Bei arglistiger Täuschung sind Kaufverträge anfechtbar

Täuscht ein Händler seinen Kunden vor oder bei Vertragsschluss arglistig, d.h. bewusst über vertragsrelevante Punkte, kann der Kunde den Vertrag anfechten. Dies gilt auch, wenn der Händler über wichtige Punkte nicht aufklärt.
Wann sind Verträge anfechtbar?
Ein Vertrag - etwa ein online abgeschlossener Vertrag über physischen Waren, z.B. Schuhe - ist anfechtbar, wenn ein gesetzlicher Anfechtungsgrund vorliegt. Ist dies der Fall, kann der Anfechtungsberechtigte durch Erklärung gegenüber der anderen Seite innerhalb der jeweiligen gesetzlichen Anfechtungsfrist die Anfechtung erklären und den Vertrag dadurch rückwirkend wieder auflösen.
- Als solche Anfechtungsgründe kommen zunächst der Erklärungs-, der Inhalts- und der Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Betracht. Irrt eine Vertragspartei bei Abgabe ihrer Vertragserklärung (=Angebot und Annahme) über die abgegebene Erklärung (Erklärungsirrtum), deren Inhalt (Inhaltsirrtum) oder eine Eigenschaft, z.B. der Kaufsache (Eigenschaftsirrtum), kann die Vertragspartei die Anfechtung erklären, so dass der Kaufvertrag nichtig ist.
- Daneben kann eine Partei ihre Vertragserklärung auch dann anfechten, wenn sie dabei arglistig getäuscht (§ 123 Abs. 1 BGB) oder widerrechtlich bedroht (§ 123 Abs. 2 BGB) worden ist.
Wann liegt Arglist vor?
Eine Vertragspartei handelt arglistig, wenn sie vor bzw. im Zusammenhang mit der Abgabe der Vertragserklärung bewusst falsche Angaben macht oder wesentliche Informationen verschweigt, um die andere Vertragspartei zum Vertragsabschluss zu bewegen.
Arglist in diesem Sinne liegt hingegen nicht vor, wenn Angaben falsch bzw. unwahr sind. Vielmehr muss dies dem Täuschenden auch bewusst sein - zumindest muss er dies zumindest billigend in Kauf nimmt.
1. Was ist arglistiges Tun?
Ein arglistiges Tun liegt dann vor, wenn der Täuschende Handlungen vornimmt oder Aussagen tätigt, die falsch, d.h. unwahr sind oder Falsches suggerieren, und ihm dies bewusst ist oder er dies billigend in Kauf nimmt.
- Ein Gebrauchtwagenhändler gibt gegenüber dem Kunden an, dass ein bestimmtes Auto keinen Unfallschaden hatte. Tatsächlich war das Auto aber in einem Unfall verwickelt, bei dem ein Karosserieschaden entstanden ist, was dem Händler auch bekannt ist.
- Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Immobilien werden kurz vor der Besichtigung Schimmel- und Feuchtigkeitsflecken absichtlich übermalt.
2. Was ist arglistiges Unterlassen?
Ein arglistiges Unterlassen liegt vor, wenn der Täuschende eine aufklärungspflichtige Tatsache bewusst, also absichtlich verschweigt, um den anderen Teil zum Vertragsschluss zu bewegen.
Im Beispiel des Gebrauchtwagenhändlers läge ein arglistiges Unterlassen vor, wenn der Gebrauchtwagenhändler den Unfallschaden gegenüber dem Kunden schlichtweg verschweigen würde.
Denn ein Unfallschaden eines Fahrzeugs ist eine derart wichtige Information, dass der Händler den Kunden hierüber proaktiv aufklären muss.
Wann besteht eine Aufklärungspflicht des Händlers?
Wann ein arglistiges Unterlassen vorliegt, ist somit vor allem davon abhängig, ob und inwieweit den Händler eine Aufklärungspflicht über bestimmte Punkte trifft, die vertragswesentlich sind.
