„Ruhetage“ über Ostern – wissen die eigentlich, was sie tun?
[UPDATE 24.03.2021, 12.35]: Die Kanzlerin hat gerade in einer sehr klaren Rede erklärt, dass die "Osterruhe" ein Fehler war, für den sie die Bürger um Verzeihung bittet. Die Beschlüsse zur "Osterruhe" werden daher nicht umgesetzt werden. Es war richtig und gut, diese völlig unklaren Maßnahmen so rechtzeitig zu stoppen.
Inhaltsverzeichnis
Man hat nichts Gutes erwartet, von vom Bund-Länder-Treffen bezüglich der Corona-Maßnahmen am 22.03.2021. Doch was in Bezug auf Regelungen über Ostern 2021 spätnachts durchsickerte, kam dann doch sehr überraschend. Wohl aus der Panik heraus, den wieder massiv steigenden Infektionszahlen nicht anders Herr zu werden, wurde kurzerhand ein „Totallockdown“ mit neuen „Ruhetagen“ am Gründonnerstag und Karsamstag. Was bedeutet das für Onlinehändler?
Worum geht es?
Um die rollende dritte Corona-Welle zu brechen, wurden am 22.03.2021 beim Bund-Länder-Gipfel überraschend besonders strenge Einschränkungen für das Osterfest 2021 beschlossen.
Wohl weil man über die Osterfeiertrage „Superspreadingevents“ befürchtet, gelten dieses Mal besonders harte Regelungen rund um und an den Osterfeiertagen.
Während Karfreitag und Ostermontag altbekannte, gesetzliche Feiertage an Ostern sind (der Karfreitag ebenso wie der Ostersonntag sogar als „stiller Tag“ mit besonderen Restriktionen), sind Gründonnerstag und Karsamstag bisher reguläre Werktage.
Doch dieses Jahr wird dahingehend nichts so bleiben, wie wir es kennen. Durch neue „Ruhetage“ soll das soziale Leben an Ostern 2021 so weit wie möglich heruntergefahren werden, um das exponentielle Infektionsgeschehen zumindest zu dämpfen.
Was sind „Ruhetage“?
Zunächst: Das wissen wohl selbst die Protagonisten noch nicht so genau.
Fest steht derzeit jedenfalls, dass der diesjährige Gründonnerstag (also der 01.04.2021) sowie der diesjährige Karsamstag (also der 03.04.2021) als „Ruhetage“ bestimmt wurden.
Die Wortschöpfung „Ruhetag“ ist von den aktuellen Entscheidern geschaffen worden und entbehrt einer gesetzlichen Definition. Anders als der Feiertag (der z.B. in den Feiertagsgesetzen der Länder definiert wird) findet sich derzeit keine gesetzliche Definition für den „Ruhetag“. Es handelt sich also derzeit um eine Kreation, die in erster Linie die Intention der Entscheider verdeutlichen soll.
Der Begriff „Ruhetag“ reiht sich ein in eine Reihe schwammiger Kreationen (derzeit ist ja etwa auch der „kontaktarme Urlaub“ in aller Munde), die zwar gewisse Zielsetzungen der Regierungschefs grob umreißen, denen es aber an der – nötigen – Bestimmtheit fehlt.
Immerhin hängen an der „Umwidmung“ der zwei Werktage zu „Ruhetagen“ ja erhebliche wirtschaftliche, finanzielle, soziale und auch juristische Konsequenzen.
Das Ziel der Entscheider ist klar: Dämpfung bzw. bestenfalls Reduzierung des Infektionsgeschehens.
Der Zweck steht fest: Gesundheitsschutz und Vermeidung weiterer Todesfälle sowie auf langfristige Sicht die Abwendung weiterer Schäden für die heimische Wirtschaft.
Das Mittel ist ebenfalls klar, die altbekannte Reduzierung aller nicht lebensnotwendigen Kontakte.
Die Umsetzungsmethode ist zumindest umstritten, weil eben letztlich nicht klar ist, was konkret (besonders) zum Infektionsgeschehen beiträgt und was nicht. Oftmals ist hier ein (Fehl)Verhalten im Einzelfall der Auslöser eines größeren Infektionsgeschehens, so dass eine generell-abstrakte Regelung immer auch erhebliche Kollateralschäden innehat. Jedenfalls will man hier auf Nummer sicher gehen, und das öffentliche Leben über ganze fünf Tage (Gründonnerstag bis Ostermontag) auf das absolute Minimum herunterfahren. Auch ein Ansammlungsverbot vom 01. bis zum 05. April 2021 ist damit verbunden
Ausweislich des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 22.03.2021 gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen „das Prinzip #WirBleibenZuHause“.
Ferner heißt es im Beschluss der MPK:
„Angesichts der ernsten Infektionsdynamik wollen Bund und Länder die Ostertage nutzen, um durch eine mehrtägige, sehr weitgehende Reduzierung aller Kontakte das exponentielle Wachstum der 3. Welle zu durchbrechen. Deshalb sollen der 1.April (Gründonnerstag) und der 3. April (Samstag) 2021 zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April verbunden werden („Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“).“
Konkrete Umsetzung ist das Problem
Wenngleich Zielsetzung, Zweck, Mittel und Umsetzungsweg im Wesentlichen erkennbar sind, bleibt ein großes Problem: Werden Gründonnerstag und Karsamstag in 2021 nun zu gesetzlichen Feiertagen, werden sie solchen zumindest gleichgestellt oder handelt es sich um eine neue „Gattung“ von Tagen, die dann en Detail noch zu definieren wäre.
Wie bereits erwähnt, hängen an der verbindlichen Einstufung dieser Tage eine ganze Reihe massiver Konsequenzen. Alle Beteiligten brauchen – die Sache kommt ja bereits in einer guten Woche zum Tragen – sehr schnell Planungssicherheit.
So muss ein Arbeitgeber wissen, ob bzw. welche seiner Arbeitnehmer an diesen Tagen arbeiten werden / dürfen und zu welchen Konditionen. Umgekehrt gilt dies natürlich auch für Arbeitnehmer. Stationäre Händler und Dienstleister müssen wissen, ob und wie sie öffnen bzw. anbieten dürfen. Auch öffentliche Einrichtungen müssen wissen, was Phase ist.
Das etwa schon bei der Frage an, ob nun an Gründonnerstag im ÖPNV der normale Fahrplan oder der Feiertagsfahrplan greift. Die Betreiber müssen, falls letzteres, Personal nach Hause schicken und kurzfristig den Betriebsablauf umdisponieren. Die verbliebenen Kräfte wären dann ggf. mit Feiertagszuschlag zu entlohnen. Umgekehrt brauchen die Beschäftigten rasch Gewissheit, ob bzw. wann die Arbeit anzutreten ist.
Der aktuelle Aktionismus erinnert ein wenig an die kurzfristig beschlossene Absenkung der Mehrwertsteuer im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.12.2020. Hierbei durfte man sich auch die Frage stellen, um die bürokratischen Aufwendungen zur Umsetzung nicht mehr Geld verschlungen haben als die Absenkung an Mehreinnahmen für die Akteure gebracht hat.
Jedenfalls bedarf es nun zeitnah konkreter gesetzlicher Rahmenbedingungen, damit die beteiligten Akteure wissen, wie sie sich zu verhalten haben.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die angedachten Maßnahmen positiv auf das Infektionsgeschehen auswirken. Massiv jedenfalls dürfen die bürokratischen Auswirkungen der „Ruhezeit“ sein.
Auch der Onlinehandel wird betroffen sein
Der Onlinehandel hat (bereits seit Beginn der Pandemie) einen gravieren Vorteil gegenüber dem stationären Handel: Er ist nach davon abhängig, ob und wie Läden vor Ort geöffnet sein dürfen und muss daher da ewige Hin und Her bei den Schließungen, Öffnungen, Lockern und Verschärfen der Auflagen nicht mitmachen.
Dennoch wird der aktuelle Beschluss der MPK auch im Onlinehandel Auswirkungen haben.
Personal
Angefangen bei der Personalplanung des Onlinehändlers, beschäftigt er Angestellte. Werden diese an Gründonnerstag und Karsamstag zur Arbeit kommen und können z.B. Lager- und Versandtätigkeiten ausüben bzw. Kundensupport leisten. Wenn ja, wie sind diese dann zu bezahlen? Wenn nein, gelten diese Tage als arbeitsfreie Feiertage ohne Lohnausfall?
Lieferung
Ferner stellt sich die Frage, ob bzw. wie Zustellungen ablaufen. Fahren die Frachtführer an den „Ruhetagen“ aus oder nicht? Dies ist wichtig für eine korrekte Lieferzeitenangabe, da bei Nichtzustellung an diesen Tagen die Lieferung mal eben 4 Tage länger beanspruchen wird.
Derzeit ist davon auszugehen, dass zumindest einige Frachtführer an den „Ruhetagen“ eher nicht zustellen werden. Die Informationslage ist uneinheitlich. Wohl auch deswegen, weil die Akteure in der Frachtbranche selbst noch gar nicht wissen, was da konkret auf sie zukommt.
So informiert etwa DHL derzeit unter https://www.dhl.de/coronavirus :
„In Folge des Corona Gipfels von Bund und Ländern am 22. März liegen uns noch keine verbindlichen Aussagen vor, inwiefern auch für unseren Betrieb und insbesondere die Abholung, Sortierung und Zustellung von Briefen und Paketen eine "Betriebsruhe" am 1. und 3. April 2021 gelten wird.
Wir arbeiten mit den zuständigen Behörden mit Hochdruck an einer Klärung der für Deutsche Post und DHL geltenden Vorgaben und rechnen mit einer verbindlichen Information bis spätestens Ende dieser Woche.
Wir informieren Sie hierzu schnellstmöglich über das DHL Geschäftskundenportal.“
Mängelquote auf Plattformen
Darauf basierend droht Händlern, die auf Plattformen wie Amazon oder eBay handeln Ungemach in der Form von „Mängeln“ wegen nicht pünktlich gelieferter Bestellungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Plattformen zum einen die neuen „Ruhetage“ in deren Systeme so rechtzeitig einspielen, dass Kunden entsprechend korrigierte Lieferzeitenangaben erhalten.
Ferner bleibt zu hoffen, dass die Plattformbetreiber kulant sein werden, was eigentlich angedachte aber dann ausgefallene Auslieferungen betrifft und in ihren System diese Problematik abbilden. Denn wenn die Händler jeden „Mangel“ wegen an Ostern 2021 zu spät ausgelieferter Bestellungen manuell bekämpfen müssen, wäre dies ein erheblicher Mehraufwand.
Auswirkungen auf Fristen
Aber auch längst vor Ostern 2021 abgewickelte Geschäfte könnten von der „Ruhetagsregelung“ betroffen sein. Hier ergeben sich insbesondere im Bereich der Widerrufsfrist Auswirkungen.
Der Händler kennt typischerweise Widerrufsfristen von 14 Tagen, 30 Tagen oder einem Monat. Doch in der Praxis ist der tatsächlich dem Verbraucher zustehende Zeitraum für die wirksame Ausübung seines Widerrufsrechts dann länger.
Denn: Fällt der letzte Tag der (regulären) Widerrufsfrist auf einen Samstag, Sonntag, bundeseinheitlichen (oder auch nur beim Verbraucher maßgeblichen regionalen) Feiertag, dann verschiebt sich das Ende der Frist nach hinten, bis zum nächsten Werktag.
Gesetzliche Grundlage für die Berechnung des maßgeblichen Fristendes ist der § 193 BGB:
„§ 193 Sonn- und Feiertag; Sonnabend
Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.“
Die Vorschrift liest sich etwas sperrig. Einzige Folge ist aber letztlich nur die Verschiebung des Endes der Widerrufsfrist nach hinten, wenn ein bestimmter Fall vorliegt. 14 Tage sind also längst nicht immer 14 Tage Widerrufsfrist in der Praxis, sondern durchaus an besonderen Feiertagslagen wie Ostern oder Weihnachten auch mal ein paar Tage länger. Entsprechendes gilt natürlich dann auch bei längeren eingeräumten Widerrufsfristen wie 30 Tage oder ein Monat.
Beispiel: Wäre (an einem „normalen“ Ostern) der letzte Tag der Widerrufsfrist der Karfreitag, verschiebt sich das Fristende wegen § 193 BGB auf den Ablauf des Dienstags nach Ostern (da Karfreitag und Ostermontag gesetzliche Feiertage sind).
Doch dieses Ostern wird es tatsächlich kompliziert. Je nachdem, wie die „Ruhetage“ letztlich rechtlich einzuordnen sind…
Beispielvarianten: Ostern 2021 und die „Ruhetage“ zählen nicht als Feiertage:
- Fällt der letzte Tag der Widerrufsfrist auf den Karfreitag, verbleibt es beim obigen Fall. Die Widerrufsfrist endet dann mit Ablauf des Dienstags nach Ostern.
- Fällt der letzte Tag der Widerrufsfrist auf den Gründonnerstag, passiert gar nichts. Die Widerrufsfrist endet mit Ablauf des Donnerstags (da kein Feiertag, Samstag oder Sonntag).
Beispielvarianten: Ostern 2021 und die „Ruhetage“ zählen als Feiertage:
Fällt der letzte Tag der Widerrufsfrist auf den Karfreitag, verbleibt es beim obigen Fall. Die Widerrufsfrist endet dann mit Ablauf des Dienstags nach Ostern.
Fällt der letzte Tag der Widerrufsfrist dagegen auf den Gründonnerstag, verschiebt sich das Fristende um ganze 5 Tage auf den Dienstag nach Ostern.
Es kommt also ganz darauf an, ob die „Ruhetage“ rechtlich wie Feiertage zu werten sein werden. Hierfür muss dringend der rechtliche Rahmen und Klarheit geschaffen werden!
Fazit
Wenn in einem solch durchbürokratisierten Land wie Deutschland spontane Maßnahmen getroffen werden, dann müssen diese auch handwerklich gut getroffen werden. Bloße Absichtserklärungen ohne konkreten rechtlichen Rahmen führen zu massiven Umsetzungsproblemen.
Die derzeitige Lösung ist grob unbefriedigend, weil keiner der Akteure weiß, welcher rechtliche Rahmen greift und die Sache umsetzen ist.
Aktuell beraten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten aber bereits schon wieder zu diesem Thema, da ihnen heftige Kritik ins Gesicht bläst. Bleibt zu hoffen, dass die Beschlüsse dahingehend gekippt werden oder zumindest ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen wird.
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