Neue Abmahnwelle zur Barrierefreiheit: So wehren Sie sich

Aktuell kursiert eine neue Abmahnwelle, die Shop-Betreibern pauschal Verstöße gegen die Barrierefreiheit vorwirft und hohe Abmahnkosten verlangt. Wir zeigen, warum diese Abmahnungen unberechtigt sind und wie Sie sich wehren.
Der Hintergrund: Barrierefreiheit in Online-Shops seit 28.06.2025
Seit dem 29.06.2025 gilt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).
Dieses verpflichtet Betreiber von Online-Shops (und sonstigen Websites mit Bestell- und Bezahlfunktion), die
- mehr als 9 Mitarbeiter beschäftigen oder
- mehr als 2 Mio. EUR an Jahresumsatz erwirtschaften oder eine Jahresbilanzsumme von mehr als 2 Mio. EUR aufweisen,
dazu, den Shop technisch barrierefrei auszugestalten und eine Barrierefreiheitserklärung verfügbar zu halten.
Technisch muss sichergestellt sein, dass der Shop für Menschen mit sensorischen oder kognitiven Einschränkungen problemlos nutzbar ist.
Die Barrierefreiheitserklärung muss in einfacher Sprache und an gut auffindbarer Stelle darüber informieren, welchen konkreten Barrierefreiheitsanforderungen der Shop unterliegt und wie er sie umsetzt.
Wir zeigen in diesem Beitrag zur Barrierefreiheit von Online-Shops ausführlich, welche konkreten Anforderungen Shop-Betreiber umsetzen müssen und wie die IT-Recht Kanzlei Mandanten hierbei unterstützen kann.
Neue Abmahnwelle: Vermeintlich fehlende Barrierefreiheit in Online-Shops
Zum Ende der Kalenderwoche 32 wurden uns von beunruhigten Mandanten diverse inhaltsgleiche Abmahnschreiben der „CLAIMS Rechtsanwalts GmbH“ übermittelt, die Online-Shop-Betreibern im Auftrag des Betreibers eines Marketing- und SEO-Unternehmers Verstöße gegen das BFSG vorwirft und die Erstattung von Abmahnkosten im vierstelligen Bereich verlangt.
Es ist davon auszugehen, dass der Abmahner und sein Rechtsbeistand diese Schreiben systematisch an zufällig ausgewählte Shop-Betreiber versenden, um sich entsprechender Ansprüche zu berühmen.
Sind die Abmahnungen berechtigt?
Nein, und das gleich aus mehreren Gründen.
1) Keine Anspruchsberechtigung
Der Abmahner ist zum Aussprechen von Abmahnungen gegenüber Shop-Betreibern überhaupt nicht gesetzlich berechtigt.
Für eine Berechtigung müsste er gemäß §§ §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Nr. 4 UWG „Mitbewerber“ des abgemahnten Shop-Betreibers sein.
Dies setzt wiederum das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses voraus.
Ein solches ist nach ständiger Rechtsprechung aber nur anzunehmen, wenn Abmahner und Abgemahnter im sog. Substitutionswettbewerb stehen, also für einen potentiellen Abnehmer in weitestem Sinne austauschbare Waren oder Dienstleistungen anbieten oder nachfragen.
Ein solches konkretes Wettbewerbsverhältnis ist aber unter keinen Umständen gegeben.
Der Abmahner bietet über seine Internetpräsenz als Unternehmer Web-Dienstleistungen (Design, Marketing, SEO) an.
Die abgemahnten Shop-Betreiber vertreiben über ihren Online-Shop Waren, also physische Produkte.
Die Leistungen des Abmahners sind mit denjenigen der abgemahnten Shop-Betreiber also unter keinem Gesichtspunkt vergleich- und erst recht nicht austauschbar. Die gegenseitigen Marktaktivitäten können faktisch nicht in Konkurrenz zueinander stehen und sich mithin auch nicht wettbewerblich beeinflussen.
2) Formfehler
Die derzeit übermittelten Abmahnungen sind bereits wegen eines Formfehlers rechtlich unwirksam.
Der Vorwurf eines Verstoßes gegen das BFSG wird in den Abmahnschreiben pauschal behauptet, ohne dass benannt wird, welche Shop-Gestaltungen wie gegen geltende Barrierefreiheitsbestimmungen verstoßen.
Um begründet zu sein, muss eine Abmahnung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG aber die gerügte Rechtsverletzung unter Angabe aller diese belegenden Umstände konkret darlegen.
Pauschale Unterstellungen ohne die Darlegung von Tatsachen, die die behauptete Rechtsverletzung tragen, machen die Abmahnung formell unwirksam.
3) Keine Unterlassungserklärung gefordert
Mit einer verbindlichen Abmahnung verbunden ist stets die Forderung sein, eine Unterlassungserklärung abzugeben, und sich damit gegenüber der Gegenseite zu verpflichten, den vermeintlichen Verstoß nicht erneut zu begehen.
Nur eine solche Unterwerfung beseitigt die wettbewerbsrechtliche Wiederholungsgefahr und ist geeignet, den Rechtsstreit ohne Inanspruchnahme der Gerichte verbindlich beizulegen.
In den aktuellen „Abmahnungen“ Vorliegend wird aber ausdrücklich auf die Forderung einer Unterlassungserklärung verzichtet und nur um Zahlung gebeten.
Dies spricht der Abmahnung nicht nur ihre Verbindlichkeit ab.
Es ist vielmehr sogar ein starkes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen (§242 BGB) .
Der Gegenseite geht es nämlich offensichtlich nicht um eine Wiederherstellung des Rechtsfriedens, sondern darum, sich unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Rechtsverletzung unrechtmäßig zu bereichern.
So setzen sich Mandanten zur Wehr: Muster-Reaktionsschreiben
Mandanten, die per Schreiben der „CLAIMS Rechtsanwalts GmbH“ pauschal und ohne nähere Darlegung mit vermeintlichen Verstößen gegen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) konfrontiert werden, sollten unter keinen Umständen die geforderten Zahlungen leisten und sich unbedingt schriftlich zur Wehr setzen.
Die Schreiben sind aus mehreren Gründen rechtlich haltlos und täuschen Ansprüche des Abmahners nur vor.
Wir haben für Mandanten ein Muster-Reaktionsschreiben ausgearbeitet, das die Vorwürfe als unbegründet zurückweist und die Gegenseite unter Fristsetzung und Androhung rechtlicher Schritte auffordert, einen vollständigen Verzicht auf die geltend gemachten Ansprüche zu erklären.
Mandanten, die dieses Musterschreiben nutzen möchten, empfehlen wir, dieses einerseits postalisch und zu Beweiszwecken zusätzlich per E-Mail an die Rechtsvertreter des Abmahners zu versenden.
Das Muster kann nachstehend abgerufen werden:
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