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Versandproblematiken

Transportrisiken im Online-Handel: Wer haftet wann?

Transportrisiken im Online-Handel: Wer haftet wann?
7 min 10
Beitrag vom: 25.08.2016
Aktualisiert: 18.11.2025

Beschädigte oder verlorene Pakete werfen sofort die Frage nach der Haftung auf. Der Beitrag fasst die wichtigsten Regeln zum Transportrisiko im Online-Handel zusammen und zeigt, wann Händler oder Käufer für Schäden einstehen müssen.

Was bedeutet Transportrisiko?

Das Transportrisiko bezeichnet die finanzielle Gefahr, dass bestellte Ware auf dem Transportweg zufällig beschädigt wird oder verloren geht. Im Schadensfall stellt sich die Frage, ob der Händler erneut liefern muss oder der Kunde nochmals bestellen und bezahlen muss.

Wer trägt im Online-Handel das Transportrisiko?

1. Risikoübergang beim Verbrauchergüterkauf

Wird die Ware an einen Verbraucher geliefert, gilt § 475 Abs. 2 BGB.
Danach trägt der Händler das Risiko bis zur tatsächlichen Übergabe der Ware an den Verbraucher.

Es genügt also nicht, dass die Ware lediglich in den Versand gegeben oder beim Transportdienstleister als „zugestellt“ vermerkt wurde. Entscheidend ist der tatsächliche Besitz des Verbrauchers.

2. Risikoübergang bei B2B-Geschäften

Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern gilt § 447 BGB: Das Risiko geht bereits mit Übergabe der Ware an den Transportdienstleister auf den Käufer über – sofern der Versand auf Wunsch des Käufers erfolgt.

Geht die Ware unterwegs verloren oder wird beschädigt, trägt grundsätzlich der Käufer den Schaden.

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3. Was gilt als „Zustellung“ beim Verbraucher?

Eine wirksame Zustellung liegt nur vor, wenn der Verbraucher die Ware tatsächlich erhält.

Das kann durch persönliche Übergabe oder durch eine zuvor autorisierte alternative Zustellform geschehen, etwa eine vereinbarte Ablage oder die Lieferung an einen bestimmten Nachbarn.

Ohne entsprechende Zustimmung liegt keine Zustellung vor – selbst wenn der Transportdienstleister etwas anderes behauptet.

4. Ablage ohne Zustimmung

Wird ein Paket ohne Zustimmung des Verbrauchers an einem Ort abgelegt – etwa auf der Terrasse, vor der Haustür oder in der Garage –, gilt dies nicht als wirksame Zustellung.

Wird das Paket anschließend entwendet oder beschädigt, haftet der Händler weiterhin. Für Verbraucher ist eine solche Ablage rechtlich risikolos.

5. Abstell- bzw. Garagengenehmigung des Verbrauchers

Erteilt der Verbraucher dem Transportdienstleister im Vorfeld eine Abstellgenehmigung, gilt die Ablage an dem vereinbarten Ort als ordnungsgemäße Zustellung. Mit der Ablage geht das Risiko auf den Verbraucher über.

Händler dürfen auf eine wirksam erteilte Abstellgenehmigung des Verbrauchers vertrauen – nicht jedoch auf die bloße Behauptung des Transportdienstleisters, eine solche Genehmigung liege vor. Bestreitet der Verbraucher deren Existenz, trägt der Händler das Risiko. Schließlich handelt der Transportdienstleister im Verhältnis zum Verbraucher als Erfüllungsgehilfe des Händlers.

6. Nachbarschaftliche Zustellung

Eine Zustellung an einen Nachbarn ist nur dann wirksam, wenn der Verbraucher dieser Zustellart zuvor ausdrücklich zugestimmt hat – etwa durch eine generelle Erlaubnis oder die Benennung eines bestimmten Empfangsberechtigten.

Fehlt eine solche Zustimmung, verbleibt das Transportrisiko beim Händler. Der bloße Hinweis im Tracking, die Sendung sei „bei Nachbar abgegeben“ worden, genügt als Zustellnachweis nicht.

7. Tracking zeigt „zugestellt“, Kunde widerspricht

Der Status „zugestellt“ im Tracking-System stellt keinen rechtssicheren Zustellnachweis dar.

