Weniger Pflichtangaben bei Erinnerungswerbung für Arzneimittel
Wer für Arzneimittel wirbt, muss strenge Regeln beachten. Das Heilmittelwerbegesetz verlangt dabei meist umfassende Pflichtangaben. Eine wichtige Ausnahme bildet die Erinnerungswerbung – doch wann liegt sie genau vor?
Einschränkungen im Heilmittelwerberecht
Insbesondere zum Schutz von Verbrauchern vor den Gefahren einer falschen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln kennt das Heilmittelwerberecht des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) eine ganze Reihe von Werbebeschränkungen.
So darf für die potentiell besonders gefährlichen verschreibungspflichtigen Arzneimittel beispielsweise nicht bei Verbrauchern geworben werden, sondern nur bei (Tier-)Ärzten, Apothekern und anderen Personen, die mit Arzneimitteln erlaubterweise handeln dürfen (sog. Fachkreise), § 10 HWG, also insgesamt nur gegenüber Fachpublikum.
Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel darf zwar grundsätzlich geworben werden, jedoch nicht völlig frei, sondern nur unter Beachtung einiger Werbebeschränkungen. Beispielsweise müssen bei der an Verbraucher gerichteten Arzneimittelwerbung in der Regel hinweisgebende Pflichtangaben gemacht werden, die sich aus § 4 HWG ergeben, darunter insbesondere der bekannte Hinweistext, der in seiner aktuellen Fassung lautet:
"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke."
Dies gilt gleichermaßen sowohl bei Offline-Werbung (Werbeflyer oder Werbebriefe, Aufsteller in Apotheken) als auch bei Online-Werbung (z. B. Bannerwerbung) sowie bei Online-Apotheken. Nicht bei jeder Art von Werbung müssen jedoch alle Pflichtangaben gemäß § 4 HWG gemacht werden. Eine gesetzlich geregelte Ausnahme besteht nach § 4 Abs. 6 HWG bei der sogenannten Erinnerungswerbung, bei der bestimmte Pflichtangaben entfallen dürfen.
Was ist Erinnerungswerbung?
Wie der Begriff bereits suggeriert, geht es bei Erinnerungswerbung um Werbung, die den Verbrauchern ein bestimmtes Arzneimittel lediglich in Erinnerung rufen soll.
Es geht also insbesondere um Fälle von bereits bekannten Arzneimitteln, für die in der Vergangenheit hinreichend Werbung betrieben worden ist oder die derart verbreitet sind, dass für eine erfolgreiche Werbung allein der Produktname genügt.
Würden die Gesetze die Werbenden dazu verpflichten, bei jeder Art von Werbung stets alle Pflichtangaben zu machen, wäre ein Großteil der Arzneimittelwerbung praktisch kaum durchführbar.
Gesetzlich geregelt ist die Erinnerungswerbung in § 4 Abs. 6 HWG. Demnach liegt Erinnerungswerbung vor, wenn ausschließlich mit der Bezeichnung eines Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma oder der Marke des pharmazeutischen Unternehmers oder mit dem Hinweis „Wirkstoff:“ gefolgt von der Bezeichnung des Wirkstoffs geworben wird.
Auf den ersten Blick scheint diese Vorschrift klar verständlich: Keine Erinnerungswerbung liegt demnach vor, wenn mit zusätzlichen Angaben geworben wird, die über diese Informationen hinausgehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vorschrift jedoch nicht rein formal, sondern funktional auszulegen. Es sind auch weitere Angaben möglich, ohne dass die Privilegierung der Erinnerungswerbung entfällt, sofern diese Angaben keinen arzneimittelbezogenen Aussagegehalt haben und aus Sicht des angesprochenen Verkehrs weder unmittelbar noch mittelbar Rückschlüsse auf Eigenschaften, Wirkungen oder Anwendungsgebiete des Arzneimittels zulassen.
Als Faustformel gilt dabei: Über die in § 4 Abs. 6 HWG ausdrücklich genannten Angaben hinaus dürfen weitere Angaben gemacht werden, wenn sie sich weder
- auf Eigenschaften oder Wirkungen des Arzneimittels,
- dessen Zusammensetzung,
- das Anwendungsgebiet oder
- die therapeutische Zweckbestimmung beziehen.
Mit anderen Worten bleibt Erinnerungswerbung auch dann privilegiert, wenn ausschließlich arzneimittelfremde Aspekte angegeben werden, sofern diesen aus Sicht des Verkehrs kein funktionaler Bezug zu einer therapeutischen Erwartung oder einem konkreten Anwendungsanlass zukommt, wie etwa bei rein sachlichen Preis- oder Mengenangaben (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.1982 – I ZR 87/80; ständige Rechtsprechung).
Wann liegt konkret Erinnerungswerbung vor, wann nicht?
