TikTok & Instagram: Was tun mit den "SoundGuardian-Abmahnungen"?
In letzter Zeit haben die Schreiben der SoundGuardian GmbH bei Instagram- und Tiktok-Nutzer für Unruhe gesorgt – wegen horrender Forderungen wegen unerlaubter Musiknutzung. Was hat es damit auf sich?
Die Nutzung populärer Musik in Videos auf Plattformen wie TikTok und Instagram ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Social-Media-Kultur. Doch die scheinbare Einfachheit, mit der Nutzer auf die Musikbibliotheken der Plattformen zugreifen können, birgt eine tückische rechtliche Gefahr, die in den letzten Monaten immer häufiger durch "Abmahnungen" der SoundGuardian GmbH in den Fokus gerückt ist. Betroffen sind nicht nur große Influencer, sondern v.a. kleinere Gewerbetreibende und teils sogar Privatpersonen.
Dieser Beitrag beleuchtet das Phänomen dieser Abmahnungen, ordnet die rechtliche Situation ein und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Social-Media-Nutzer.
Das Phänomen der SoundGuardian-Forderungsschreiben
Wie erwähnt bekommen derzeit zahlreiche TikTok- oder Instagram-Nutzer Post von der SoundGuardian GmbH wegen angeblicher Urheberrechtsverstöße durch Verwendung von Musik. Aber um was geht's da genau?
1. Abgrenzung: Warum es keine klassische Abmahnung ist
Obwohl die Schreiben der SoundGuardian GmbH eine ernste rechtliche Auseinandersetzung initiieren, handelt es sich formaljuristisch in vielen Fällen nicht um eine klassische Abmahnung im Sinne des Urheberrechts (§ 97 a UrhG) .Eine klassische Abmahnung verfolgt primär das Ziel, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, indem sie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fordert. Die SoundGuardian-Schreiben hingegen sind oft als "Berechtigungsanfrage" oder "Forderung zur Nachlizenzierung" überschrieben. Sie fokussieren sich primär auf die finanziellen Ansprüche – also den Schadensersatz (die Nachlizenzierung) und die Erstattung der Anwaltskosten für die Verfolgung der bereits begangenen Verletzung. Eine Unterlassungserklärung wird, wenn überhaupt, nur nachrangig oder gar nicht gefordert, da die Wiederholungsgefahr durch das schnelle Löschen der Videos oft hinfällig wird. Dennoch üben diese Aufforderungsschreiben erheblichen Druck aus und stellen eine außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dar.
2. Hintergrund der aktuellen Forderungswelle
Die SoundGuardian GmbH tritt als Rechteagentur auf, die von verschiedenen Rechteinhabern (z.B. Musiklabels wie Kontor Records) beauftragt wird, Urheberrechtsverletzungen an spezifischen Musikstücken zu verfolgen. Zu den oft genannten Titeln gehören Songs von Künstlern wie Scooter ("Fire") oder WITH U. Die Schreiben zielen auf Nutzer ab, die diese Musik in ihren Videos (Reels, Stories, TikTok-Clips) verwendet und die Clips öffentlich zugänglich gemacht haben. Im Kern wird der Vorwurf der unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Tonaufnahmen erhoben.
3. Der Kern des Problems: Gewerbliche versus private Nutzung
Die zentrale Falle liegt in der Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Nutzung:
- Plattformlizenzen: Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram haben zwar Verträge mit Verwertungsgesellschaften (wie der GEMA) und Rechteinhabern geschlossen, um ihren Nutzern die private Nutzung der Musikbibliotheken zu ermöglichen.
- Gewerbliche Nutzung: Diese Lizenzen decken jedoch in der Regel nicht die kommerzielle oder gewerbliche Nutzung ab. Ein Account gilt als gewerblich, wenn er zur Bewerbung von Produkten, Dienstleistungen, dem eigenen Unternehmen oder zum Erzielen von Einnahmen (z.B. durch Affiliate-Links, Kooperationen) dient.