Weil es Händlern im Grundsatz natürlich gestattet ist, über Nachteile des zum Verkauf stehenden Produkts zu schweigen, es also keine allgemeine Aufklärungspflicht etwa über nachteilige Eigenschaften des Kaufgegenstandes gibt, und das Gesetz die Aufklärungspflicht des Händlers nicht genau bestimmt, wird in der Praxis über das Vorliegen einer Aufklärungspflicht am meisten gestritten.
Ein solcher Streit lag auch einem Urteil des OLG Braunschweig zu Grunde (Urteil vom 30. Januar 2025 - Az. 8 U 215/22), bei dem es um das aggressive Verhalten eines Pferdes geht, das verkauft worden war.
- Das Gericht sieht eine Pflicht zur detaillierten Aufklärung und Information der Käuferseite, wenn ein zum Verkauf stehendes Pferd sich nicht reiten lässt und aggressiv verhält, so dass der Kaufvertrag bei Unterlassen der Information - wie im dortigen Fall - wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB wirksam angefochten werden kann.
- Im Gerichtsfall beinhaltete der Kaufvertrag zwar, dass das Pferd "etwas dominant" sei. Nach Kaufvertragsschluss stellte sich dann aber heraus, dass sich das Pferd nicht reiten ließ, die Ohren anlegte und mit gesenktem Kopf auf Mitarbeiter der Käuferin zuging. Daher hatte die Käuferin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
- Aus Sicht des Gerichts zu recht: Die Verkäuferin habe von diesem Verhalten des Pferdes Kenntnis gehabt, dies aber nicht deutlich und offen an die Käuferin kommuniziert und sei somit ihrer Aufklärungspflicht nicht vollständig nachgekommen.
- Durch die erfolgreiche Anfechtung konnte die Käuferin Erstattung des bereits gezahlten Kaufpreises gegen Rückgabe des Pferdes an die Verkäuferin sowie teilweise auch Zahlung für Unterstellung und Fütterung des Pferdes sowie notwendige Tierarztkosten verlangen.
Welche Folgen können sich bei Arglist ergeben?
Folge einer wirksamen Anfechtung bei arglistiger Täuschung ist somit nicht nur die rückwirkende Nichtigkeit des betroffenen Kaufvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB, so dass der Kaufpreis nicht zu zahlen bzw. dieser zu erstatten ist.
Zusätzlich kann der arglistig Getäuschte auch Schadensersatz verlangen, soweit ihm in Folge der arglistigen Täuschung bestimmte Schäden entstanden sind.
Welche Unterschiede bestehen zum Verbraucher-Widerrufsrecht?
Sowohl durch Anfechtung als auch durch das gesetzliche Verbraucher-Widerrufsrecht, z.B. bei Fernabsatzgeschäften (viele Online-Kaufverträge fallen hierunter) können Verträge wieder rückwirkend aufgehoben werden.
Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Anfechtung wegen Arglist auf der einen und das Widerrufsrecht auf der anderen Seite wirken, unterscheiden sich allerdings genauso, wie auch deren Auswirkungen:
- Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Kaufvertrags infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Käufer, ist zum einen, dass der Käufer über einen vertragswesentlichen Umstand arglistig getäuscht worden ist und binnen der Anfechtungsfrist (binnen eines Jahres) die Anfechtung erklärt. In der Folge muss der Händler den Kaufpreis zurückerstatten und möglicherweise auch Schäden des Käufers ersetzen.
- Widerrufsrecht: Das gesetzliche Verbraucher-Widerrufsrecht, z.B. bei Fernabsatzgeschäften, wird zwar ebenso durch einseitige Erklärung des Verbrauchers innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt. Allerdings muss für den Widerruf kein bestimmter Grund vorliegen oder angegeben werden. Der Widerruf ist vielmehr auch grundlos möglich. Folge des Widerrufs ist dann ähnlich wie bei der Anfechtung, dass die Vertragsparteien die Leistungen rückabwickeln müssen. Allerdings muss der Käufer dem Händler unter Umständen Wertersatz leisten, wenn durch Ingebrauchnahme des Produkts ein Wertverlust eingetreten ist.
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