Pflicht zur Grundpreisangabe? Set-Bestandteile unterscheiden sich durch verschiedene Farben
Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Pflicht zur Grundpreisangabe? Set-Bestandteile haben verschiedene Durchmesser und Materialstärken" veröffentlicht.
Nachdem das LG Koblenz Anfang des Jahres bereits einen Online-Händler, der Kabelrohre im Set anbot, zur Angabe von Grundpreisen verpflichtet hatte, springt das LG Nürnberg-Fürth nun auf denselben Zug auf. Das Gericht verpflichtete einen Shop-Betreiber, der online Ölfarben im Set veräußerte, ebenfalls zur Angabe von Grundpreisen. Im Folgenden erfahren Sie, ob die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth überzeugend ist.
Inhaltsverzeichnis
- A. Interessenverband vs. Bastelbedarf-Händler
- B. Rechtlicher Hintergrund: Preisangabenverordnung und die Angabe von Grundpreisen
- I. Grundsatz: Pflicht zur Angabe von Grundpreisen
- II. Ausnahme: Zusammengesetzes Angebot i. S. d. § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV
- C. Urteil des LG Nürnberg-Fürth: Grundpreisangabe auch bei Ölfarben
- D. Fazit: LG Nürnberg-Fürth bestätigt Rechtsauffassung des LG Koblenz
A. Interessenverband vs. Bastelbedarf-Händler
Ein Online-Händler veräußerte über die Verkaufsplattform eBay.de in einem Karton mehrere Ölfarben in Tuben, wobei die Farben farbliche Unterschiede aufwiesen, jede einzelne Tube jedoch zu demselben Preis angeboten wurde. Einen Preis je Volumeneinheit (Preis/Milliliter) hatte er dabei nicht angegeben.
Daraufhin erwirkte der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmer wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Angabe des Grundpreises nach der sogenannten Preisangabenverordnung (PAngV) eine einstweilige Verfügung. Hiergegen legte der Shop-Betreiber Widerspruch mit der Begründung ein, er habe seine Tuben in Sets verkauft und könne sich daher auf die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV berufen.
B. Rechtlicher Hintergrund: Preisangabenverordnung und die Angabe von Grundpreisen
Die PAngV regelt, wie Preise gegenüber Verbrauchern auszuzeichnen sind. Sie verpflichtet Online-Händler, Preise korrekt und vollständig wiederzugeben. Zweck der PAngV ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten, durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (so BGH, Urteil vom 03.07.2003, I ZR 211/01). Verhindert werden soll, dass der Verbraucher seine Preisvorstellungen anhand untereinander nicht vergleichbarer Preise gewinnen muss (vgl. BGHZ 108, 39, 40 f.).
I. Grundsatz: Pflicht zur Angabe von Grundpreisen
§ 2 Abs. 1 PAngV verpflichtet Online-Händler den sogenannten „Grundpreis“ anzugeben. Konkret regelt § 2 Abs. 1 PAngV, dass
- Unternehmer,
- die ihr Angebot an private Letztverbraucher richten
- und ihre Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbieten,
den Grundpreis angeben müssen. Der Grundpreis dient dem Vergleich von verschiedenen Produkten und ist immer der auf eine bestimmte Menge herunter gebrochene Preis, also €/100 g, €/l etc.
II. Ausnahme: Zusammengesetzes Angebot i. S. d. § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV
Eine Ausnahme zur Angabepflicht des Grundpreises stellt § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV dar. Nach dieser Vorschrift kann bei Kombinationen von Waren (Set, Bundles) die Pflicht zur Grundpreisangabe entfallen. Konkret befreit § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV „Waren, die verschiedenartige Erzeugnisse enthalten, die nicht miteinander vermischt oder vermengt sind“ von der Pflicht zur Grundpreisangabe. Die Kommentarliteratur (Ambs in: Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetzte 2017, § 9 PAngV Rn. 11) nennt als Beispiele für verschiedenartige Erzeugnisse
- Schokolade und Backwaren
- Zuckerwaren und Spirituosen und
- Wurst und Käse.
Der BGH führte als Beispiel für verschiedenartige Erzeugnisse, für die kein Grundpreis angegeben werden muss, in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 (Urteil vom 28.06.2012, I ZR 110/11) „Gebinde aus einer Flasche Wein und einer Käse- oder Schinkenspezialität“ an.
Entscheidend zur Abgrenzung verschieden- und gleichartiger Produkte dürfte dementsprechend sein, dass die Erzeugnisse in ihren „charakteristischen Merkmalen nicht übereinstimmen“ (Ambs in: Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetzte 2017, § 9 PAngV Rn. 11).
C. Urteil des LG Nürnberg-Fürth: Grundpreisangabe auch bei Ölfarben
Das LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.03.2017, 4 HK O 7319/16) stellte fest, dass der Online-Händler zur Angabe eines Grundpreises verpflichtet war.
Obwohl der Online-Händler seine Farben in Sets angeboten hatte, könne er sich auf die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV nicht berufen. Bei den von ihm vertriebenen Ölfarben handele es sich nicht um „verschiedenartige Erzeugnisse“ i. S. d. § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV. „Verschiedenartig“ bedeute, „dass die Erzeugnisse nicht in ihren charakteristischen Merkmalen übereinstimmen und sich dementsprechend in ihrer Anwendung, ihrer Funktion, ihren Wirkungen und/oder ihrem Geschmack nicht unerheblich unterscheiden.“
Verschiedenartig seien z. B.:
- „Schokolade und Weinbrand,
- Likör und ein Buch,
- Wein und Schinken sowie
- ein Getränk und Eiscreme.“
Nur bei solchen Produkten bestehe keine Pflicht zur Grundpreisangabe. Da sich die vom Online-Händler vertriebenen Farbtuben jedoch im Hinblick auf ihre Anwendung, Funktion und Wirkung nicht unterscheiden, seien sie gerade nicht verschiedenartig, sondern vielmehr gleichartig und von der Pflicht zur Grundpreisangabe demnach nicht befreit.
D. Fazit: LG Nürnberg-Fürth bestätigt Rechtsauffassung des LG Koblenz
Das LG Nürnberg-Fürth bestätigt damit die Auffassung des LG Koblenz (LG Koblenz, Urteil vom 31.01.2017 (1 HK O 93/16)); (Link auf Pflicht zur Grundpreisangabe bei Sets – Teil I), dass § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV als eng auszulegende Ausnahmevorschrift anzusehen ist, auf die sich Händler nur dann berufen können, wenn sich die Set-Artikel in
- ihrer Anwendung,
- ihrer Funktion,
- ihren Wirkungen und/oder
- ihrem Geschmack
und dementsprechend in ihren charakteristischen Merkmalen unterscheiden. Das LG Koblenz hatte bereits festgestellt, dass Unterschiede in messbaren Eigenschaften wie Volumen, Gewicht usw. nicht von der Pflicht zur Grundpreisangabe entbinden.
Nach dem Urteil des LG Nürnberg-Fürth fallen auch Produkte, die – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – lediglich „unwesentliche“ Unterschiede , wie eine unterschiedliche farbliche Pigmentierung aufweisen, nicht unter den Ausnahmebestand des § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV. Online-Händler sollten sich daher nur sehr zurückhaltend auf die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV berufen und im Zweifel den Grundpreis angeben.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
© midnightboheme - Fotolia.com
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
3 Kommentare