Neues Produkthaftungsrecht ab Dezember 2026: FAQ für Händler

Auf EU-Ebene wird das Produkthaftungsrecht reformiert und weitet Verantwortlichkeiten für Fehler sowohl auf neue Produkte als auch auf diverse Marktakteure aus. Die wichtigsten Fragen für Händler beantworten wir in diesen FAQ.
Inhaltsverzeichnis
- Neues Produkthaftungsrecht: Zweck, Entstehung und Fristen
- Was bedeutet Produkthaftung?
- Wieso wird das Produkthaftungsrecht geändert?
- Wann tritt das neue Produkthaftungsrecht in Kraft
- Wie erfolgt die Umsetzung in Deutschland?
- Gibt es einen Übergangszeitraum?
- Anspruchsberechtigte und Anspruchsgegner der Produkthaftung
- Wem gesteht das Produkthaftungsrecht Ansprüche gegen wen zu?
- Gilt die Produkthaftung auch im B2B-Bereich?
- Wer ist Anspruchsgegner, wenn der Produkthersteller außerhalb der EU ansässig ist?
- Wer ist bei Produkten mit digitalen oder physischen Komponenten verantwortlich?
- Wer ist bei wiederaufbereiteten Produkten verantwortlich?
- Können Händler nach dem neuen Produkthaftungsrecht verantwortlich sein?
- Können die Haftungspflichten (etwa in AGB) ausgeschlossen oder erleichtert werden?
- Erfasste Schäden, Produkte und Produktfehler
- Welche Schäden berechtigen künftig zum Schadensersatz nach Produkthaftungsrecht?
- Welche Produkte unterliegen der Produkthaftung?
- Gilt die Produkthaftung fortan für Cloud-Software?
- Sind KI-Lösungen erfasst?
- Gilt die Produkthaftung auch für Arzneimitteln?
- Welche Produktfehler werden erfasst?
- Wann ist eine Haftung für Produktfehler ausgeschlossen?
- Beweislast, Verjährung und Haftungshöchstgrenzen
- Wer trägt die Beweislast für die Produkthaftung?
- Gibt es eine Vermutungsregel für Produktfehler?
- Wann verjähren Produkthaftungsansprüche künftig?
- Gibt es weiterhin eine Haftungshöchstgrenze?
Neues Produkthaftungsrecht: Zweck, Entstehung und Fristen
Was bedeutet Produkthaftung?
Die Produkthaftung ist ein Konzept, nach welchem Hersteller von Produkten unabhängig von einem Verschulden für Schäden einzustehen haben, die durch Fehler der Produkte an Rechtsgütern von Konsumenten (Eigentum, Gesundheit etc.) verursacht werden.
Die Produkthaftung erlaubt bei Schäden aufgrund von Produktfehlern also ein direktes Vorgehen gegen den Produkthersteller, um ihn auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Wieso wird das Produkthaftungsrecht geändert?
Mit einem neuen Rechtsrahmen für das Produkthaftungsrecht will die Europäische Union das Haftungsregime für Produktfehler modernisieren und unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Technik und Digitalisierung nicht nur an geänderte Produktkonzeptionen, sondern auch an neue Marktstrukturen anpassen.
Da die bisherigen Harmonisierungsvorschriften noch aus dem Jahr 1985 stammten, wurden sie für nicht mehr zeitgemäß erachtet. Immerhin ließen sie auf EU-Ebene Haftungsfragen insbesondere bei Versagen von digitalen Produkten und Komponenten ebenso unbeantwortet wie Probleme bei der Verantwortlichkeitsbestimmung im Zuge der Globalisierung.
Um den gegenwärtigen Strukturen zu begegnen, wurde am 23.10.2024 die EU-Produkthaftungsrichtlinie 2024/2853 verabschiedet.
Wann tritt das neue Produkthaftungsrecht in Kraft
Die EU-Produkthaftungsrichtlinie sieht vor, dass alle EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinienbestimmungen bis zum 09.12.2026 in nationales Recht umsetzen und ab diesem Zeitpunkt zur Anwendung bringen.
