Rabatte im Arzneimittel-Onlinehandel: Was erlaubt ist und was nicht
Arzneimittel sind keine gewöhnlichen E-Commerce-Produkte. Preisbindung, Werbeverbote und eine gefestigte BGH-Rechtsprechung setzen dem Apothekenmarketing enge Grenzen – insbesondere bei Rabatten und Gutscheinen.
Inhaltsverzeichnis
- Verschreibungspflichtige Arzneimittel: Preisbindung und Verbot geldwerter Vorteile
- 1. Die gesetzliche Preisbindung als zwingender Ausgangspunkt
- 2. Verbot der Umgehung durch geldwerte Vorteile
- 3. Keine Bagatellgrenze bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
- 4. Wichtige Entscheidungen des BGH: Die Null-Toleranz-Linie
- Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel: Erweiterte Spielräume
- 1. Barrabatte: Zulässig – ausschließlich für nicht preisgebundene Arzneimittel
- 2. Geringwertige Sachzugaben: Aufmerksamkeit ja – Kaufanreiz nein
- 3. Bonusmodelle: Nur außerhalb verschreibungspflichtiger Arzneimittel
- 4. Technische und organisatorische Trennung als rechtliche Mindestanforderung
- Fazit
Der Grund hierfür liegt in der besonderen Natur der Ware: Arzneimittel dienen der Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten und bergen zugleich gesundheitliche Risiken.
Um Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung zu schützen, hat der Gesetzgeber den Vertrieb und insbesondere die Werbung für Arzneimittel bewusst streng reguliert.
Maßgeblich sind dabei insbesondere
- das Heilmittelwerbegesetz (HWG),
- die für verschreibungspflichtige Arzneimittel zwingend geltenden Preisbindungsvorgaben der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sowie
- die Grenzen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Wir geben nachfolgend einen Einblick in die rechtlichen Möglichkeiten (bzw. Nicht-Möglichkeiten) arzneimittelrechtlicher Werbeaktionen.
Verschreibungspflichtige Arzneimittel: Preisbindung und Verbot geldwerter Vorteile
1. Die gesetzliche Preisbindung als zwingender Ausgangspunkt
Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt in Deutschland eine zwingende gesetzliche Preisbindung nach der Arzneimittelpreisverordnung.
Diese Preisbindung ist Ausdruck einer bewussten ordnungspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers und dient mehreren Gemeinwohlzielen.
Sie soll
- einen Preiswettbewerb zwischen Apotheken verhindern,
- die Arzneimittelversorgung konsequent auf Qualität und fachliche Beratung ausrichten und zugleich
- eine flächendeckende, gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.
Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2020 die Gleichpreisigkeit bei der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ausdrücklich abgesichert. Nach § 129 Abs. 3 SGB V sind Apotheken, die verordnete Arzneimittel als Sachleistungen an gesetzlich Versicherte abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen, verpflichtet, die nach § 78 AMG erlassenen Preisvorgaben der Arzneimittelpreisverordnung einzuhalten. Zugleich dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewährt werden.
Diese Bindung gilt unabhängig vom Vertriebsweg. Damit unterliegen auch Versandapotheken – einschließlich solcher mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten – bei der Belieferung gesetzlich Krankenversicherter den in Deutschland geltenden Preisvorgaben.
2. Verbot der Umgehung durch geldwerte Vorteile
Die gesetzliche Preisbindung darf nicht durch flankierende oder mittelbare Vorteile umgangen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt es dabei nicht auf die äußere Gestaltung der Werbemaßnahme an, sondern allein auf ihre wirtschaftliche Gesamtwirkung aus Sicht des Verbrauchers.
Unzulässig sind daher nicht nur offene Preisnachlässe auf das verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst, sondern sämtliche geldwerten Vorteile, die den wirtschaftlichen Aufwand des Patienten faktisch mindern oder einen zusätzlichen Anreiz für den Bezug eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels schaffen.
Erfasst sind insbesondere:
- Gutscheine und Rabattcodes
- Sachzugaben und Naturalrabatte
- Bonus- und Treuepunktesysteme
- Gewinnspiele oder Gewinnchancen
- sonstige geldwerte Vergünstigungen
sofern diese in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels stehen.
Dabei ist unerheblich, ob der Vorteil sofort realisiert werden kann oder erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird. Maßgeblich ist allein, ob der Verbraucher im Ergebnis wirtschaftlich besser gestellt wird, als es der gesetzlich festgelegte Apothekenabgabepreis vorsieht.
