Vorsicht: Preisfehler-Schnäppchen können teuer werden

Vorsicht: Preisfehler-Schnäppchen können teuer werden
15.08.2024 | Lesezeit: 7 min

Software-Bugs und menschliche Fehler sorgen gelegentlich unfreiwillig für Mega-Schnäppchen im Webshop. Findige Kunden nutzen dies aus und bestellen in kurzer Zeit in großen Mengen zu Lasten der Händler. Ob die Händler solche Verträge tatsächlich erfüllen müssen, hängt teilweise von Details ab - und von wirksamen Rechtstexten. Mehr dazu in diesem Beitrag.

1. Vertragsschluss im Online-Handel

Kaufverträge kommen auch im Onlinehandel durch Angebot und Annahme zustande. Dabei sind Webshops in der Regel so ausgestaltet, dass das Online-Produktsortiment im Shop noch kein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags darstellt. Vielmehr gibt der jeweilige Kunde erst durch Bestellung der Produkte ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags ab.

Dieses Angebot des Kunden kann der Verkäufer aus rechtlicher Sicht auf verschiedene Weisen annehmen. So kann der Händler das Angebot durch eine entsprechende Annahmeerklärung per E-Mail oder etwa auch durch Versand der Ware oder durch Benachrichtigung über den Versand der Ware annehmen. Ob eine Annahmeerklärung des Händlers vorliegt, hängt von der Auslegung seiner Erklärung bzw. Handlung ab.

Dabei gilt in der Regel, dass die Bestellbestätigung, die Kunden direkt nach ihrer Bestellung im Webshop erhalten in der Regel noch keine Annahme der Bestellung beinhaltet, sondern nur den Eingang der Bestellung bestätigt. Hintergrund hiervon ist, dass der Online-Verkäufer gesetzlich dazu verpflichtet ist, die Bestellung auf elektronischem Wege zu bestätigen. Ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestellbestätigung hingegen allerdings, dass die Bestellung bereits angenommen worden ist, so kann dies durchaus auch als Annahme des Angebots des Bestellenden auf Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen sein.

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2. Anfechtung bei Preisfehlern

Selbst bei sorgfältig organisierten Webshops können Preisfehler vorkommen. Während fehlerhaft zu hohe Preise bloß zur Folge haben, dass kaum Kunden bestellen, führen fehlerhaft zu niedrige Preise dazu, dass die Kunden die Produkte deutlich zu günstig bestellen können. Betroffene Händler fragen sich, ob überhaupt wirksame Verträge zustande gekommen sind, die sie zu diesen Konditionen erfüllen müssen, oder ob sie die Verträge wenigstens wieder stornieren können.

Tatsächlich sieht das Gesetz bei Irrtümern bei Vertragsschluss mit dem Anfechtungsrecht eine Möglichkeit vor, sich wieder vom Vertrag zu lösen. Unterlaufen dem Händler bei Vertragsschluss irrtümlich Fehler, so kann er den Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen wieder stornieren. Bei Vorliegen eines gesetzlichen Anfechtungsgrundes kann der Händler seine Vertragserklärung durch Anfechtungserklärung gegenüber dem Kunden beseitigen. Voraussetzung ist, dass die Anfechtung unverzüglich erklärt wird, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Händler müssen daher schnell sein, wenn sie die Auswirkungen von Preisfehlern begrenzen wollen.

Allerdings ist zu beachten, dass die Anfechtung zum Schadensersatz verpflichten kann. Von Gesetzes wegen muss der Anfechtende dem Anfechtungsgegner - also ggf. der Händler dem Kunden - die Schäden ersetzen, die der Kunde dadurch erlangt, dass er auf den Vertragsschluss vertraut hat. Welche Schadenposten dies umfasst, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfall ab.

3. OLG Frankfurt: Vertragsschluss durch Zusendung von Gratisbeigaben

1) Der Sachverhalt des Falles

In einem Fall des OLG Frankfurt am 
Main (Beschluss vom 18. April 2024 - Az. 9 U 11/23) geht es um die Frage, ob ein Kunde vom Betreiber eines Webshops die Lieferung und Übereignung von insgesamt neun Smartphones zum Schnäppchenpreis von je EUR 92 pro Smartphone verlangen kann, bei denen die UVP jeweils EUR 1099 beträgt.

Durch einen Preisfehler wurden in dem Webshop für kurze Zeit Smartphones statt wie geplant für EUR 928 nur zu einem Zehntel des Preises, nämlich für EUR 92 angeboten. Dabei bot der Webshop bei Bestellungen der Smartphones auch Gratisbeigaben in Form von Kopfhörern an. Der Kunde bestellte insgesamt neun Smartphones zusammen mit vier Kopfhörern als Gratisbeigabe und beglich zugleich den geforderten Gesamtkaufpreis.

Kurze Zeit später - noch am selben Tag - änderte der Webshop die Preise für die Smartphones wieder auf EUR 928. Zwei Tage nach der Bestellung verschickte der Webshop die vier Kopfhörer (=Gratisbeigaben) an den Kunden und bestätigte deren Versand mittels eine entsprechenden E-Mail. Etwa zwei Wochen später stornierte der Webshop die Bestellung insgesamt unter Verweis auf den Preisfehler. Die Lieferung und Übereignung der neun Smartphones an den Kunden lehnte der Webshop ab, weshalb es letztlich zum Gerichtsverfahren gekommen ist.

