LMIV: Wer ist bei historischen Weinen und Spirituosen als Verantwortlicher anzugeben?
Online-Händler müssen in Lebensmittelangeboten den verantwortlichen Unternehmer benennen. Was aber, wenn dieser - wie bei historischen Weinen und Spirituosen häufig - nicht mehr ausfindig gemacht werden kann?
LMIV-Verantwortlichkeiten und historische Weine und Spirituosen
Weine und Spirituosen historischer Jahrgänge erfreuen sich unter Kennern großer Beliebtheit, weil sie aufgrund ihrer langen Reifezeit als besonders vollmundig und aromatisch gelten.
Probleme bereitet Händlern aber die europäische Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), die mit den Art. 14 Abs. 1 lit. a und Art. 9 Abs. 1 lit. h unter anderem online auf der Produktdetailseite zur verpflichtenden Angabe von Name und Anschrift des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers zwingt.
Verantwortlich ist nach Art. 8 der LMIV der Lebensmittelunternehmer,
- unter dessen Handelsmarke oder Unternehmenskennzeichen das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird, oder,
- wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt.
Bei historischen Tropfen sind Hersteller und Importeur aber regelmäßig mangels Etikettierung auf den Flaschen nicht mehr nachvollziehbar, oder, falls doch, immerhin nicht mehr existent.
Wer ist also als Verantwortlicher anzugeben?
Ist der historische Abfüller mangels Etikettierung nicht bekannt oder existiert das abfüllende Unternehmen nicht mehr, müssen Händler für die Benennung eines Lebensmittelverantwortlichen auf einen anderen Marktakteur zurückgreifen.
Unter Berufung auf den historischen Charakter des Lebensmittels überhaupt keinen Verantwortlichen online zu benennen, ist gesetzeswidrig und wettbewerbsrechtlich abmahnbar!
Eine Selbstbenennung des Händlers wäre hier aber falsch. Nach Sinn und Zweck der Pflichtinformation ist derjenige Unternehmer zu benennen, der den größtmöglichen Informationsstand über das Lebensmittel aufweist und durch den unter seinem Namen organisierten Vertrieb die Lebensmittelsicherheit verantwortet.
Dies ist grundsätzlich nicht der Händler, der das Lebensmittel über eine Bezugsquelle einkauft und sodann lediglich als letztes Glied in der Handelskette an Endverbraucher verkauft.
Richtigerweise muss bei fehlender Identifizierbarkeit oder bei aufgegebener Existenz des Abfüllers eines historischen Weines oder Destillats im Online-Shop des Händlers als verantwortlicher Lebensmittelunternehmer mit Name und Anschrift benannt werden:
- der EU-Lieferant, sofern das Erzeugnis ursprünglich in der EU abgefüllt wurde oder
- der EU-Importeur, wenn es sich um ein Erzeugnis handelt, das in einem Drittland (Nicht-EU-Land) produziert wurde
Learning für Online-Händler
Auch historische Weine und Spirituosen unterliegen den Online-Informationspflichten der LMIV, die im E-Commerce auf Produktdetailseiten zur Benennung eines Lebensmittelverantwortlichen mit Name und Anschrift zwingen.
Kann für solche Tropen der Abfüller nicht mehr ermittelt werden oder hat den Betrieb mittlerweile eingestellt, muss der Händler bei einem EU-Erzeugnis als Verantwortlichen seinen EU-Lieferanten und bei einen Nicht-EU-Erzeugnis den EU-Importeur angeben.
Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei

2 Kommentare
Ob es sich bei einem Produkt um ein Lebensmittel handelt, ist anhand des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zu bewerten, auf den die LMIV verweist. Lebensmittel sind hiernach alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
Werden Jahrgangsweine oder historische Spirituosen verkauft, kommt es für die Lebensmitteleigenschaft entscheidend darauf an, ob das jeweilige Produkt originär zum Verzehr bestimmt war. Dass es aufgrund voranschreitenden Alters zunehmend ungenießbarer wird, kann die rechtliche Einordnung nicht abbedingen. Die Eignung zur Aufnahme besteht nämlich unabhängig vom konkreten Geschmack fort, zumal auch die angesprochenen Verkehrskreise schon allein aus der Betitelung des Produkts als „Wein“ oder „Spirituose“ eine Verzehrfertigkeit ableiten.
Eine Deklaration solcher Alkoholika als „Sammlerstücke“ vermag an der lebensmittelrechtlichen Einordnung damit ebenfalls nichts zu ändern. Die maßgebliche Zweckbestimmung der „Aufnahme durch Menschen“ kann nicht durch Aussagen des Händlers aufgehoben werden, sondern muss sich im Interesse der Rechtsklarheit allein nach dem allgemeinen Verkehrsverständnis und den diesem zugrundeliegenden Lebenssätzen und – erfahrungen richten.
Interessant wäre noch der Aspekt, inwiefern es rechtssicher ist entsprechende historische Weine & Spirituosen gar nicht als Lebensmittel anzubieten, sondern ausschließlich als Sammlerstück, das gar nicht für den Verzehr vorgesehen ist.
Insbesondere bei sehr alten Weinen oder Zwischenerzeugnissen und Aperitifs ist die Chance sehr groß, dass sie im eigentlichen Sinne nicht mehr für den Verzehr taugen bzw. nicht schmecken. Zudem werden aus meiner Erfahrung heraus oft Produkte wegen des Packagings und/oder zur Dekoration oder als repräsentatives Element rein mit einer Sammlerintention erworben, aber eben nicht zum Verzehr. Würde mich über eine Einschätzung dazu freuen...