3. Keine Bagatellgrenze bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
Lange Zeit wurde in Rechtsprechung und Literatur diskutiert, ob bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zumindest geringwertige Aufmerksamkeiten – etwa Vorteile im Cent-Bereich oder symbolische Zugaben – als zulässige Bagatellen angesehen werden könnten.
Diese Diskussion ist inzwischen jedoch abgeschlossen, indem der BGH unmissverständlich klargestellt hat, dass es bei preisgebundenen Arzneimitteln keine Bagatellgrenze gibt.
Die gesetzliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel soll zwingend, ausnahmslos und unabhängig vom wirtschaftlichen Gewicht des einzelnen Vorteils wirken.
Bereits geringfügige Vorteile reichen also aus, um gegen die zwingende und ausnahmslos geltende Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verstoßen.
a. Absolute Wirkung der Preisbindung
Die arzneimittelrechtliche Preisbindung verfolgt nicht das Ziel, lediglich „spürbare“ Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Sie soll vielmehr jeglichen Preiswettbewerb auf der Abgabestufe der Apotheken ausschließen. Der gesetzlich festgelegte Apothekenabgabepreis bildet insoweit eine starre Vorgabe, von der weder nach oben noch nach unten abgewichen werden darf.
Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich unerheblich, ob der gewährte Vorteil nur wenige Cent beträgt oder einen höheren wirtschaftlichen Wert hat. Jede Abweichung vom verbindlichen Abgabepreis stellt zugleich eine Abweichung vom gesetzlich vorgegebenen Preisgefüge dar.
b. Maßgeblich ist allein die wirtschaftliche Besserstellung
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es auch nicht auf die subjektive Wahrnehmung des Vorteils oder dessen „Gefühl der Erheblichkeit“ an. Entscheidend ist allein, ob der Patient im Ergebnis wirtschaftlich besser gestellt wird, als es der gesetzlich festgelegte Apothekenabgabepreis vorsieht.
Bereits der Umstand, dass der Patient – wenn auch nur minimal – einen geldwerten Vorteil erhält, führt dazu, dass der tatsächliche wirtschaftliche Aufwand unterhalb des gesetzlich fixierten Preises liegt.
Genau dies will die Preisbindung verhindern.
4. Wichtige Entscheidungen des BGH: Die Null-Toleranz-Linie
a. Der „Brötchen-Gutschein“: Unzulässigkeit jeder geldwerten Zuwendung
Ein besonders anschauliches Beispiel für die strenge Handhabung der arzneimittelrechtlichen Preisbindung ist der sogenannte „Brötchen-Gutschein“-Fall.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt verknüpfte eine Apotheke die Einlösung eines ärztlichen Rezepts mit einer Werbegabe: Bei der Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels erhielten Kunden einen Gutschein für ein Brötchen bei einem benachbarten Bäcker. Der materielle Wert dieser Zuwendung lag lediglich im Cent-Bereich und wurde von der Apotheke als bloße Service- oder Freundlichkeitsgeste ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung eingeordnet.
Diese Argumentation hat der Bundesgerichtshof jedoch ausdrücklich zurückgewiesen.
In seinem Urteil vom 6. Juni 2019 stellte der BGH klar, dass bei der Abgabe preisgebundener Arzneimittel jede geldwerte Zuwendung unzulässig ist, wenn sie an die Einlösung eines Rezepts gekoppelt wird.
Nach Auffassung des BGH (Urteil vom 06.06.2019 – Az I ZR 206/17) kommt es dabei weder auf den objektiven Wert der Zuwendung noch auf deren subjektive Bedeutung für den einzelnen Kunden an. Maßgeblich ist allein, ob der Kunde im Zusammenhang mit der Rezepteinlösung wirtschaftlich besser gestellt wird, als es der gesetzlich festgelegte Apothekenabgabepreis vorsieht. Bereits eine geringfügige Vergünstigung genügt, um die Preisbindung zu unterlaufen.
Entscheidend ist dabei nicht die äußere Gestaltung oder „Verpackung“ der Maßnahme, sondern ihre wirtschaftliche Gesamtwirkung aus Sicht des Verbrauchers. Die arzneimittelrechtliche Preisbindung gilt strikt und ausnahmslos; sie soll jeglichen Preis- und Leistungswettbewerb auf der Abgabestufe der Apotheken verhindern. Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich unerheblich, ob eine Zuwendung als Werbegeschenk, Aufmerksamkeit, Serviceleistung oder Nachbarschaftskooperation bezeichnet wird.