Der Händler muss die tatsächliche Zustellung beweisen können, etwa durch:

  • Name und Unterschrift des Empfängers
  • Zustellfoto
  • dokumentierten Wunsch-Abstellort
  • GPS-gestützte Zustellinformationen

Kann der Händler keinen belastbaren Nachweis erbringen, muss er erneut liefern oder den Kaufpreis erstatten.

8. Käufer behauptet Monate später den Nichtzugang

Auch eine sehr verspätete Meldung eines Verbrauchers ändert an der Risikoverteilung nichts. Verbraucher müssen den Nichtzugang nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigen. Die Beweislast bleibt hier stets beim Händler.

Im B2B-Geschäft hingegen ist eine spätere Nichtzugangsmeldung regelmäßig unbeachtlich, da der Käufer das Risiko bereits mit der Übergabe an den Transportdienstleister übernommen hat.

9. Falsche oder unvollständige Lieferadresse

Gibt der Käufer eine falsche oder unvollständige Lieferadresse an, trägt er das Risiko der daraus resultierenden Unzustellbarkeit. In solchen Fällen ist der Händler nicht verpflichtet, unmittelbar erneut zu liefern; er darf vielmehr abwarten, bis die Sendung an ihn zurückgelangt.

Die Kosten eines erneuten Versands kann der Händler dem Käufer in Rechnung stellen.

Eine Erstattung des ursprünglichen Kaufpreises kommt erst dann in Betracht, wenn feststeht, dass die Ware nicht mehr zurückerlangt werden kann oder der Vertrag auf andere Weise rückabgewickelt wird.

Indiziert eine Firmenadresse automatisch ein B2B-Geschäft?

Nein – die Angabe einer Firmenadresse führt nicht automatisch dazu, dass ein Geschäft als B2B einzuordnen ist. Entscheidend ist immer, in welcher Eigenschaft der Kunde tatsächlich bestellt hat. Handelt er privat, liegt trotz Firmenlieferadresse ein Verbrauchsgüterkauf vor – mit der Folge, dass weiterhin der Händler das Transportrisiko trägt.

Händler sollten daher nicht nur auf die Lieferadresse abstellen, sondern im Zweifel prüfen, ob der Kunde als Verbraucher oder Unternehmer auftritt.

Welche Pflichten treffen den Händler bei Transportschäden?

Trifft die Ware beschädigt beim Kunden ein, greifen die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Käufers nach § 437 BGB. Der Kunde kann zwischen Nachbesserung (Reparatur) und Nachlieferung wählen, wobei der Händler nur in Ausnahmefällen – etwa bei völlig unverhältnismäßigen Kosten – eine bestimmte Art der Nacherfüllung verweigern darf.

Daneben steht Verbrauchern im Fernabsatz weiterhin das Widerrufsrecht offen: Wird fristgerecht widerrufen, kann der Kunde die Ware zurücksenden und erhält den Kaufpreis erstattet, unabhängig davon, ob ein Transportschaden vorliegt.

Händler sollten Kunden im Schadensfall keinesfalls auf die Transportversicherung verweisen – diese betrifft ausschließlich das Innenverhältnis Händler und Transportdienstleister.

Muss der Käufer Transportschäden sofort melden?

Für Verbraucher besteht keine Pflicht, die Ware sofort zu prüfen oder einen Schaden unverzüglich anzuzeigen. Entsprechende Klauseln in AGB sind unzulässig, da sie Verbraucher in unzulässiger Weise benachteiligen würden.

Anders sieht die Lage im reinen B2B-Bereich aus: Handelt es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft, greift die Rügeobliegenheit des § 377 HGB.

Unterlässt der Unternehmer eine zeitnahe Mängelanzeige, verliert er in der Regel seine Gewährleistungsrechte – ein sehr praxisrelevanter Punkt bei Schadensfällen im Versandhandel zwischen Unternehmen.

Wer trägt das Risiko bei einer Rücksendung im Widerruf?

Geht die Ware nach einem Verbrauchswiderruf auf dem Rückweg verloren oder wird beschädigt, trägt der Verkäufer das Risiko. Voraussetzung ist, dass der Verbraucher die ordnungsgemäße Absendung nachweisen kann (z. B. Einlieferungsbeleg).

