Ist der Verkauf von Lebensmitteln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum erlaubt?

Ist der Verkauf von Lebensmitteln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum erlaubt?
23.05.2019 | Lesezeit: 5 min

Tagtäglich landen in Deutschland tausende Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, im Müll. Dabei sind viele der Produkte noch einwandfrei und ohne Bedenken genießbar. Ob Händler abgelaufene Ware anbieten dürfen oder ob die Produkte doch in der Mülltonne landen müssen, erfahren Sie im Folgenden.

A. Vorab: Zum Sinn und Zweck des Mindesthaltbarkeitsdatums

Das Mindesthaltbarkeitsdatum beschreibt den Zeitraum, innerhalb dessen der Konsument das Produkt auf jeden Fall ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen sowie ohne jedes gesundheitliche Risiko konsumieren kann.

Mit anderen Worten: Der Produzent gewährleistet für diesen Zeitraum die Beibehaltung der spezifischen Produkteigenschaften. Voraussetzung ist natürlich, dass der Konsument das Produkt auch „richtig“ aufbewahrt.

Im Gegensatz dazu beschreibt das sogenannte Verbrauchsdatum den Zeitpunkt, ab dem sehr leicht verderbliche Lebensmittel eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten.

B. Mindesthaltbarkeitsdatum vs. Verbrauchsdatum

Während ein Mindesthaltbarkeitsdatum lediglich aussagt, wie lange ein Lebensmittel die vom Hersteller spezifizierten Eigenschaften (etwa Geschmack, Farbe oder Geruch) bei korrekter Lagerung mindestens aufweist, definiert ein Verbrauchsdatum für leicht verderbliche Lebensmittel, ab welchem Zeitpunkt der Verzehr des Lebensmittel eine mögliche Gesundheitsgefahr darstellt.

Steht auf der Chipstüte also ein „mindestens haltbar bis:“, ist dies eher als Orientierungshilfe zur verstehen, bis zu welchem Zeitpunkt die Chips noch knusprig sind und ihren vollen Geschmack entfalten. Eine unmittelbare Gesundheitsgefahr geht von diesem Lebensmittel bei Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums aber nicht aus; der Verzehr nach Ablauf ist unbedenklich.

Dagegen sollten Eier, auf deren Karton ein „zu verbrauchen bis:“ steht, nach Verstreichen des angegebenen Datums besser nicht mehr verzehrt werden. Hier droht eine Gesundheitsgefahr.

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C. Die Folge des Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums

Im Gegensatz zu einem abgelaufenen Verbrauchsdatum bedeutet ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum also nicht, dass das Produkt nicht mehr die vom Hersteller angepriesenen Eigenschaften aufweist oder dass die Ware gar verdorben und deren Verzehr bedenklich ist.

Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (erst kurze Zeit) abgelaufen ist, sind also häufig zu schade für die Mülltonne.

Doch dürfen Händler „abgelaufene“ Lebensmittel weiter verkaufen?

D. Die rechtlichen Stolpersteine für den Verkauf abgelaufener Ware

Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei rechtliche Stolpersteine zu beachten. Zum einen darf der Verbraucher nicht über die (Rest-)Haltbarkeit des Produkts getäuscht werden. Bei ihm darf also beim Kauf des Produkts nicht der Eindruck entstehen, das Mindesthaltbarkeitsdatum sei noch nicht abgelaufen.

Zum anderen ist der Aspekt der Lebensmittelsicherheit zu beachten. Nach Art. 14 der VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (kurz „VO 178/2002“)) dürfen Händler keine unsicheren Lebensmittel anbieten. Art. 14 VO 178/2002 normiert somit ein Vermarktungsverbot für unsichere Lebensmittel.

Während der erste rechtliche Stolperstein noch dadurch in den Griff zu bekommen ist, dass der Händler den Verbraucher ausdrücklich darüber informiert, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist bzw. bis zum Eintreffen der Ware beim Kunden voraussichtlich ablaufen wird und insoweit eine Täuschung des Verbrauchers ausschließen kann, ist der zweite Stolperstein die weitaus größere rechtliche Hürde für den Verkauf abgelaufener Produkte.

E. Abgelaufene Ware und Lebensmittelsicherheit

Konkret normiert das Vermarktungsverbot des Art. 14 VO 178/2002, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.