SoundGuardian geht gezielt gegen diese vermeintlich gewerblichen Nutzungen vor, da hierfür eine Lizenz (für die Verbindung von Musik und Bildmaterial) beim Rechteinhaber der Tonaufnahme erforderlich wäre. Entwarnung also für alle rein! privaten Nutzer.
Rechtliche Bewertung der Forderungen
Die Urheberrechtswidrigkeit der unlizenzierten Musiknutzung in Social-Media-Videos ergibt sich aus dem deutschen Urheberrechtsgesetz (UrhG), das zwei voneinander unabhängige Rechte schützt:
1. Das Urheberrecht am Werk (§ 2 UrhG)
Dies ist das Recht des Komponisten und des Textdichters (Urheber) an ihrer Schöpfung, dem Musikwerk selbst. Die Nutzung dieses Werkes unterliegt insbesondere dem:
- Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) : Schon das Kopieren des Musikstücks in das eigene Video ist eine Vervielfältigung.
- Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) : Dies ist der häufigste Verstoß auf Social Media. Das Hochladen des Videos mit Musik in die Timeline, die Stories oder Reels bewirkt, dass der Inhalt der Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl zugänglich gemacht wird. Dies ist eine dem Urheber exklusiv vorbehaltene Handlung, die ohne Erlaubnis (Lizenz) nicht zulässig ist.
2. Das Leistungsschutzrecht der Tonträgerhersteller
Die SoundGuardian GmbH stützt ihre Ansprüche meistens auf dieses sogenannte Leistungsschutzrecht. Dieses Recht schützt nicht das Musikstück selbst, sondern die Tonaufnahme (Master-Recht). Der Tonträgerhersteller (z.B. das Plattenlabel), der die Aufnahme produziert hat, hat das ausschließliche Recht, die Tonaufnahme:
- zu vervielfältigen (Abs. 1 Nr. 1), und
- öffentlich zugänglich zu machen (Abs. 1 Nr. 2).
3. Aktivlegitimation der SoundGuardian GmbH
Die erste und wichtigste Frage ist, ob SoundGuardian überhaupt berechtigt ist, die Ansprüche geltend zu machen. Sie müssen nachweisen können, dass ihnen die exklusiven Nutzungsrechte (meistens die Rechte des Tonträgerherstellers) für die betroffene Tonaufnahme übertragen wurden und diese Rechte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen umfassen. In vielen Fällen ist die lückenlose Nachweisführung der Rechtekette nicht sofort ersichtlich.
4. Liegt eine Urheberrechtsverletzung vor?
Hier ist zu prüfen, ob die Nutzung tatsächlich gewerblich war. Die Gerichte legen den Begriff "gewerblich" oft weit aus. Ein reiner Firmen-Account ist schnell als gewerblich eingestuft. Bei sogenannten "Creator-Accounts" oder "Influencer-Accounts" kommt es auf die Umstände an: Gibt es Werbekennzeichnungen, werden Produkte gezeigt oder Dienstleistungen angeboten?
Zudem ist zu untersuchen, ob die Musik aus der Commercial Music Library (CM Library) von Instagram oder TikTok stammte. Wenn ein Business-Account diese offizielle, für gewerbliche Zwecke lizenzierte Bibliothek genutzt hat, könnte der Vorwurf der unerlaubten Nutzung entfallen. Allerdings sind die Lizenzen der CM Library wiederum nicht für alle Titel verfügbar (siehe unten).
5. Höhe der Forderungen (Schadensersatz)
Die geforderten Beträge (oft zwischen 1.000 und 15.000 EUR.) basieren in der Regel auf der sogenannten Lizenzanalogie. Dabei wird der Schaden als die hypothetische Lizenzgebühr berechnet, die der Nutzer hätte zahlen müssen, wenn er die Nutzung ordnungsgemäß angemeldet hätte.
Kritik an der Forderungshöhe: Die angesetzten Lizenzgebühren sind oft spekulativ und überhöht. Es fehlt häufig an einer transparenten Kalkulationsgrundlage, die nachweist, dass ein vernünftiger Lizenznehmer diesen Betrag tatsächlich gezahlt hätte. In Verhandlungen ließen sich diese Summen zum Teil deutlich reduzieren.
