GPSR leicht gemacht: Produkt nicht erfasst, wenn schon mal vor dem 13.12.2024 verkauft?
Die GPSR mit ihren erweiterten Kennzeichnungspflichten gilt ab dem 13.12.2024 und schafft Online-Händlern derzeit viel Arbeit. Viele Anfragen erreichen uns dahingehend, ob ein Produkt dann nicht von den neuen Kennzeichnungspflichten erfasst ist, wenn es vom Händler denn bereits einmal vor dem 13.12.2024 verkauft worden ist.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es?
Der 13.12.2024 dürfte bei vielen Online-Händler vermutlich mit einem roten X im Kalender hinterlegt sein. Ab diesem Stichtag gelten die neuen Kennzeichnungsvorgaben nach Art. 19 GPSR im Onlinehandel.
Händler müssen ab diesem Tag dafür Sorge tragen, dass jedes von Ihnen angebotenen Produkt, sofern es vom sachlichen Anwendungsbereich der GPSR erfasst, wird, u.a. mit den folgenden Informationen online gekennzeichnet wird:
- Angabe von Name, Marke, Anschrift und elektronischer Adresse des Produkt-Herstellers,
- Angabe von Name, Postanschrift und elektronischer Adresse der verantwortlichen Person für das Produkt in der EU (wenn Produkt-Hersteller nicht in der EU ansässig),
- Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren,
- Angabe von Warnhinweisen und Sicherheitsinformationen.
Rettung durch Übergangsvorschrift?
Viele Händler stützen sich für einen Teil Ihres Sortiments auf die Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR.
Darin heißt es:
„Artikel 51
ÜbergangsbestimmungDie Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen auf dem Markt von unter die Richtlinie 2001/95/EG fallenden Produkten nicht behindern, die mit jener Richtlinie konform sind und vor dem 13. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden.“
Über das „Wie“ im Sinne der Reichweite dieser Übergangsregelung kann man trefflich streiten, da die von Art. 51 GPSR getroffenen Regelungen leider vollkommen schwammig gehalten sind und es – mangels Geltung der GPSR – derzeit weder Rechtsprechung noch Entscheidungen von Behörden dazu gibt.
Maximal händlerfreundlich wäre die Auslegung, nach der solche Produkte, die bereits vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden, der bisherigen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG unterfallen und deren Vorgaben (in Deutschland umgesetzt durch das ProdSG) erfüllen, gar nicht von den Vorgaben der GPSR und damit auch nicht von den Kennzeichnungspflichten nach Art. 19 GPSR erfasst werden.
Ob eine so weitreichende „Befreiung“ von den Pflichten der GSPR vom Gesetzgeber mit der Formulierung „dürfen das Bereitstellen auf dem Markt (…) nicht behindern“ beabsichtigt war, muss abgewartet werden. Siehe hierzu gerne auch hier.
Aber hier soll es gar nicht um das „Wie“ der Übergangsbestimmung gehen, sondern um das „Ob“. Denn von etlichen Händlern wird schon falsch verstanden, wann die Übergangsregelung überhaupt eingreift.
Achtung: Missverständnis!
In der Beratungspraxis stellen wir immer wieder fest, dass Händler der Ansicht sind, sich auf die Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR zugunsten eines Artikels X berufen zu können, nur weil sie ein Exemplar des Artikels X bereits vor dem 13.12.2024 in Ihrem Shop angebotenen haben bzw. davor verkauft hatten.
Darin liegt ein Missverständnis:
Es kommt gerade nicht darauf an, ob der Händler irgendwann einmal vor dem 13.12.2024 ein Exemplar aus das Gattung des Artikel X angeboten oder verkauft hatte, um bezüglich Artikel X von den GPSR-Vorgaben „befreit“ zu sein.
Vielmehr muss jeweils auf das aktuell im Shop angebotene Exemplar des Artikel X (bzw. die aktuell am Lager vorhandenen Charge) abgestellt werden.
Nur dann, wenn die aktuelle Ware bereits vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht worden war (also erstmals am Markt in der EU bereitgestellt worden war, z.B. durch Abgabe dieses Produkts vom Hersteller an den Großhändler), kommt überhaupt die Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR in Betracht.
Händler H hat einige Smartphones vom Typ Apple iPhone 15 Pro Max am Lager. Diese Exemplare wurden am 15.10.2024 in der EU in den Verkehr gebracht und erfüllen die Vorgaben des ProdSG.
H kann sich in Bezug auf die Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR berufen, auch wenn er diese Exemplare der Smartphones erst nach dem 13.12.2024 in seinem Shop zum Verkauf anbietet, da Inverkehrbringung vor dem 13.12.2024 erfolgte.
Händler X verkauft schon seit Juli 2024 Smartphones vom Typ Apple iPhone 15 Pro Max über seinen Onlineshop. Anfang Dezember 2024 ist er dahingehend ausverkauft. Ende Januar 2025 erhält er endlich einen neuen Posten solcher Geräte, die am 15.12.2024 in der EU in den Verkehr gebracht wurden.
Wenngleich X baugleiche Artikel hier schon vor dem 13.12.2024 verkauft hatte, kann er sich in diesem Fall nicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR berufen. Denn die von ihm im Januar 2025 angebotenen Produkte wurden erst nach dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht.
Der Ansatz, die Geltung der Übergangsvorschrift daran zu knüpfen, wann man als Händler das betreffende Produkt erstmals angeboten hat, ist also falsch.