2) Die Entscheidung des Gerichts

Vertragsschluss durch Zusendung der Gratisbeigabe

In der direkt nach Bestellung versendeten Bestätigungsmail sieht das Gericht keine Annahme des Kaufvertrags hinsichtlich der neun Smartphones. Die Formulierungen "wir (…) werden dir Bescheid geben, sobald wir dein Paket verschickt haben" sowie die Angabe eines voraussichtlichen Liefertermins stellen aus Sicht des Gerichts noch keine vorbehaltlose Ausführung der Bestellung und damit noch keine Annahme der Bestellung durch den Webshop dar.

Allerdings habe der Webshop mit der Übersendung der vier Kopfhörer als Gratisbeigabe zugleich den Antrag des Kunden auf Abschluss des Kaufvertrags über die neun Smartphones angenommen. Unbedingte Voraussetzung der kostenlosen Übersendung der vier Kopfhörer sei der Erwerb des Smartphones gewesen, also das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt. Letztlich durfte der Kunde die Mitteilung, dass sämtliche versprochenen Gratisbeigaben nunmehr verschickt seien, aus seiner Sicht nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen, dass damit auch die Kaufverträge über die neun Smartphones bestätigt worden sind.

Anfechtung kommt zu spät

Das Gericht setzt sich in der Folge nicht weiter damit auseinander, ob in dem Fall ein Anfechtungsgrund vorliegt, der den Webshop zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigen würde. So oder so sieht das Gericht ein etwaiges Anfechtungsrecht des Webshops als verfristet an.

Der Webshop habe auf den Preisfehler schnell reagiert und die falschen Preise noch am selben Tag korrigiert. Doch erst ca. 15 Tage später habe der Online-Händler gegenüber dem Kunden eine Erklärung abgegeben, die ggf. als Anfechtungserklärung gewertet werden könnte. Dies sei nicht mehr unverzüglich im Sinne des Anfechtungsrechts und damit zu spät.

Schnäppchenjagd ist kein Rechtsmissbrauch

Nach § 242 BGB müssen Vertragspartner nach Treu und Glauben Rücksicht aufeinander nehmen. Wer sich in einer Vertragsbeziehung rechtsmissbräuchlich verhält, kann sich nicht unbedingt auf seine vertraglichen Rechte berufen.

Allerdings ist die Jagd nach Schnäppchen durch Ausnutzen von Preisfehlern in Webshops aus Sicht des Gerichts kein Rechtsmissbrauch in diesem Sinne. Dies wird in der Rechtsprechung immer wieder bestätigt.

4. Praxis-Tipp: Wirksame Rechtstexte helfen gegen Preisfehler

Preisfehler können nicht ganz verhindert werden, da technische Systeme und vor allem auch Menschen Fehler machen. Allerdings lassen sich die Auswirkungen von Preisfehlern durch vernünftige Prozesse und insbesondere auch durch den Einsatz von wirksamen Rechtstexten begrenzen.

Rechtsexte können dabei insbesondere auf drei Ebenen zum Einsatz kommen:

  • Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB): Online-Händler können in ihren AGB vorsehen, unter welchen Bedingungen ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommen soll, durch den ihre Kunden einen Anspruch auf Lieferung und Übereignung der bestellten Produkte erhalten. Zwar macht das Gesetz Vorgaben für den Abschluss von Verträgen. Allerdings gibt es Spielräume, die die Händler durch eine geschickte Gestaltung der AGB für sich ausnutzen können.
  • Bestätigungsmail nach Eingang der Bestellung: Online-Händler sind nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB dazu verpflichtet, den Eingang von Bestellungen unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Dies umfasst aber nicht die Pflicht, die Bestellung direkt annehmen zu müssen. Vielmehr ist bloß eine Eingangsbestätigung hinsichtlich der Bestellung erforderlich. Händler tun gut daran, die Bestellbestätigung nicht bereits so zu formulieren, dass sie als Annahme der Bestellung verstanden und gewertet werden könnte. Vielmehr sollten sie sich dies offen halten und die Bestellung erst zu einem späteren Zeitpunkt bestätigen, wenn sie hinreichend geprüft worden ist.
  • Anfechtungserklärung: Kommt es zu einem Preisfehler im Webshop und haben Kunden ggf. wirksame Kaufverträge über die vom Preisfehler betroffenen Produkte abgeschlossen, ist schnelles Handeln geboten. Von Gesetzes wegen muss die Anfechtung nach 121 BGB unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern gegenüber den betroffenen Kunden erklärt werden. Zur Wahrung dieser kurzen Frist ist es natürlich hilfreich, wenn Händler vorbereitet sind und ihnen bereits rechtswirksame Vorlagen für die Formulierung der Anfechtungserklärungen zur Verfügung stehen.

Hinweis: Mandanten der IT-Recht Kanzlei, die eines der Schutzpakete gebucht haben, unterstützen wir auch bei Preisfehlern nicht nur durch die Bereitstellung von passgenauen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), sondern auch von Musterformulierungen für wirksame Anfechtungserklärungen sowie weiteren Informationen zur Vermeidung und Bewältigung solcher Vorfälle.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie sich für unsere Schutzpakete interessieren und noch Fragen haben.

5. Das Wichtigste in Kürze

  • Preisfehler führen in Online-Shops immer wieder zu Kaufverträgen, die Online-Händler zur Lieferung der Ware verpflichten.
  • Durch eine geschickte Gestaltung der AGB und der Kundenkommunikation können Händler die Auswirkungen von Preisfehlern allerdings durchaus stark begrenzen.
  • Wir unterstützen unsere Mandanten sowohl durch Bereitstellung von AGB als auch von Musterformulierungen für Anfechtungserklärungen.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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