Handlungsempfehlungen und Tipps zur Musiknutzung auf Social Media
Wer ein solches Forderungsschreiben bekommt, ist zurecht erstmal erschlagen. Der Erhalt eines Schreibens von SoundGuardian sollte auch ernst genommen, aber ohne Panik behandelt werden.
1. Vorgehen bei Erhalt einer Forderung/Abmahnung:
- Ruhe bewahren und Fristen notieren: Reagieren Sie nicht unüberlegt und halten Sie die gesetzten Fristen strikt ein.
- Nichts unterschreiben oder zahlen: Leisten Sie keine vorschnelle Zahlung und nehmen Sie keinen direkten Kontakt zur SoundGuardian GmbH auf, da Aussagen gegen Sie verwendet werden könnten. Die Annahme des "Nachlizenzierungsangebots" über die Website kann als Schuldanerkenntnis gewertet werden.
- Video sichern und offline nehmen: Sichern Sie alle Beweise (Screenshots, URL, Datum) und nehmen Sie das beanstandete Video sofort offline (löschen oder auf "Privat" stellen), um die fortgesetzte Rechtsverletzung zu beenden.
- Anwaltliche Prüfung einholen: Lassen Sie das Schreiben von einem auf Rechtsanwalt prüfen. Nur dieser kann die Aktivlegitimation, die Verletzungslage und die Angemessenheit der Forderung professionell bewerten und eine modifizierte Reaktion (z.B. eine reduzierte Vergleichszahlung) verhandeln.
2. Tipps zur rechtssicheren Musiknutzung auf Social Media
Um künftige Abmahnungen zu vermeiden, ist eine klare Strategie bei der Musikauswahl unerlässlich:
- Commercial Music Library (CM Library): Für gewerblich genutzte Accounts (Business-Accounts, Creator-Accounts mit Werbekooperationen) muss die Musik ausschließlich aus der Commercial Music Library von TikTok oder Instagram stammen. Die Nutzung der "normalen" Musikbibliothek ist in der Regel nur für private Nutzer lizenziert. Achten Sie auf die Kennzeichnung in der App.
- GEMA-freie Musik / Lizenzierte Musik-Plattformen: Nutzen Sie Musik von Anbietern, die Lizenzen für die gewerbliche Social-Media-Nutzung anbieten (z.B. Epidemic Sound, Artlist, diverse Stock-Music-Anbieter). Diese Lizenzen müssen die Synchronisationsrechte explizit abdecken.
- Eigene Musik oder Public Domain: Verwenden Sie ausschließlich selbst komponierte oder aufgenommene Musik (Original Content) oder Musik, deren Schutzfrist abgelaufen ist (Public Domain).
- Vorsicht bei Cover-Versionen und Samples: Auch das Nachsingen ("Covern") oder die Verwendung kurzer Samples kann Urheberrechte (des Komponisten/Textdichters) oder Leistungsschutzrechte (des Original-Interpreten/Tonträgerherstellers) verletzen.
- Ausschließlich private Nutzung: Wer seinen Account garantiert nur privat (ohne jegliche Werbeabsicht, Produktplatzierung oder Einnahmeerzielung) nutzt, kann die regulären Musikbibliotheken verwenden. Bei der kleinsten gewerblichen Ambition sollte jedoch auf die CM Library oder lizenzfreie Musik umgestiegen werden.
Sie finden in diesem Beitrag alles rechtlich relevante zum Thema Musiknutzung auf Instagram.
Fazit: Musik schön und gut, aber....
Die "Abmahnwelle" der SoundGuardian GmbH zeigt: Wer auf TikTok oder Instagram Musik nutzt, ohne die Lizenzlage zu kennen, riskiert teure Forderungen. Plattformlizenzen decken nur private Nutzung ab – für gewerbliche oder werbliche Inhalte braucht es eigene Musikrechte. Besonders Creator, Selbstständige und Unternehmen sollten daher ausschließlich lizenzierte oder GEMA-freie Musik einsetzen. Klare Regel: Lieber vorab rechtssicher lizenzieren als nachträglich teuer nachlizenzieren.
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