Der „Brötchen-Gutschein“-Fall steht damit exemplarisch für die Null-Toleranz-Linie der Rechtsprechung: Im Bereich verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist für geldwerte Vorteile – gleich welcher Art und gleich welchen Wertes – kein Raum.
b. Gutscheine und Cashback als Umgehung der Preisbindung
In der Praxis wird mitunter argumentiert, der gesetzlich festgelegte Apothekenabgabepreis bleibe unberührt, weil ein wirtschaftlicher Vorteil nicht unmittelbar beim Kauf des verschreibungspflichtigen Arzneimittels gewährt werde. Stattdessen werde der Vorteil „daneben“ platziert – etwa in Form eines Gutscheins für einen späteren Einkauf, eines Cashback-Modells oder einer über externe Partner vermittelten Vergünstigung.
Dieser formale Ansatz greift nach der Rechtsprechung des BGH jedoch zu kurz. Der BGH stellt nicht auf die äußere Gestaltung der Maßnahme oder ihre buchhalterische Abwicklung ab, sondern auf ihre wirtschaftliche Gesamtwirkung. Maßgeblich ist, ob der Verbraucher im Zusammenhang mit der Einlösung eines Rezepts einen geldwerten Vorteil erhält, der ihn wirtschaftlich besser stellt, als es die gesetzliche Preisbindung zulässt.
Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob der Vorteil sofort realisiert werden kann oder erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird. Auch zeitlich nachgelagerte Vorteile oder solche, die formal nicht mit dem konkreten Arzneimittelkauf verrechnet werden, können die Preisbindung unterlaufen, wenn sie aus Sicht des Kunden als Gegenleistung für die Rezeptbelieferung erscheinen.
Der BGH hat dies in seinen Entscheidungen vom 6. Juni 2019 (I ZR 206/17 / I ZR 60/18) ausdrücklich bestätigt und klargestellt, dass die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht durch vorgelagerte oder nachgelagerte Vorteile „kompensiert“ werden darf. Maßgeblich ist stets die Gesamtbetrachtung des konkreten Werbe- und Vertriebskonzepts.
c. Gewinnspiele – der eigenständige Wert der Gewinnchance
Ein besonders praxisrelevanter Fall betrifft die Verknüpfung verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit Gewinnspielen oder Verlosungen.
Im zugrunde liegenden BGH-Fall bewarb eine Versandapotheke ein Gewinnspiel, dessen Teilnahme an die Einsendung bzw. Einlösung eines ärztlichen Rezepts gekoppelt war. Als Preise wurden hochwertige Sachwerte – etwa ein E-Bike – ausgelobt. Der Apothekenabgabepreis für das Arzneimittel blieb dabei formal unverändert; eine unmittelbare finanzielle Vergünstigung erhielt der Patient nicht.
Der BGH hat in seiner Entscheidung (Urteil vom 18.11.2021 – Az. I ZR 214/18) klargestellt, dass bereits die bloße Gewinnchance einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert besitzt. Sie ist nicht als bloßes Beiwerk der Werbung zu verstehen, sondern kann aus Sicht des Verbrauchers einen zusätzlichen Anreiz darstellen, ein Rezept bei einem bestimmten Anbieter einzulösen. Damit wirkt die Gewinnchance funktional wie ein geldwerter Vorteil.
Im sensiblen Bereich der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist eine solche Anreizwirkung rechtlich unzulässig. Der BGH ordnet die Kopplung von Rezeptbelieferung und Gewinnspielen als unsachliche Beeinflussung ein, die geeignet ist, die freie und allein am medizinischen Bedarf orientierte Entscheidung des Patienten zu beeinflussen und zugleich die Gefahr einer Fehl- oder Mehrinanspruchnahme von Arzneimitteln zu fördern.
Entscheidend ist dabei nicht, ob der einzelne Kunde tatsächlich wegen der Gewinnchance handelt. Ausreichend ist vielmehr, dass die Maßnahme abstrakt geeignet ist, einen zusätzlichen Anreiz zu setzen. Auch der Umstand, dass nur ein geringer Teil der Teilnehmer tatsächlich gewinnt, steht der rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Bereits die Aussicht auf einen Gewinn genügt, um die strengen arzneimittelrechtlichen Grenzen zu überschreiten.
Für die Praxis bedeutet dies: Gewinnspiele, Verlosungen oder vergleichbare Promotionsmaßnahmen dürfen nicht mit der Abgabe oder Einlösung von Rezepten verknüpft werden. Dies gilt unabhängig von Art und Wert des ausgelobten Preises sowie unabhängig davon, ob der Vorteil unmittelbar oder nur potentiell realisiert wird.
