Frankreich: Vertragsnichtigkeit durch fehlende Pflichtinformationen

In Deutschland hat die Verletzung von Verbraucherinformationspflichten nur wettbewerbsrechtliche Konsequenzen. In Frankreich kann sie die Wirksamkeit von Verbraucherverträgen aufheben, wie ein aktuelles Urteil belegt.
Inhaltsverzeichnis
Der Sachverhalt
Ein Verbraucher hatte mit einem Unternehmer in Frankreich einen Vertrag zum Erwerb, der Installation und der Inbetriebnahme von Solarpanelen geschlossen.
Der Auftragszettel, den der Verbraucher unterzeichnet hatte, enthielt nur zum Teil die gesetzlich vorgeschriebenen vorvertraglichen Informationen, die der Verkäufer gegenüber Verbrauchern erfüllen muss.
Nicht genannt waren wesentliche Produktmerkmale wie Zeitpunkt der Lieferung und der Installation der Solarpanele.
Nach anschließenden Streitigkeiten über die Vertragsdurchführung verlangte der Verbraucher die geleisteten Zahlungen zurück, indem er sich wegen der fehlenden Pflichtinformationen auf die Nichtigkeit des Vertrages berief.
Das Berufungsgericht in Amiens erklärte den Vertrag für nichtig erklärt und gab dem Unterenhmer auf, die bereits geleistete Zahlung einschließlich Zinsen zurückzuerstatten.
Daraufhin rief der Unternehmer den Cour de Cassation (= Kassationsgerichtshof), das höchste französische Zivilgericht, an.
Die Entscheidung
Mit seinem Urteil vom 20. Dezember 2023 bestätigte der Kassationsgerichtshof das Urteil der Berufungsinstanz (Az. 22-18.928).
Ein Vertrag mit einem Verbraucher könne als nichtig erklärt werden kann, wenn der Verkäufer bestimmte vorvertragliche Informationspflichten gemäß Art. 6 der EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU bei Verbrauchergeschäften verletzt hat.
Zwar sehe das europäische Recht die Vertragsnichtigkeit als Sanktion bei Verbraucherinformationspflichtverstößen nicht ausdrücklich vor.
In Frankreich erlaube Art. 1112-1 des „Code Civil“ (französisches bürgerliches Gesetzbuch) aber die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages, wenn dieser unter Vorenthalten wesentlicher Informationen zustande gekommen ist, die die schützenswertere Partei für eine vollinformierte Vertragsentscheidung zwingend benötige.
Der Kassationsgerichtshof hielt es vorliegend für angezeigt, die Verbraucherpflichtinformationen des Fernabsatz (in Deutschland in Art. 246a ff. EGBGB kodifiziert) als unterstellt „wesentliche Informationen“ im Sinne der Spezialvorschrift einzustufen und bei deren Verletzung eine Vertragsnichtigkeit zu folgern.
Fazit
In Frankreich kann der Verstoß gegen vorvertragliche Verbraucherpflichtinformationen gemäß Art. 6 der EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (in Deutschland in Art. 246a ff. EGBGB geregelt) zur Nichtigkeit des Verbrauchervertrages führen.
Möglich macht das nach Ansicht des höchsten französischen Zivilgerichts eine Spezialvorschrift im französischen Bürgerlichen Gesetzbuch, die bei Vorenthaltung wesentlicher Informationen die vertragliche Unwirksamkeit vorsieht.
Während in Deutschland bei Verstößen gegen Verbraucherinformationspflichten nur wettbewerbsrechtliche Konsequenzen drohen, die vertragliche Wirksamkeit aber grundsätzlich unangetastet bleibt, riskieren Unternehmer im französischen E-Commerce die Vertragsnichtigkeit mit erheblichem Rückabwicklungsaufwand.
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