I. Abgelaufene Ware als „Lebensmittel“

Erste Voraussetzung des Vermarktungsverbots ist dementsprechend, dass es sich bei dem abgelaufenen Produkt überhaupt (noch) um ein „Lebensmittel“ i. S. d. Art. 14 VO 178/2002 handelt. „Lebensmittel“ sind nach Art. 2 VO 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Auch ein Lebensmittel, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, behält seinen Status als Lebensmittel bei. Dies ist selbst dann der Fall, wenn das Lebensmittel jetzt nicht mehr zum Verzehr, sondern zu anderen Zwecken bspw. als Dekoartikel vertrieben wird. Der Händler hätte es sonst in der Hand, durch eine schlichte Änderung des Verbrauchszwecks des Produkts das Vermarktungsverbot zu seinen Gunsten auszuhebeln.

Daraus folgt: Das Produkt ist und bleibt auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums ein Lebensmittel i. S. d. Art. 14 VO 178/2002.

II. Abgelaufene Ware als „unsicheres“ Lebensmittel

Kniffliger wird es bei der Beantwortung der Frage, ob ein solches Lebensmittel „unsicher“ i. S. d. Verordnung ist. Was darunter genau zu verstehen ist, regeln die weiteren Absätze des Art. 14 VO 178/2002. So gelten Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 2 VO 178/2002 als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie entweder gesundheitsschädlich sind und/oder zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.

III. Bedeutung für die Praxis

Den Händler, der Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, weiterhin zum Verkauf zum Zwecke des Verzehrs anbieten möchte, treffen erhöhte Sorgfaltspflichten.

Er muss trotz des überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums sicherstellen können, dass die Ware einwandfrei ist. Dies kann etwa durch entsprechende Stichproben aus derselben Charge mit gleichem Mindesthaltbarkeitsdatum erfolgen.

Der Händler darf nur sichere Lebensmittel bereitstellen. Kommt er bei einer entsprechenden Kontrolle zu dem Ergebnis, dass das „abgelaufene“ Lebensmittel nicht mehr von einwandfreier Qualität ist, darf die Ware nicht mehr verkauft werden.

Damit bleibt festzustellen, dass es – eine einwandfreie Qualität der Ware vorausgesetzt – kein gesetzliches Verbot gibt, Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum noch abzuverkaufen.
Im Onlinehandel kommt jedoch erschwerend hinzu, dass die Ware noch an den Kunden versendet werden muss. Entweder durch entsprechenden Zeitablauf oder durch die Versandbedingungen (z.B. bei Kühlware) kann die Qualität des Produkts damit auf dem Versandweg „kippen“.

Da eine entsprechende Prognose, ob das Lebensmittel auch nach dem Eintreffen beim Kunden trotz abgelaufenem Haltbarkeitsdatum noch von einwandfreier Qualität ist, bei Frisch- bzw. Kühlware unmöglich zu treffen sein dürfte, empfiehlt sich bei solchen Waren kein Abverkauf im Versandweg bei überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum.

F. Fazit

Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (erst kurz) abgelaufen ist, sind häufig zu schade für die Mülltonne.

Weist der Händler ausdrücklich auf den Umstand der Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums hin und kann er sicherstellen, dass das Lebensmittel noch von einwandfreier Qualität, also sicher ist, darf die Ware noch abverkauft werden.
Lebensmittel, deren Verbrauchsdatum überschritten wurde, dürfen dagegen keinesfalls mehr verkauft werden.

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9 Kommentare

J
Jürgen Drechsel 02.07.2023, 10:58 Uhr
Krommbacher Pils
Ich habe erst zu Hause bemerkt,daß mein gekauftes Bier 1 Woche überlagert war. Ohne das EDEKA dieses Angezeigt hat.
Habe ich ein Rückgaberecht?
M
Mario Müller 20.11.2022, 10:38 Uhr
Spezielle Frage zu Nahrungsergänzungsmitteln
Ich hatte es schon öfter, dass Kunden sich beschweren, weil eine Nahrungsergänzung in deren Augen schon abgelaufen war. Also in der Weise z.B., dass der Kunde eine Dose mit 180 Kapseln kauft, MHD ist noch 2 Monate, aber bei der empfohlenen Verzehrsmenge von einer Kapsel pro Tag braucht er 6 Monate um die Dose aufzubrauchen. Nach Verständnis des Kunden wäre also das MHD schon abgelaufen, zumindest für 2/3 des Inhalts.
Hätte der Kunde jetzt theoretisch auch rechtlich eine Handhabe, mich wegen der Verkaufs abgelaufener Ware zu belangen oder gilt die versiegelte Dose bis zum letzten Tag des aufgedruckten MHD als nicht abgelaufen?
Dazu natürlich der Hinweis: Ich gebe in meinem Shop immer das korrekte MHD an, ebenso die Verzehrsmenge. Das Problem war also immer, dass die Kunden nicht ordentlich nachgedacht bzw. alle verfügbaren Angaben gelesen hatten, nicht, dass ich etwa "alte" Ware undeklariert verkaufen würde!
J
Judith 18.08.2022, 13:16 Uhr
Frau
Wie kann Salz, das über Millionen von Jahren entstanden ist, nur durch's Abpacken überhaupt die Haltbarkeit verlieren?
S
Stefan M. 03.01.2021, 17:27 Uhr
Nur die halbe Wahrheit.
Nicht nur wer ein Sonderangebot kauft, muss hierzulande ("EU") damit rechnen, dass er Ware bekommt, die sehr bald abläuft. Dumm gelaufen, wenn man sich z.B. einen Vorrat von Kaffeekapseln zulegen möchte. Kaffee (als Beispiel) ist auch schon vor Erreichen des MHD eines guten Teils seines Aromas verlustig gegangen.