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel: Erweiterte Spielräume
Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten im deutschen Arzneimittelrecht deutlich liberalere Maßstäbe als für verschreibungspflichtige Präparate.
Anders als im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel sieht der Gesetzgeber hier keine staatliche Preisbindung vor. Apotheken dürfen deshalb grundsätzlich im Preiswettbewerb stehen und klassische Marketinginstrumente wie Rabatte, Gutscheine oder Zugaben einsetzen.
Diese größere Freiheit bedeutet jedoch keineswegs einen rechtsfreien Raum. Auch hier unterliegt die Apothekenwerbung klaren gesetzlichen Grenzen. Zentrale Schranke ist dabei § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG), der verhindern soll, dass Verbraucher durch unsachliche, übermäßige oder unangemessene Vorteile in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden.
1. Barrabatte: Zulässig – ausschließlich für nicht preisgebundene Arzneimittel
Unmittelbare Preisnachlässe auf nicht preisgebundene Arzneimittel sind zulässig, sofern keine preisrechtlichen Bindungen entgegenstehen.
§ 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG stellt klar, dass Preisnachlässe und Rückvergütungen nicht als unzulässige Zuwendungen gelten, soweit sie nicht gegen gesetzliche Preisvorschriften verstoßen. Da für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel keine staatliche Preisbindung besteht, dürfen hier unmittelbare Preisnachlässe gewährt werden.
Hierzu zählen insbesondere klassische Rabatt- und Preisaktionen wie:
– „20 % auf alle Erkältungsmittel“
– „3 € Sofortrabatt auf Schmerzmittel“
– zeitlich befristete Aktions- oder Angebotspreise
Im Bereich nicht preisgebundener Arzneimittel soll der Verbraucher Preise vergleichen und seine Kaufentscheidung auch am Preis ausrichten können. Ein Preiswettbewerb ist hier gesetzlich vorgesehen und zulässig.
Für die Praxis entscheidend ist die konsequente und saubere Abgrenzung:
- Rabatte müssen klar beziffert, transparent kommuniziert und ausschließlich auf nicht preisgebundene Arzneimittel beschränkt sein.
- Bereits eine mittelbare Einbeziehung preisgebundener Arzneimittel – etwa durch pauschale Warenkorb-Rabatte, automatische Abzüge oder technisch nicht eindeutig getrennte Gutschein- oder Bonussysteme – ist unzulässig.
2. Geringwertige Sachzugaben: Aufmerksamkeit ja – Kaufanreiz nein
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG nimmt geringwertige Sachzugaben vom grundsätzlichen Verbot der Gewährung von Zuwendungen aus.
Gemeint sind kleine Aufmerksamkeiten, die nach ihrer Art und ihrem Wert nicht geeignet sind, die Kaufentscheidung unsachlich zu beeinflussen.
Voraussetzung ist jedoch stets, dass keine preisrechtlichen Vorschriften verletzt werden.
Damit kommen geringwertige Sachzugaben nur im Bereich nicht preisgebundener Arzneimittel in Betracht. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind auch geringwertige Zuwendungen regelmäßig unzulässig, sofern sie im Zusammenhang mit der Einlösung eines Rezepts gewährt werden.
Typische zulässige Beispiele im Bereich nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sind etwa einfache Taschentücher, schlichte Kalender, Kugelschreiber oder geringwertige Produktproben. Die Rechtsprechung zieht die Grenze häufig bei einem Einkaufswert von etwa einem Euro aus Sicht des Anbieters. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen festen Freibetrag, sondern lediglich um einen Orientierungswert.
Maßgeblich ist stets eine Gesamtbetrachtung: Wird die Zugabe als beiläufige Aufmerksamkeit wahrgenommen oder rückt sie erkennbar in den Vordergrund der Kaufentscheidung? Unzulässig können daher auch solche Zugaben sein, die zwar günstig beschafft wurden, für den Verbraucher jedoch einen hohen subjektiven Wert besitzen, etwa hochwertige Kosmetikprodukte, Gutscheine oder sammelbare Prämienartikel.
3. Bonusmodelle: Nur außerhalb verschreibungspflichtiger Arzneimittel
Bonussysteme, Kundenkarten oder Neukundenrabatte sind im Apothekenalltag weit verbreitet. Sie können zulässig sein, sofern sie sich ausschließlich auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie Freiwahlprodukte beziehen und eine Einbeziehung preisgebundener Arzneimittel tatsächlich und vollständig ausgeschlossen ist.
