise an den dort vorgesehenen Stellen eintragen und es vermeiden, Änderungen an den Vorgaben des Auftraggebers vorzunehmen. Denn dies führt zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren.
Anwendung der Vertragsmuster
Nach Veröffentlichung des neuen EVB-IT-Systemvertrags finden immer noch fünf BVB- und jetzt zusätzlich sieben EVB-IT-Vertragstypen Anwendung. Es wird daher für den Beschaffer nicht einfacher zu entscheiden, welchen Vertragstyp er den Verdingungsunterlagen zu Grunde legen soll. Wählt er einen Vertragstyp aus, der das tatsächliche Rechtsgeschäft nicht abdeckt, sind die einbezogenen AGB unwirksam, da sie wesentlich vom gesetzlichen Leitbild für diesen Vertragstyp abweichen.
Mit einer Verwendung der BVB und EVB-IT „gegen den Strich“ gehen Auftraggeber und Auftragnehmer große Risiken ein.
Sie können schon alleine durch die Wahl des Vertragstyps einen unwirksamen Vertrag erstellen. Für die rechtliche Beurteilung eines Vertrages ist es nämlich im Streitfall unerheblich, welche Vertragsbezeichnung gewählt wurde. Es ist daher entscheidend, den richtigen Vertragstyp aus der Angebotspalette der EVB-IT und BVB zu wählen. Eine Entscheidungshilfe zur Wahl des richtigen Vertragstyp findet sich unter www.kbst.bund.de und www.it-recht-kanzlei.de.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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