Es ist also nicht hinreichend, dass man den ABLAUF des MHD ankündigt.

Das MHD sollte immer angegeben sein. Bei dem Affentanz, den wir um Cookies und Datenschutz treiben, sollte der Aufwand minimal sein.
Ein Händler, der große Chargen vom Hersteller oder Großhändler bezieht, erhält immer auch die Charge digital mit. Ein weiteres Datenfeld mit dem MHD ist dort kein Aufwand. Dass der Handel sich damit nur einen Gefallen täterätä (Qualität, Vertrauen, Kundenbindung), wird wohl vor allem von diesem selbst nicht gesehen.
S
Sonja 30.10.2020, 17:26 Uhr
Frau
Wie sieht es denn aus wenn der Artikel in der Serviceabteilung (Metzgerei) eines Supermarkt angeboten wird? Z.b
Wenn ein Kochschinken über NHD ist und in die frischetheke geräumt wird , die Kunden werden nicht informiert das der Kochschinken über MHD ist. Ist das dann also trotzdem erlaubt?
F
Fabian Klein 29.04.2020, 10:37 Uhr
Herr
Darf eine Firma abgelaufenes Salz trotzdem weiter verkaufen, wenn sie den Verbraucher darauf aufmerksam machen?
M
Mister P 01.04.2020, 13:42 Uhr
MHD bei Einwegmasken
Hallo,

wie sieht es denn bei Einwegmasken aus, die trocken und sicher gelagert worden sind. Auf der einen Packung von Hersteller A ist eine Sanduhr aufgedruckt, auf der 2. Packung nur ein Fabrikationsdatum und kein MHD.

Darf so etwas verkauft werden? Oder hat zum Beispiel Toilettenpapier ein MHD oder Druckerpapier?

Mit freundlichen Grüssen
A
Anke Kanzler 05.01.2020, 12:43 Uhr
Kann man den Verkäufer von der Verantwortung/Haftung befreien?
Angenommen, das MHD eines Lebensmittels ist seit kurzem abgelaufen, wobei durch dessen "Überlagerung" keine gesundeitlichen Schäden des Verbrauchers zu erwarten sind, sondern "nur" ein zugesetztes Aroma gelitten haben könnte. Wenn ich ein solches Produkt bewusst trotzdem noch kaufen möchte, kann ich den Verkäufer von seiner Verantwortung und Haftung befreien, indem ich ihm (schriftlich) erkläre, dass mir das Risiko bekannt ist und der Kauf bzw. anschließende Genuss auf eigene Gefahr geschieht?
Da ich als Verbraucher immer mal wieder

mit einem solchen Umstand konfrontiert bin, würde mich Ihre Einschätzung hierzu sehr interessieren. (Konkret geht es um ein bestimmtes Trinkschokoladenpulver mit Marzipangeschmack. Auch einmal erlebt: Frische Schafsmilch, deren MHD seit 9 Stunden abgelaufen war. Der Verkauf wurde mir verweigert, obwohl ich dem Geschäftsführer versicherte, dass die Milch sofort zu Käse weiterverarbeitet würde.)
M
Martin John 18.10.2019, 12:15 Uhr
Darf das MHD überklebt werden?
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Meistens meiden wir ja Produkte deren MHD gerade abgelaufen ist. Das brauchen wir aber offensichtlich nur selten.
Ein prominenter Discounter überklebt das MHD (zumindest Tag und Monat) und bietet ohne weiteren Hinweis die Fleischware zum Verkauf an.
Ist das zulässig?

MfG

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