Zulässig sind beispielsweise:
- Bonuspunkte für den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel
- Punktesysteme für Kosmetik- und sonstige nicht verschreibungspflichtige Waren
- Neukunden-Gutscheine, die ausdrücklich und technisch wirksam nur für nicht verschreibungspflichtige Artikel einlösbar sind
Unzulässig sind hingegen alle Modelle, bei denen verschreibungspflichtige Arzneimittel unmittelbar oder mittelbar in das Bonussystem einbezogen werden. Dies gilt insbesondere für:
- Bonuspunkte oder sonstige Vorteile auf Rezeptumsätze
- automatische Punktegutschriften bei gemischten Warenkörben
- Systeme, bei denen Umsätze mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln den Bonuswert erhöhen, freischalten oder beeinflussen
Der BGH hat bereits früh klargestellt, dass Bonusmodelle im Zusammenhang mit preisgebundenen Arzneimitteln unzulässig sind, weil sie den gesetzlich festgelegten Apothekenabgabepreis wirtschaftlich unterlaufen (BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 98/08).
Diese Rechtsprechung ist in den Folgejahren durch weitere Entscheidungen zu geldwerten Vorteilen, Gutscheinen und Gewinnspielen bestätigt und weiter konkretisiert worden und gilt unverändert fort.
4. Technische und organisatorische Trennung als rechtliche Mindestanforderung
Besondere praktische Bedeutung kommt der technischen und organisatorischen Umsetzung von Rabatt- und Bonussystemen zu, insbesondere im Online-Handel.
Um Verstöße gegen das Verbot geldwerter Vorteile bei preisgebundenen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu vermeiden, muss das Bestell- und Abrechnungssystem so ausgestaltet sein, dass Gutscheine und Bonuspunkte bei diesen Produkten weder eingelöst noch rechnerisch – weder unmittelbar noch mittelbar – angerechnet werden können. Zudem darf der Kunde im Bestellprozess nicht den Eindruck erhalten, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel an einem Vorteilssystem teilnehmen. Maßgeblich ist die objektive Ausgestaltung und Wirkung des Systems, nicht die rechtliche Absicht des Anbieters.
Gutscheine dürfen daher nicht so gestaltet sein, dass sie auf den gesamten Warenkorb einschließlich preisgebundener verschreibungspflichtiger Arzneimittel wirken können.
Unzureichend sind insbesondere Modelle, bei denen verschreibungspflichtige Arzneimittel zunächst als rabattfähig erscheinen und erst im letzten Bestellschritt rechnerisch ausgenommen werden, ebenso wie rein deklaratorische Hinweise, etwa in Form von Sternchenvermerken, oder nachträgliche Korrekturen. Entscheidend ist, dass ein unzulässiger Vorteil im gesamten Bestell- und Abrechnungsablauf zuverlässig ausgeschlossen ist.
Fazit
Das Apothekenmarketing lässt im Jahr 2025 keine Graubereiche mehr zu.
Die maßgebliche rechtliche Trennlinie verläuft zwischen verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Sobald ein ärztliches Rezept im Spiel ist, sind geldwerte Vorteile grundsätzlich tabu. Dies gilt unabhängig von ihrer Höhe, ihrer äußeren Gestaltung oder dem Zeitpunkt ihrer Gewährung und lässt – abgesehen von eng begrenzten gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen – keinen Spielraum.
Demgegenüber eröffnet der Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel durchaus zulässige Marketingmöglichkeiten. Rabatte, Preisnachlässe, Gutscheine, Bonusprogramme oder sonstige Verkaufsanreize dürfen jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit nicht preisgebundenen Arzneimitteln gewährt und angerechnet werden. Voraussetzung ist eine vollständige und eindeutige Entkopplung vom Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Sowohl die Gewährung als auch die Einlösung entsprechender Vorteile müssen sich ausschließlich auf nicht preisgebundene Produkte beziehen.
Entscheidend ist dabei nicht allein die rechtliche Konzeption, sondern vor allem die konsequente technische und organisatorische Umsetzung. Rabatt- und Bonussysteme müssen so ausgestaltet sein, dass eine Einbeziehung verschreibungspflichtiger Arzneimittel tatsächlich ausgeschlossen ist. Eine bloß rechnerische Herausnahme einzelner Positionen aus einem gemischten Warenkorb oder ein pauschaler Hinweis im Kleingedruckten genügt hierfür nicht.
Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare