Exit-Optionen für B2B-Marketing- und Dienstleistungsverträge
B2B-Beratungs-, Marketing- und Dienstleistungsverträge sind schnell abgeschlossen. Einmal in einem Online-Meeting „Ja“ gesagt, ein Vertragsangebot per E-Mail bestätigt oder ein Dokument unterschrieben und schon landet eine hohe Rechnung im Postfach. Da drängt sich bei vielen die Frage auf, ob und wie man aus voreilig abgeschlossenen unliebsamen Verträgen mit Dienstleistern wieder rauskommt. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie Dienstleistungsverträgen ist dies ein Thema. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- 1) Pacta sunt servanda
- 2) Kein wirksamer Vertragsschluss
- (1) Keine Einigung auf die wesentlichen Vertragsinhalte
- (2) Keine wirksame Vertretung
- (3) Formunwirksamkeit
- (4) Beschränkte Geschäftsfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit
- (5) Andere Auslegung des Vertragsinhalts
- 3) Stornierung oder sonstige Beendigung eines Vertrags
- (1) Einvernehmliche Vertragsaufhebung
- (2) Anfechtung der eigenen Vertragserklärung
- (3) Verbraucher-Widerrufsrecht
- (4) Vertragliches Widerrufsrecht
- (5) Gesetzliches oder vertragliches Rücktrittsrecht
- (6) Recht zur außerordentlichen Kündigung
- (7) Ordentliches Kündigungsrecht
- (8) Angebot auf Vertragsaufhebung
- 4) Das Wichtigste in Kürze
1) Pacta sunt servanda
Die lateinische Formulierung pacta sunt servanda drückt aus, dass Verträge - wenn einmal geschlossen - grundsätzlich auch einzuhalten sind. Während Verbraucher aus B2C-Verträgen alleine schon wegen des Verbraucher-Widerrufsrechts unter bestimmten Umständen aussteigen können, ist dies für Unternehmern im B2B-Bereich deutlich schwieriger, gerade bei Dauerschuldverhältnissen. Beispiele hierfür sind etwa B2B-Beratungs-, Marketing- und sonstige Dienstleistungsverträge.
Doch ganz so ist es dann doch nicht. Zunächst einmal müssen Verträge überhaupt erst wirksam mit einem bestimmten Inhalt entstanden sein. Zudem können Verträge je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles auch einseitig oder im beiderseitigen Einvernehmen beendet werden, etwa durch Anfechtung, Widerruf oder Kündigung.
Wir stellen in diesem Beitrag einige Konstellationen vor, in denen entweder schon kein wirksamer Vertrag mit dem Dienstleister zu Stande gekommen ist oder ein Vertrag rückwirkend oder für die Zukunft beendet werden kann.
Dies ist insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen von Bedeutung, die auf bestimmte oder unbestimmte Zeit vereinbart worden sind, z.B. wenn ein Unternehmen einen Vertrag mit einem Beratungsunternehmen, einem anderen Dienstleister oder sonstigen Service-Provider geschlossen hat, von dem der Auftraggeber nicht mehr überzeugt ist und den er daher möglichst schnell und einfach wieder beenden möchte.
2) Kein wirksamer Vertragsschluss
(1) Keine Einigung auf die wesentlichen Vertragsinhalte
In manchen Konstellationen liegt bei genauerer Betrachtung bereits kein Vertrag vor, weil letztlich keine wirksame Einigung über die wesentlichen Vertragsinhalte zwischen der einen und der anderen Seite erfolgt ist.
Juristen können in solchen Fällen prüfen, ob die Behauptung des Beraters bzw. Dienstleisters, ein wirksamer Vertrag wäre zwischen den Parteien bereits geschlossen worden, tatsächlich auch stimmt.
(2) Keine wirksame Vertretung
Verträge werden nicht immer nur zwischen den Personen geschlossen, die selbst Vertragspartner werden sollen. Häufig geben Vertreter die Vertragserklärungen ab, etwa ein Mitarbeiter der Einkaufsabteilung bzw. des Vertriebs oder der Geschäftsführer für sein Unternehmen.