Unschädlich und damit im Rahmen von Erinnerungswerbung zulässig sind rein sachliche Preis- und Mengenangaben, sofern sie nicht in einen thematischen, saisonalen oder sonstigen Kontext gestellt werden, der aus Sicht des Verkehrs einen Bezug zu einem Anwendungsgebiet oder einer therapeutischen Zweckbestimmung herstellt, sowie allgemeine, arzneimittelneutrale Werbebegriffe wie „neu im Sortiment“, „nur vorübergehend“, „solange der Vorrat reicht“ oder „gegenwärtig im Preis reduziert“.
Auch werbende Angaben zur Apotheke oder zum Hersteller des Arzneimittels sind möglich, etwa „seit über 30 Jahren für Sie da“ oder „Ihre Gesundheit hat bei uns Priorität“, sofern kein Bezug zum beworbenen Arzneimittel selbst hergestellt wird.
Bilder und Grafiken sind im Grundsatz ebenfalls erlaubt, unterliegen jedoch einer besonders strengen Betrachtung, da sie bereits mittelbar einen Wirkungs- oder Anwendungsbezug vermitteln können. Sobald durch Bildsprache oder Symbolik ein Zusammenhang zu einem Anwendungsgebiet oder einer therapeutischen Wirkung hergestellt wird, liegt keine Erinnerungswerbung mehr vor, sodass sämtliche Pflichtangaben des § 4 HWG zu machen sind.
In einen rechtlich sensiblen Graubereich fallen Angaben wie „Für Ihre Reiseapotheke“ oder „Jetzt ist wieder Erkältungszeit“, da diese bereits aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einen sachlichen Bezug zu einem möglichen Anwendungsgebiet herstellen können und daher im Einzelfall die Privilegierung der Erinnerungswerbung entfallen lassen.
Nicht zulässig im Rahmen von Erinnerungswerbung ist Werbung, in der unmittelbar oder auch nur mittelbar ein Anwendungsgebiet genannt wird, etwa „Gegen die laufende Nase“ oder „Schlank sein mit“. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Bezug durch Text oder durch Abbildungen erfolgt. Auch die Darstellung einer triefenden Nase im Zusammenhang mit einem Nasenspray stellt einen Hinweis auf das Anwendungsgebiet dar und führt dazu, dass die Werbung nicht mehr als Erinnerungswerbung anzusehen ist.
Ebenso liegt keine Erinnerungswerbung (sondern meist bloße Imagewerbung) vor, wenn nicht für ein konkretes Arzneimittel, sondern für eine Produktgattung geworben wird, da es dann nicht um ein bestimmtes Arzneimittel („Aspirin“), sondern um eine Produktgruppe („Schmerzmittel“) geht. In diesem Fall sind mangels Produktbezug in der Regel gar keine Pflichtangaben nach dem HWG erforderlich.
Rechtliche Vorteile der Erinnerungswerbung
Liegt Erinnerungswerbung im Sinne des § 4 Abs. 6 HWG vor, dürfen die jeweils einschlägigen Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 HWG in dieser Werbung weggelassen werden.
Dies bedeutet, dass insbesondere keine Angaben zum Anwendungsgebiet, zu Gegenanzeigen, Nebenwirkungen oder Warnhinweisen sowie der Hinweistext „Zu Risiken und Nebenwirkungen …“ erforderlich sind, solange und soweit es sich tatsächlich um eine ausschließlich auf Erinnerungsfunktion beschränkte Werbung handelt.
Sobald jedoch zusätzliche arzneimittelbezogene Angaben gemacht werden, entfällt die Privilegierung vollständig. Es gilt das Prinzip: Entweder vollständige Erinnerungswerbung – oder vollständige Pflichtangaben.
Sanktionen bei Nicht-Erinnerungswerbung
Verstöße gegen die Vorschriften zur Erinnerungswerbung können wettbewerbsrechtliche und aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben:
- Die Vorschriften des HWG stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG dar. Verstöße können daher von Mitbewerbern oder qualifizierten Verbänden abgemahnt werden.
- Wer entgegen § 4 HWG erforderliche Pflichtangaben fahrlässig oder vorsätzlich nicht macht, handelt gemäß § 15 Abs. 1 HWG ordnungswidrig. Nach § 15 Abs. 3 HWG kann eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro verhängt werden.
Fazit
Werbung für Arzneimittel unterliegt strengen gesetzlichen Beschränkungen. Zur Information der Verbraucher müssen Werbende grundsätzlich die Pflichtangaben des § 4 HWG machen.
Eine Ausnahme gilt nur bei echter und strikt eingehaltener Erinnerungswerbung. Wer ausschließlich mit dem Namen des Arzneimittels oder dem Namen des Herstellers wirbt und jede Form unmittelbarer oder mittelbarer arzneimittelbezogener Aussage vermeidet, kann auf die Pflichtangaben verzichten.
Als weiterhin tragfähige Faustformel gilt: Angaben ohne Arzneimittelbezug sind zulässig – Angaben mit Arzneimittelbezug nicht.
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