BVerwG: Rezeptsammlung in Supermarkt für stationäre Apotheke zulässig
Eine stationäre Apotheke mit Versandhandelserlaubnis darf Apothekenrezepte im Supermarkt sammeln und die bestellten Medikamente durch eigene Boten ausliefern. Das BVerwG hat entschieden, dass eine Versandhandelserlaubnis auch diesen Vertriebsweg umfasst.
Inhaltsverzeichnis
A. Versandhandel vs. Rezeptsammelstelle vs. Pick-Up-Stelle
Die Zeiten, in denen Produkte eindimensional vertrieben werden, sind längst vorbei. Verbraucher erwarten heutzutage eine ganze Palette an Optionen, um an ihr Wunschprodukt zu gelangen. Händler reagieren selbstverständlich auf die Wünsche ihrer Kunden und lassen sich immer neue Wege einfallen, ihre Produkte an Mann und Frau zu bringen.
Im Arzneimittelsektor ist – neben dem Vertrieb über die klassische „Vor-Ort-Apotheke“ – zum einen der Vertrieb über den Online-Shop möglich. Apotheker, die diesen Weg wählen und ihre Arzneimittel online vertreiben wollen, benötigen dafür eine Erlaubnis. Die Voraussetzungen, unter denen eine Erlaubnis erteilt wird, normiert § 11a Apothekengesetz (ApoG). Danach muss der Apotheker etwa mit einem Qualitätssicherungssystem gewährleisten, dass die Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass ihre Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben.
Zum anderen gibt es im Arzneimittelbereich auch sogenannte Rezeptsammelstellen. Darunter ist eine Einrichtung zum Sammeln von Rezepten zu verstehen, die von einer Apotheke, entfernt von den Apothekenbetriebsräumen, betrieben wird. Zweck einer Rezeptsammelstelle ist es, den Bewohnern von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheken den (weiten) Weg zur nächsten Apotheke zu ersparen und dennoch durch eine schnelle Belieferung die Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Rezeptsammelstellen dürfen ebenfalls nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörden unter den in § 24 Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApBetrO) genannten Voraussetzungen unterhalten werden.
Von Rezeptsammelstellen sind schließlich noch sogenannte Pick-Up-Stellen zu unterscheiden. Bei Pick-up Stellen können Kunden ihre Rezepte an einer Sammelstelle abgeben, die gewünschte Bestellung wird dann in einer Abholstation an den Kunden übergeben. Das BVerwG hat in einem richtungsweisenden Urteil (13.03.2008, Az.: 3 C 27.07) herausgearbeitet, dass es sich bei solchen Pick-up-Stellen nicht um Rezeptsammelstellen handelt. Vielmehr unterfällt dieser Service dem Versandhandel. Die Folge: Händler, die eine Pick-up-Stelle betreiben wollen, bedürfen keine Erlaubnis nach § 24 ApBetrO. Vielmehr ist eine Erlaubnis nach § 11a ApoG einzuholen.
B. Der Sachverhalt: Apothekenrezepte im Supermarkt
Eine Apothekerin betreibt eine stationäre Apotheke und verfügt zudem über eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gemäß § 11a ApoG. In einem örtlichen Supermarkt hatte sie Ende 2014 im Eingangsbereich eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen und Arzneimittelbestellungen aufgestellt. Die Kunden können hier ihre Rezepte zusammen mit einem ausgefüllten Bestellschein in einen dafür vorgesehenen Umschlag stecken und in den angebrachten Briefkasten werfen. Die Auslieferung der Medikamente erfolgt innerhalb des Stadtgebietes (versandkostenfrei) durch Boten der Apothekerin. Außerhalb des Stadtgebietes werden die bestellten Arzneimittel durch einen externen Dienstleister (kostenpflichtig) versandt. Dann aber untersagte die zuständige Behörde den Betrieb der Einrichtung. Die Begründung: Bei der Einrichtung handele es sich um eine Rezeptsammelstelle. Diese sei jedoch von der Versandhandelserlaubnis nicht umfasst.
C. Die Entscheidung: Vertriebsweg von Versandhandelserlaubnis umfasst
Während die Vorinstanzen die Verfügung der zuständigen Behörde noch als rechtmäßig einstuften (vgl. OVG NRW, Urteil vom 02.07.2018, Az.: 13 A 2289/16, VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27.09.2016, Az.: 19 K 5025/15), gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig der Revision der Apothekerin nun statt und hob die Ordnungsverfügung auf (Urteil vom 23.04.2020, Az.: 3 C 16.18).
In der Pressemitteilung verweist das Gericht darauf, dass die von der Apothekerin betriebene Einrichtung von ihrer Versandhandelserlaubnis umfasst sei. Von dem Begriff des Versandhandels sei auch ein Vertriebsmodell erfasst, das auf einen Versand im örtlichen Einzugsbereich der Apotheke ausgerichtet ist – auch wenn hierfür eigene Boten der Apotheke eingesetzt werden. Denn: Die Vorschriften des Apotheken- und des Arzneimittelrechts über den Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln schließen eine Zustellung durch eigene Boten der Apotheke weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszweck aus, so die Richter. Auch den anderen Argumenten der Behörde folgte das BVerwG nicht. So sei die Arzneimittelsicherheit bei diesem Vertriebsweg nicht mehr gefährdet als beim Versand über größere Entfernungen mittels externer Versanddienstleister. Dass eine Zulassung dieses Vertriebsmodells zu einem signifikanten Rückgang der Apothekendichte und einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung führen könnte, sei ebenfalls nicht ersichtlich.
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