Handelt in solchen Vertreterkonstellationen eine hierzu nicht befugte Person, kommt möglicherweise noch nicht bzw. jedenfalls nicht sofort ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien zu Stande. Die Wirksamkeit des Vertrages hängt dann von der Genehmigung von den hierzu befugten Personen ab.
(3) Formunwirksamkeit
Weiter kann für bestimmte Verträge von Gesetzes wegen oder per Vertrag eine bestimmte Form vorgesehen sein. Erfolgt der Vertragsschluss nicht in dieser Form, so sind die Vertragserklärungen der Parteien formunwirksam und der Vertrag entfaltet keine Wirkungen. Erst wenn der Formfehler geheilt wird, kann der Vertrag möglicherweise wirksam werden.
(4) Beschränkte Geschäftsfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit
In manchen Konstellationen fehlt es auch an der Geschäftsfähigkeit einer Person, die eine Vertragserklärung abgibt. Bestellt etwa eine Person, die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, wie z.B. ein Minderjähriger, etwas im Internet, so ist die Bestellung schwebend unwirksam. Erst mit Genehmigung durch den oder die gesetzlichen Vertreter, etwa die Eltern, kommt letztlich ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien zu Stande.
Ohne eine solche Genehmigung bleibt der Vertrag unwirksam und keine Partei kann die darin vereinbarten Leistungen fordern.
(5) Andere Auslegung des Vertragsinhalts
Selbst bei einem wirksamen Vertragsschluss kann in manchen Fällen über die im Vertrag geregelten Vertragsinhalte, einschließlich der vertraglichen Pflichten der Parteien, möglicherweise wegen ungenauer Vertragsbestimmungen diskutiert werden.
Sind insbesondere die vertraglichen Leistungen nicht eindeutig im Vertrag bestimmt, sondern bedürfen der Auslegung, so können Leistungspflichten und Gegenleistungspflichten möglicherweise in die eine oder andere Richtung interpretiert werden.
Darin kann für eine Vertragspartei eine Chance liegen, die Vertragsleistungen letztlich in die Richtung zu drehen, wie sie es wünscht.
3) Stornierung oder sonstige Beendigung eines Vertrags
(1) Einvernehmliche Vertragsaufhebung
Ein Vertrag beruht auf einer Vereinbarung der Parteien, so dass eine weitere Vereinbarung der Vertragsparteien den Vertrag auch wieder beenden kann.
Die Vertragsparteien können einvernehmlich im Rahmen eines neuen Vertrags bestimmen, dass der bisherige Vertrag ganz oder teilweise aufgehoben oder auch nur abgeändert werden soll. Ein solcher Aufhebungsvertrag kann hierfür bestimmte Bedingungen vorsehen, muss es aber nicht.
(2) Anfechtung der eigenen Vertragserklärung
In ganz bestimmten Konstellationen kann ein Vertrag durch Anfechtung einer der Vertragserklärungen rückwirkend wieder beseitigt werden.
Hierfür müssen aber bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorlegen. Etwa muss eine Partei sich z.B. hinsichtlich des Vertragsgegenstandes geirrt haben oder einem bestimmten sonstigen Irrtum bei Vertragsschluss unterlegen sein. Beruht der Vertragsschluss auf einer Täuschung oder Drohung durch den Berater bzw. Dienstleister, kann der Auftraggeber den Vertrag ebenso anfechten.
Eine wirksame Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag als von Anfang an unwirksam angesehen wird. Unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen kann dann die anfechtende Vertragspartei, also ggf. der Auftraggeber, aber zum Schadensersatz gegenüber dem Dienstleister verpflichtet sein.
(3) Verbraucher-Widerrufsrecht
Bei bestimmten B2C-Geschäften steht dem Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, etwa bei sog Fernabsatz- oder Haustürgeschäften.Innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist können die Verbraucher den Vertragsschluss durch Widerrufserklärung beseitigen, so dass sie nicht mehr an den Vertrag gebunden sind.
Im B2B-Bereich unter Unternehmen gibt es ein solches Widerrufsrecht jedoch nicht. Unternehmer können sich von ihren Verträgen also nicht so leicht lösen wie Verbraucher
(4) Vertragliches Widerrufsrecht
Die Vertragsparteien können darüber hinaus im Vertrag aber - auch in B2B-Verträgen - ein vertragliches Widerrufsrecht bestimmen, wonach unter bestimmten Bedingungen eine oder beide Vertragsparteien den Vertrag widerrufen können sollen.
Liegen diese Bedingungen vor, können die Parteien - oder auch nur eine der Parteien - den Widerruf des Vertrags erklären und sind an den Vertrag dann nicht mehr gebunden.
(5) Gesetzliches oder vertragliches Rücktrittsrecht
Das Gesetz sieht in manchen Fällen ein gesetzliches Rücktrittsrecht vor, das der zum Rücktritt berechtigten Partei die - im Wesentlichen rückwirkende - Beendigung des Vertrags unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht.
Unabhängig davon können die Vertragsparteien auch ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren, das unter bestimmten Voraussetzungen einer Partei die Beendigung des Vertrags gewährt, etwa bei Eintritt bestimmter (negativer) Ereignisse.
(6) Recht zur außerordentlichen Kündigung
Bei so genannten Dauerschuldverhältnissen spielt das Recht zur Kündigung eine wesentliche Rolle. Im Unterschied zur Anfechtung, zum Widerruf oder zu sonstigen rückwirkenden Stornierungsrechten einer Vertragspartei wirken Kündigungen immer nur für die Zukunft.
Liegt ein wichtiger Grund vor, kann eine Vertragspartei den Vertrag einseitig durch Kündigungserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, also mit sofortiger Wirkung kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei Verletzung von Vertragspflichten ist eine Kündigung aus wichtigem Grund erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe des jeweiligen Problems im Vertragsverhältnis der Parteien bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.
Erbringt ein Dienstleister vereinbarte Leistungen wiederholt nicht oder nicht fristgemäß und vollständig, kann sich der Auftragnehmer somit möglicherweise vorzeitig vom Vertrag lösen.
(7) Ordentliches Kündigungsrecht
Neben dem außerordentlichen Kündigungsrecht steht den Vertragspartnern bei Dauerschuldverhältnissen auch das ordentliche Kündigungsrecht zu.
Haben die Vertragsparteien hierzu nichts wirksam direkt im Vertrag oder in den wirksam in den Vertrag einbezogenen AGB vereinbart, gelten die gesetzlichen Kündigungsregeln und Kündigungsfristen. Bei Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist endet das Vertragsverhältnis dann mit Ablauf der jeweiligen Frist.
(8) Angebot auf Vertragsaufhebung
Schließlich kann es neben einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung auch ein einseitiges Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages, etwa im Zusammenhang mit einem Vergleich bzw. Vergleichsangebot einer Vertragspartei geben.
So steht es dem Auftraggeber etwa frei, den Dienstleister bzw. Auftragnehmer im Rahmen eines lukrativen Vertragsangebots zu überzeugen, den bereits abgeschlossenen Vertrag wieder zu beenden.
4) Das Wichtigste in Kürze
- Nicht selten bereut ein Unternehmen den Abschluss eines Beratungs-, Marketing- oder sonstigen Dienstleistungsvertrags mit dem Auftragnehmer kurze Zeit später, insbesondere wenn die Zusammenarbeit nicht so zügig und harmonisch läuft, wie man sich das vorgestellt hat.
- Zwar gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Bei genauer Prüfung eines Vertrages kann manchmal allerdings festgestellt werden, dass tatsächlich kein oder zumindest kein wirksamer Vertrag zu Stande gekommen ist.
- In anderen Fällen kann ein Dienstleistungsvertrag gegebenenfalls durch Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft wieder beseitigt werden.
- Juristen können dabei unterstützen, mögliche Lücken beim Vertragsschluss oder im Vertrag zu finden, die Unternehmern den vorzeitigen Exit aus einem Vertrag ermöglichen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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