Ab dem 09.12.2026 gilt also EU-weit ein neues Produkthaftungsrecht.
Wie erfolgt die Umsetzung in Deutschland?
In Deutschland soll das aktuelle Produkthaftungsgesetz von 1989 vollständig aufgehoben und durch ein neu gefasstes Produkthaftungsgesetz ersetzt werden.
Das Bundesjustizministerium hat jüngst einen Referentenentwurf veröffentlicht, der die Vorgaben der EU-Produkthaftungsrichtlinie deckungsgleich umsetzt, zuerst konsolidiert werden und schließlich in den Bundestag eingebracht werden soll.
Gibt es einen Übergangszeitraum?
Das neue Produkthaftungsrecht gilt für alle erfassten Produkte, die ab dem 09.12.2026 in Verkehr gebracht werden.
Für Produkte, die noch vor dem 09.12.2026 in Verkehr gebracht werden, gilt das neue Produkthaftungsrecht nicht und es findet das vorherige nationale Produkthaftungsrecht vollständig Anwendung.
In Deutschland wird die Produkthaftung für alle Produkte, die bis einschließlich zum 08.12.2025 in Verkehr gebracht werden, auch weiterhin nach dem Produkthaftungsgesetz von 1989 beurteilt werden.
Anspruchsberechtigte und Anspruchsgegner der Produkthaftung
Wem gesteht das Produkthaftungsrecht Ansprüche gegen wen zu?
Grundsätzlich greift das Produkthaftungsrecht bei bestimmten Schäden durch bestimmte Produkte aus Produktfehlern ein, die eine natürliche Person erleidet.
Diesen natürlichen Personen stehen Schadensersatzansprüche zu.
Anspruchsgegner ist grundsätzlich der Produkthersteller.
Hersteller ist nach § 3 des ProdHaftG-Entwurfs, wer
- seinen Sitz in der EU hat und
- ein Produkt selbst entwickelt oder herstellt oder es entwerfen oder herstellen lässt.
Als Hersteller gilt auch, wer
- in der EU ansässig ist und
- durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen Erkennungszeichens auf dem Produkt als Hersteller auftritt.
Gilt die Produkthaftung auch im B2B-Bereich?
Jein.
Anspruchsberechtigte nach dem neuen Produkthaftungsrecht können nur natürliche Personen, also einzelne Menschen sein.
Juristische Personen, also insbesondere Kapital- und Personengesellschaften (GmbHs, KGs, OHGs, GbRs etc.) können sich auf die Produkthaftung nicht berufen.
Ferner sind bestimmte unternehmerische Schäden nach § 1 des ProdHaftG-Entwurfs aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert, nämlich
- Schäden an Sachen, die ausschließlich für berufliche Zwecke verwendet werden
- Schäden an Daten, die (auch) für berufliche Zwecke verwendet werden
Einzelunternehmer, die aufgrund eines Produktfehlers entweder Körper- oder Gesundheitsschäden, Schäden an nicht ausschließlich beruflich verwendeten Sachen oder Schäden an privaten Daten erleiden, können sich demgemäß auf die Produkthaftung berufen.
Wer ist Anspruchsgegner, wenn der Produkthersteller außerhalb der EU ansässig ist?
Für diesen Fall trifft das neue Produkthaftungsrecht in den § 10 ff. des ProdhaftG-Entwurfs dezidierte Regeln, um auf die zunehmend globalisierte Wirtschaftslage zu reagieren und geänderte Handelsketten zu berücksichtigen.
Sitzt der eigentliche Produkthersteller im EU-Ausland und ist daher für den Anspruchsberechtigten nicht direkt greifbar, haften gemäß § 10 des ProdHaftG-Entwurfs vorrangig
- der Importeur, der das Produkt aus einem Drittstaat importiert und in der EU in Verkehr (also auf dem Markt bereitgestellt hat) und
- ein vom Hersteller schriftlich beauftragter EU-Verantwortlicher, sofern vorhanden
Fehlt es an einem Importeur oder einem EU-Verantwortlichen, werden nach § 11 des ProdhaftG-Entwurfs als sekundäre Adressaten Fulfillment-Dienstleister zum Haftungssubjekt.
Als Fulfillment-Dienstleister gilt, wer im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens
zwei der vier Dienstleistungen „Lagerhaltung“, „Verpackung“, „Adressierung“ und „Versand“ bezüglich eines Produkts anbietet, das nicht in seinem Eigentum steht.
Postdienste und Paketzustelldienste gelten allerdings nicht als Fulfillment-Dienstleister
Kann kein europäischer Hersteller, Importeur, EU-Verantwortlicher oder Fulfillment-Dienstleister ermittelt werden, haftet schließlich nach § 13 des ProdHaftG-Entwurfs der Produktlieferant, der das Produkt anbietet, wie ein Hersteller.
Dies gilt allerdings nur, wenn er vom Anspruchsteller aufgefordert wird, einen produktnäheren Marktakteur zu benennen, und dieser Aufforderung nicht binnen einen Monats nach ihrem Zugang nachkommt.
Ebenso haften Online-Plattformen bei fehlender Benennung eines produktnäheren Marktakteurs innerhalb eines Monats nach Aufforderung, wenn sie aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers den Eindruck erwecken, dass Sie das Produkt selbst bereitstellen.
Wer ist bei Produkten mit digitalen oder physischen Komponenten verantwortlich?
Eine besondere Neuregelung wird in Bezug auf die Haftung für Produkte eingeführt, die mit externen Komponenten (sowohl körperlich als auch digital) verbunden sind.
Verursacht eine fehlerhafte Komponente, die mit Einverständnis des Herstellers in das Produkt integriert oder damit verbunden wurde, einen Produktfehler, so haften nach § 4 des ProdHaftG-Entwurfs sowohl der Produkthersteller als auch der Komponentenhersteller gesamtschuldnerisch.
In einem autonomen Fahrzeug ist das Navigationssystem eines anderen Herstellers verbaut. Erleidet das Fahrzeug aufgrund eines Fehlers im Navigationssystem einen Unfall und kommt hierbei ein Mensch zu Schaden, haften dafür sowohl der Fahrzeug- als auch der Hersteller des Navigationssystems gemeinsam.
Eine Haftung des Komponentenherstellers für Schäden am verbundenen Produkt besteht aber nicht.
Ferner haftet der Komponentenhersteller gemäß § 9 Abs. 3 des ProdhaftG-Entwurfs nicht, wenn der Fehler auf die Gestaltung des Produkts oder auf eine Anweisung zurückzuführen ist, die der Produkthersteller dem Komponentenhersteller gegeben hat.
Wer ist bei wiederaufbereiteten Produkten verantwortlich?
Eine weitere wesentliche Neuregelung enthält das reformierte Produkthaftungsrecht auf dem Gebiet des „Upcycling“.
Nach § 5 des ProdHaftG-Entwurfs gilt als haftungspflichtiger Hersteller, wer ein Produkt nach dessen Inverkehrbringen ohne Einverständnis des ursprünglichen Herstellers wesentlich verändert und es anschließend auf den Markt entlässt.
Eine wesentliche Veränderung soll vorliegen, wenn
- die ursprüngliche Leistung, der ursprünglichen Zweck oder die ursprüngliche Art des Produkts verändert wird, ohne dass eine solche Änderung in der ursprünglichen Risikobewertung des Herstellers vorgesehen war, und
- sich die Art der produktspezifischen Gefahr verändert, eine neue Gefahr entsteht oder sich das Risikoniveau erhöht
Können Händler nach dem neuen Produkthaftungsrecht verantwortlich sein?
Ja, und zwar in diverser Hinsicht.
Händler mit Sitz in der EU, die Produkte selbst fertigen und anbieten, gelten per gesetzlicher Definition in soweit als haftungspflichtige Hersteller.
Aber auch bloße Vertreiber von Waren können zum Haftungssubjekt der Produkthaftung werden.
Dies ist der Fall, wenn sie
- ein Produkt aus einem Drittland importieren und erstmalig auf den EU-Markt entlassen
- sich für ein Produkt, etwa im Rahmen der Produktsicherheitskennzeichnung, selbst als Hersteller ausweisen (durch Anbringen des eigenen Namens oder eigener Kennzeichen auf dem Produkt)
- ein Produkt verkaufen und aufgefordert werden, einen produktnäheren Marktakteur in der EU (etwa einen Importeur oder den eigenen EU-Lieferanten) zu benennen und dieser Aufforderung nicht innerhalb eines Monats nachkommen
- ein in Verkehr gebrachtes Produkt ohne Einverständnis des Herstellers wesentlich verändern und wieder auf dem Markt bereitstellen
Können die Haftungspflichten (etwa in AGB) ausgeschlossen oder erleichtert werden?
Nein.
Wie bisher auch, kann nach § 18 des ProdHaftG-Entwurfs von den Ersatzpflichten nach Produkthaftungsrecht nicht zum Nachteil von geschädigten Personen oder ihren Rechtsnachfolgern abgewichen werden.
Erfasste Schäden, Produkte und Produktfehler
Welche Schäden berechtigen künftig zum Schadensersatz nach Produkthaftungsrecht?
Wie auch bisher greift das Produkthaftungsrecht ein und gesteht Geschädigten Ersatzansprüche gegen den Hersteller zu, wenn sie durch einen Produktfehler einen Schaden an Rechtsgütern erleiden.
Bisher wurden nur Verletzungen an Körper und Gesundheit (inklusive dem Tod) und an anderen Sachen erfasst.
Das neue Produkthaftungsrecht erweitert in § 1 ProdHaftG-Entwurf den Katalog der ersatzfähigen Schäden und gestaltet ihn differenzierter aus.
Fortan ersatzfähig sind ersatzfähig:
- Körper- und Gesundheitsverletzungen inkl. Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit sowie Todesfälle
- Beschädigungen oder Zerstörungen einer anderen Sache als dem fehlerhaften Produkt selbst mit Ausnahme von Sachen, die für berufliche Zwecke verwendet werden
- Vernichtungen oder Beschädigungen von Daten, die nicht für berufliche Zwecke verwendet werden
Die Vernichtung und Beschädigung von Daten wird bei „smarten“ Produkten mit digitalen Komponenten relevant, die Anwenderinformationen für bestimmte Funktionen speichern und verarbeiten.
Erfasst werden sowohl personenbezogene als auch nicht personenbezogene Daten.
Welche Produkte unterliegen der Produkthaftung?
Im Vergleich zum aktuellen Produkthaftungsrecht, das nur physische Gegenstände erfasst, wird der sachliche Anwendungsbereich der Produkthaftung durch § 2 des ProdHaftG-Entwurfs deutlich ausgedehnt und erfasst fortan
- alle beweglichen Sachen, einschließlich Rohstoffen (etwa Gas und Wasser)
- Elektrizität
- Software mit Ausnahme freier und Open-Source-Software, die außerhalb einer Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird
- Digitale Konstruktionsunterlagen, die die automatische Steuerung von Maschinen oder Werkzeugen ermöglichen (etwa 3D-Druckdateien („CAD-Dateien“)
Künftig wird auch Software der Produkthaftung unterliegen, und zwar unabhängig
- von der Art ihrer Bereitstellung und Nutzung
- von ihrer Verbindung mit körperlichen Gegenständen und
- dem Ort ihrer Speicherung (lokal auf dem Gerät oder in der Cloud)
Insbesondere erfasst werden vom Software-Begriff
- Betriebssysteme
- Firmware
- Computerprogramme
- Anwendungen und
- KI-Systeme
Keiner Produkthaftung unterliegt freie und Open-Source-Software, die nicht geschäftsmäßig entwickelt und bereitgestellt wird.
Kennzeichnend dafür soll sein, dass der Quellcode offen geteilt wird und die
Nutzer frei auf die Software zugreifen und sie frei nutzen, verändern und weitergeben können, auch in veränderter Form.
Unerheblich für die „Produkteigenschaft“ soll sein, ob ein erfasstes Produkt in ein anderes Produkt oder in eine unbewegliche Sache (etwa ein Gebäude) integriert oder damit verbunden ist.
Gilt die Produkthaftung fortan für Cloud-Software?
Ja.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des ProdHaftG-Entwurfs wird Software unabhängig davon erfasst, wie sie bereitgestellt oder wo sie gespeichert wird.
Auch Cloud-Software wird damit zum Produkthaftungsobjekt.
Ausgenommen sind allerdings nicht kommerzielle Open-Source-Software-Lösungen.
Sind KI-Lösungen erfasst?
Ja, auch KI-Lösungen gelten künftig als von § 2 Abs. 1 Nr. 3 des ProdHaftG-Entwurfs erfasste Software.
Gilt die Produkthaftung auch für Arzneimitteln?
Nein. Für Schäden aufgrund fehlerhafter Arzneimittel gilt das Arzneimittelgesetz (AMG) wie bisher bereits auch als Spezialgesetz, S. § 21 des ProdHaftG-Entwurfs.
Welche Produktfehler werden erfasst?
Nur bei (den abschließend aufgeführten, s.o.) Schäden, die aufgrund eines Produktfehlers eintreten, entstehen Ansprüche nach dem Produkthaftungsrecht.
Anders als das bisherige Produkthaftungsrecht, das auf einen Produktfehler dann erkennt, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die insbesondere aufgrund seiner Darbietung, dem vorhergesehenen Gebrauch und dem Zeitpunkt des Invekehrbringens erwartet werden kann, erklärt das neue Produkthaftungsrecht weitergehende Kriterien für maßgeblich.
Fortan soll nach § 7 des ProdHaftG-Entwurfs ein Produktfehler anzunehmen sein, wenn ein Produkt nicht die Sicherheit bietet, die nach deutschem oder EU-Recht vorgeschrieben ist oder erwartet werden kann.
Zu berücksichtigen sollen dabei insbesondere folgende Umstände sein:
- die Aufmachung und Merkmale des Produkts (Kennzeichnung, Design, Zusammensetzung, technische Parameter, Verpackung, Montage-, Installations- und Gebrauchsanleitungen)
- der vernünftigerweise vorhersehbare Gebrauch
- Auswirkungen auf das Produkt durch endogene Fähigkeiten, nach Inbetriebnahme weiter zu lernen oder neue Funktionen zu erwerben
- vernünftigerweise vorhersehbare Auswirkungen anderer Produkte auf das Produkt
- Produktsicherheitsanforderungen inkl. der Anforderungen an die Cybersicherheit
- Produktrückrufe
- spezifische Bedürfnisse der bestimmungsgemäßen Nutzergruppe
- bei Produkten zur Schadensverhinderung die Nichterfüllung dieses Zwecks
Beurteilungszeitpunkt für die Fehlerhaftigkeit soll nach § 8 des ProfhaftG-Entwurfs grundsätzlich derjenige des Inverkehrbringens oder der Inbetriebnahme sein.
Stellt der Hersteller aber technische Hilfestellungen (Integration, Verbindung oder Bereitstellung mit einer Komponente) oder Software-Updates oder Upgrades bereit, so ist stattdessen der Zeitpunkt maßgeblich, in dem das Produkt seine Kontrolle verlässt.
Wann ist eine Haftung für Produktfehler ausgeschlossen?
Derzeit ergeben sich die maßgeblichen Konstellationen, in denen ein Hersteller für Produktfehler nicht haftet, aus § 1 Abs. 2 ProdHaftG.
Dieser Katalog wird durch den neuen § 9 des ProdhaftG-Entwurfs erweitert und ausdifferenziert.
Fortan wird eine Ersatzpflicht des Herstellers (bzw. der sekundären Haftungssubjekte) ausgeschlossen, wenn
- er das Produkt nicht in Umlauf gebracht oder in Betrieb genommen hat
- der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt rechtlichen Anforderungen entspricht (Fehler aufgrund von Compliance) oder
- der Fehler nach dem objektiven Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte
Ferner scheidet eine Haftung aus, wenn das Produkt den Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht aufwies.
Hiervon abweichend gilt bei herstellerseitiger technischer Hilfestellung (Verbindung oder Integration einer Komponente) oder Software-Updates und -Upgrades, dass eine Haftung nicht ausgeschlossen ist, wenn der Fehler auf
- eine verbundene Komponente
- Software, einschließlich Updates und Upgrades
- das Fehlen von Updates oder Upgrades oder
- eine wesentliche Produktänderung
zurückzuführen ist.
Beweislast, Verjährung und Haftungshöchstgrenzen
Wer trägt die Beweislast für die Produkthaftung?
Das neue Produkthaftungsrecht führt für Geschädigte bedeutende Beweiserleichterungen ein.
Das Vorliegen eines regulierbaren Schadens muss zwar der Geschädigte nachweisen.
Erleichtert wird aber der Nachweis eines Produktfehlers.
So ist künftig anerkannt, dass Geschädigte selbst oftmals keine hinreichenden Anhaltspunkte zum Herstellungsprozess und zu den Funktionsabläufen eines Produkts haben (können), um dessen Fehlerhaftigkeit darzulegen.
Daher kann künftig das angerufene Gericht, bei dem eine produkthaftungsrechtliche bei hinreichender Plausibilität einer Begründetheit des Haftungsanspruchs den Hersteller zur Offenlegung von Beweismitteln (internen Unterlagen) verpflichten.
So soll dann das Vorliegen eines Produktfehlers nachvollziehbar beurteilt werden können.
Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen können solche angeforderten Unterlagen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft und von der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Gibt es eine Vermutungsregel für Produktfehler?
Ja, es wird mit § 20 des ProdHaftG-Entwurfs eine neue Vermutungsregel für Produktfehler zugunsten von Geschädigten eingeführt.
Künftig wird das Vorliegen eines Produktfehlers vermutet, wenn
- der Beklagte im Prozess entgegen einer gerichtlichen Anordnung relevante Beweismittel nicht offenlegt
- nachgewiesen wird, dass das Produkt verbindlichen Anforderungen des deutschen oder EU-Rechts, die spezifisch vor dem eingetretenen Risiko schützen sollen, nicht entspricht oder
- nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine offensichtliche Funktionsstörung verursacht wurde
Wann verjähren Produkthaftungsansprüche künftig?
Ansprüche aus Produkthaftung verjähren wie auch bisher nach § 16 des ProdHaftG-Entwurfs in 3 Jahren ab dem Tag, an dem der Anspruchsteller vom Produktfehler, dem Schaden und der Identität des Anspruchsgegners Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.
Wie auch bisher erlöschen Produkthaftungsansprüche aber weiterhin nach 10 Jahren ab den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts, s. § 17 Abs. 1 des ProdHaftG-Entwurfs. Abgewendet wird das Erlöschen durch eine Verfahrenseinleitung.
Neu ist, dass sich diese Frist auf 25 Jahre verlängert, wenn der Anspruchsteller aufgrund der Latenzzeit einer Körper- oder Gesundheitsverletzung nicht innerhalb von 10 Jahren nach Inverkehrbringen in der Lage war, ein Verfahren einzuleiten. Betroffen sind Fälle, in denen körperliche Folgen eines Produktfehlers erst mit erheblicher Verzögerung eintreten.
Gibt es weiterhin eine Haftungshöchstgrenze?
Nein, der bisherige Haftungshöchstbetrag von 85 Millionen Euro gemäß § 10 Abs. 1 ProdHaftG wird vollständig aufgehoben und durch eine betragsmäßig unbegrenzte Haftung ersetzt.
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