Händler dürfen Verbraucher nicht zur Nutzung bestimmter Dienstleister verpflichten, es sei denn, die Rücksendekosten werden vollständig übernommen.

Kann der Händler Regress beim Transportunternehmen nehmen?

Ja – trotz fehlenden direkten Vertragsverhältnisses kann der Händler das Transportunternehmen grundsätzlich in Anspruch nehmen. Regressansprüche können sich sowohl aus eigenem Recht (insbesondere gemäß §§ 425 ff. HGB) als auch aus fremdem Recht nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation ergeben

Allerdings kann er den Käufer hinsichtlich der Rückzahlung des Kaufpreises nicht vertrösten oder hinhalten, weil sich im Verhältnis mit dem Transportunternehmen Schwierigkeiten/Verzögerungen ergeben.

Die Regressfristen sind kurz: Nach § 438 HGB beträgt die Reklamationsfrist regelmäßig 7 Tage bei äußerlich nicht erkennbaren Schäden.

Warum wird oft nur der Einkaufspreis erstattet – ist das zulässig?

Ob der Transportdienstleister nur den Einkaufspreis oder Zeitwert ersetzt, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von den vereinbarten Versicherungsbedingungen sowie den AGB des Dienstleisters. Gerade im B2B-Bereich sind Haftungsbegrenzungen häufig wirksam, da Unternehmer als weniger schutzbedürftig gelten.

Zudem enthält das Gesetz selbst eine relevante Vermutung: Nach § 429 HGB gilt der Rechnungsbetrag abzüglich Versandkosten als Marktwert, wenn das Gut unmittelbar vor der Übergabe verkauft wurde. Händler können sich in der Praxis häufig auf diese Vorschrift berufen.

Kann die Transportgefahr per AGB auf Verbraucher übertragen werden?

Nein.

Eine Klausel, die das Transportrisiko auf den Verbraucher verlagert, wäre mit dem gesetzlichen Leitbild unvereinbar und nach § 307 BGB unwirksam. Der Bundesgerichtshof hat dies ausdrücklich bestätigt (BGH, Urteil vom 06.11.2013 – VIII ZR 353/12).

Dürfen Händler mit „versichertem Versand“ werben?

Nicht ohne Weiteres.

Eine Werbung mit „versichertem Versand“ ohne klarstellenden Hinweis darüber, dass der Verkäufer das Transportrisiko trägt, ist irreführend und kann abgemahnt werden, da sie suggeriert, der Verbraucher erhalte ein Mehr an Sicherheit als ihm gesetzlich schon zusteht.

Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

Bildquelle: mdbildes / shutterstock.com
von Anna Bosch

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10 Kommentare

M
Melanie
Schaden nach Dienstleistung
Wie verhält es sich, wenn jemand mit angemeldeten Kleingewerbe einen reparieren Gegenstand an den Kunden zurück schickt und dieser verloren gegangen ist?
Im speziellen Fall handelt es sich um 10 Sammlerstücke, die einer Restauratorin zur Aufbereitung geschickt wurden. Es wurde demnach keine Ware verkauft, der Wert der Ware war aber nach Aufbereitung um einiges Höher als vorher. Wer kommt für den Arbeitslohn der Restauratorin auf?
A
Andreas Ernst
Verkäufer reagiert nicht auf Mails wegen beschädigt angekommener Ware
Wenn man einen Artikel beschädigt bekommen hat, der Karton unversehrt war und angemahnt hat am gleichen Tag als man das Paket geöffnet hat, die Öffnung fotografisch dokumentiert hat und der Händler auf mehrfache Mails mit Mahnungen nicht reagiert was soll man dann machen?
Ich hatte auch eine letzte Frist von 14Tagen per Mail an den Händler geschickt, mit der Bitte um Ersatz oder Kostenerstattung. Er hat nicht reagiert. Die Mails vorher wurden immer sporadisch beantwortet, angeblich wären die Fotos nicht in der Mail gewesen etc. Habe viermal die Bilder gesendet. 
Soll ich jetzt eine Strafanzeige stellen? Ist allerdings kein hoher Betrag 17,8 Euro...

Danke für eine Antwort
P
Petra
office Management
Wenn ich ein technisches Gerät eine SPedition übergebe und eine Versicherung abschliesse und das Gerät wird geliefert, die äußere Verpackung ist unbeschädigt und nach 14 Tage wird versucht, das Gerät in Betrieb zu nehmen und man stellt fest, dass innerhalb einige gravierende Schäde sind, die nur durch einen heftigen Aufprall aus mind 2 Meter Höhe kommen können.... ist das eindeutig ein Transportschaden, wie kann ich diesen geltend machen, wenn die Versicherung meint, den Schaden hätte man sehen müssen, oder zumindest binnen 7 Tage melden müssen. Das Gerät stand (das ist dokumentierbar) bis 30 Minuten vor Abholung durch die Spedition in Betrieb und hat Messungen korrekt durchgeführt. Welche Möglichkeiten habe ich? Warum schliesse ich eine Versicherung ab, wenn die Versicherung es "ablehnt" den Schaden anzuerkennen?
LG Petra Demel
K
K
-
Sollte bei einer Verpackung durch den Versand das Lable beschädigt sein und dadurch die Sicherheitshinweise oder auch allergenen Stoffe nicht mehr lesbar sein kann ich Reklamieren?
J
Jessica
Frau
Unser Spediteur lagert für meinen Arbeitgeber auch Ware ein und verschickt diese dann von dort. Nun ist ein Packstück beschädigt beim Endkunden angekommen, er hat die Ware dennoch angenommen. Den Schaden hat er uns einen Tag später gemeldet... Fotos liegen uns vor. Nun streite ich mich mit dem Menschen aus der Schadensregulierung darum, ob unser Kunde das Packstück hätte annehmen dürfen, oder nicht. Fakt ist: Die Ware ist defekt und nun will niemand dafür aufkommen. Wie ist dort die Rechtslage?
E
Elke
Schaden am Gebäude bei Anlieferung
Wer haftet, wenn bei der Lieferung eines Großgeräts über einen Onlineshop die ausliefernde Spedition mit dem Gerät die Treppenhauswand mehrfach beschädigt?
T
Thorsten
Transportschaden bei Drop-Shipping
Wie verhält es sich denn, wenn der Großhändler meinem Kunden (in meinem Auftrag) die Ware direkt zusendet und diese einen verdeckten Transportschaden erleidet?
Der Großhändler sagt derzeit, dass ihn das nicht berühre, da der Kunde die einwandfreiheit der Ware unterschrieben hat, sprich alles unser Problem. Wir sollen dafür in voller Höhe selbst aufkommen als Einzelhändler. 
Vielen Dank für eine Einschätzung...
p
Patrick Pischel
Herr
Wie verhält es sich wenn der Kunde Ware zb. von DHL oder DPD animmt und dann erst den Schaden festellt ?
Der Kunde meldet sich beim Verkäufer welcher Ersatz leisten muss. Nun Reklamiert der Verkäufer den Schaden beim Paketdienst welche aber den Schaden tragen da der Käufer die Ware angenommen und Unterschrieben hat. Wie ist da die Lage ? Jeder weiß ja das die Fahrer keine Zeit haben auf eine Kontrolle der Käufer zu warten.
H
Hänsel
Einzelhändlerin
Ich habe als Antikhändler über ein Onlineauktionshaus eine antike Skulptur verkauft und nach Frankreich versendet. Leider kam die Ware beschädigt an und anstatt mir die Ware zurückzuschicken hat der Käufer eine Reparatur veranlasst und möchte nun von mir die Kosten erstattet haben.Ist dies rechtlich vertretbar?
M
Martin V.
Änderung ab 1. Januar 2018?
Wie ich durch die Links feststellen musste, existiert Absatz 4 des Paragraphen 474 BGB nicht mehr. Wurde dieser in Paragraph 475 Absatz 2 geschoben?

Könnte mein Händler diesen Absatz umgehen, indem ich als Verbraucher bei der Abholung der angeblich defekten Ware, einen Lieferservice beauftrage, da er die Kosten nicht erstatten will?
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