Es kommt also nie darauf an, wann erste Exemplare einer bestimmten Produktgattung in den Verkehr gebracht wurden. Abgestellt werden muss vielmehr darauf, wann das (ab dem 13.12.2024) vom Händler angebotene, konkrete Produkt (also das jeweils angebotene Exemplar) in den Verkehr gebracht worden ist.
Da Produkte nicht selten Lebenszyklen über mehrere Jahre hinweg haben, können also auch Produkte, die Jahre vor dem 13.12.2024 bereits am Markt verfügbar gewesen sind, dennoch voll von der GPSR erfasst werden, wenn diese erst ab dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden.
In der Folge kommt es für die Geltung der Ausnahmevorschrift des Art. 51 GPSR auch nicht darauf an, wann ein Händler erste Exemplare eines bestimmten Produkts in seinem Shop erstmals angeboten oder verkauft hat.
Er muss vielmehr „dynamisch“ beurteilen, wann das aktuell von ihm angebotene Exemplar in den Verkehr gebracht worden ist.
Fazit:
Wer sich auf den Standpunkt stellt „Die Ware habe ich vor dem 13.12.2024 schon einmal verkauft, also muss ich mich in Sachen GPSR dabei um nichts kümmern“, der macht sich die GPSR „zu leicht“.
Unabhängig von der an sich strittigen Qualität der Übergangsvorschrift des Art. 51 GPSR kann festgehalten werden, dass es für eine Berufung auf die Übergangsregelung nicht darauf ankommt, ob ein Exemplar aus der Gattung der betroffenen Ware schon einmal vor dem 13.12.2024 vom Händler angeboten bzw. verkauft worden ist.
Vielmehr muss jeweils darauf abgestellt werden, ob das konkrete Exemplar, das gerade zum Verkauf angeboten wird, tatsächlich bereits vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht worden war.
Wenn dies zu bejahen ist, kann sich der Händler auf die Übergangsvorschrift berufen. Wenn das Exemplar jedoch erst nach dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurde, muss sich der Händler für diese Ware an die Vorgaben der GPSR halten, egal ob er ein anderes Exemplar dieser Ware bereits vor dem 13.12.2024 einmal angeboten oder verkauft hatte.
Sie wünschen sich eine anwaltliche Betreuung in Sachen der kommenden GPSR und deren neuen Online-Kennzeichnungspflichten?
Wir beraten im Rahmen des seit dem 01.08.2024 so angebotenen Unlimited-Pakets unsere Mandanten – auch bereits vor der Geltung der GPSR ab dem 13.12.2024 – in Bezug auf die produktsicherheitsrechtlichen Pflichtinformationen im Fernabsatz nach Art. 19 GPSR wie folgt:
Gerne begutachten wir auf Ihren Zuruf hin bei bis zu drei von Ihnen vorbereiteten Angeboten die Umsetzung der Onlineinformationspflichten nach der GPSR durch eine anwaltliche Prüfung des Vorhandenseins von
- der Angabe eines Herstellers des Produktes in den Produktangeboten mit Namen, eingetragenem Handelsnamen oder eingetragener Handelsmarke sowie der Postanschrift und einer elektronischen Adresse
- der Angabe einer verantwortlichen Person in den Produktangeboten, wenn der angegebene Hersteller gemäß der Angabe nicht in der Europäischen Union niedergelassen ist, mit Namen, Postanschrift und einer elektronischen Adresse
- der Darstellung mindestens einer Abbildung des Produktes zu dessen Identifizierung in den Produktangeboten,
- Angaben zur Art des Produktes in den Produktangeboten,
- Angaben sonstiger Produktidentifikatoren, soweit erforderlich, in den Produktangeboten
Daneben stellen wir Ihnen im Rahmen des Unlimited-Pakets abmahnsichere und laufend aktualisierte Rechtstexte für bis zu 70 Ihrer Internetpräsenzen (etwa für eigene Online-Shops, Auftritte auf Verkaufsplattformen wie Amazon, eBay, etsy, Hood, BILD, Decathlon, Kasuwa, Kaufland, Mediamarkt, OBI, Otto u.v.w., für Social-Media-Seiten etwa bei Facebook, Instagram, Pinterest, Tiktok u.v.w.) zur Verfügung, damit Sie von einer dauerhaften Rechtssicherheit profitieren können – in Bezug auf alle Ihre Internetpräsenzen.
Ferner können Sie eine Verkaufspräsenz im Rahmen des Unlimited-Pakets auch eine anwaltlichen Intensivprüfung unterziehen lassen. Dabei prüfen die spezialisierten Rechtsanwälte der IT-Recht Kanzlei diese Verkaufspräsenz in rechtlicher Hinsicht auf „Herz und Nieren“, nämlich nach über 120 wettbewerbsrechtlich relevanten Abmahnkriterien. So schaffen Sie über die Rechtstexte hinaus ein sehr hohes Maß an Rechtssicherheit.
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Kerem35/Shutterstock.com
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1 Kommentar
Gebe ich dann " keine Angaben" ein oder
"Keine Angaben aufgrund Art51GPSR"
und die gleiche Frage habe ich für vintage-Artikel.
Weiterhin ist mir immer noch nicht klar wie ich bei Produkten die beim Großhändler gekauft wurden (z.B. Wolle, Stoffe, Garne) und der Hersteller mir nicht bekannt ist, zu verfahren ist.
Bitte dahingehend nochmals um eine klare Aussage. Der Sticktag rückt näher.
Vielen Dank