Britisches Recht: Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten gegenüber Verbrauchern
Großbritannien hat als erster EU-Mitgliedsstaat die Haftung beim Verkauf von digitalen Inhalten in einem eigenen Gesetz geregelt (Consumer Rights Act 2015), das am 1.10.2015 in Kraft trat. Die Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten gegenüber Verbraucher werden im Übrigen auch im britischen Umsetzungsgesetz zur Verbraucherrechterichtlinie (ähnlich wie in Deutschland) geregelt. Das sind zwingende verbraucherrechtliche Vorschriften, die nicht durch AGB abbedungen werden können. Hier stellen sich Abgrenzungsfragen zum Anbieten von Dienstleistungen und Waren und zur Geltung gegenüber Anbietern außerhalb Großbritanniens. Inwieweit sind deutsche Betreiber von Online-Plattformen oder deutsche Inhaber von Onlineshops betroffen? Der folgende Beitrag soll für diese Grundfragen etwas Klarheit verschaffen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Begriff digitale Inhalte
- 2. Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten nach dem Consumer Contracts Regulations 2013
- 3. Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten nach dem Consumer Rights Act
- 4. Geltung britisches Recht für den deutschen Betreiber eine Online-Plattform oder den Inhaber eines Onlineshops, der digitale Inhalte bereitstellt
1. Begriff digitale Inhalte
Im britischen Recht wird die Begriffsdefinition der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83 übernommen, die durch die Consumer Contracts Regulations 2013 in britisches Recht umgesetzt wurde. Die Verbraucherrechterichtlinie definiert in Artikel 2, Ziffer 11 digitale Inhalte als „Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden (in der englischen Sprachfassung der Richtlinie heißt es: „digital content means data which are produced and supplied in digital form)“. Das britische Umsetzungsgesetz hat diese Begriffsdefinition wortwörtlich übernommen. Die gleiche Definition findet sich auch in Artikel 2, Ziffer 9 des Consumer Rights Act 2015).
Zur Abgrenzung des Begriffs digitale Inhalte gegenüber den Begriffen Dienstleistung und Waren ist es daher hilfreich, die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83 heranzuziehen (Erwägungsgrund 19).
„Digitale Inhalte“ bezeichnet Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte, unabhängig davon, ob auf sie durch Herunterladen oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming), von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise zugegriffen wird. Verträge über die Bereitstellung von digitalen Inhalten sollten in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen. Werden digitale Inhalte auf einem körperlichen Datenträger wie einer CD oder einer DVD bereitgestellt, sollten diese als Waren im Sinne dieser Richtlinie betrachtet werden."
Digitale Inhalte, die auf einem Datenträger wie einer CD oder einer DVD bereitgestellt werden, sind daher als Waren anzusehen. Werden solche Inhalte aber in digitaler Form bereitgestellt, fallen darunter eine enorme Anzahl von Anwendungsfällen. Zu denken ist zum Beispiel an:
- Computerspiele
- Fernsehprogramme
- Filme
- Bücher
- Computer Software
- Apps für mobile Telefone
- Systemsoftware für den Gebrauch von Maschinen, Spielzeug, Kfz, etc.
Dies ist nicht zu verwechseln mit der Art und Weise, wie digitale Inhalte, Waren oder Dienstleistungen bereitgestellt werden.
So Ist das Online-Bereitstellen von digitalen Inhalten, Waren oder Dienstleistungen kein digitaler Inhalt als solcher sondern beinhaltet nur einen Online-Shop oder ein virtuelles Verkaufsportal. Das Anbieten zum Beispiel eines Mobiltelefon-Vertrages ist kein digitaler Inhalt sondern eine Dienstleistung. Ermöglicht der Betreiber einer Online-Plattform Nutzern den Zugang zu seiner Plattform, so ist dies eine entgeltliche oder unentgeltliche Dienstleistung. Anders ist natürlich die Frage zu beurteilen, wenn auf der Plattform digitale Inhalte bereitgestellt werden, die der Nutzer entgeltlich oder unentgeltlich durch Herunterladen nutzen kann.
2. Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten nach dem Consumer Contracts Regulations 2013
Wenn der Anbieter ein Unternehmer ist und einem Verbraucher digitale Inhalte zum Kauf anbietet, dann treffen ihn wie nach deutschem Recht die vorvertraglichen Informationspflichten eines Onlinehändlers, die auch für den Verkauf von Waren und Dienstleistungen gelten. Der Unternehmer muss dem Verbraucher Informationen über die wichtigsten Merkmale, Funktionalität und Komptabilität der digitalen Inhalte mit dem Computersystem des Verbrauchers geben. Die Kaufbestätigung soll auf einem dauerhaften Datenträger (z. Beispiel per E-Mail) erfolgen.
Es gibt Besonderheiten für die Ausgestaltung des Widerrufsrechts des Verbrauchers beim Kauf von digitalen Inhalten. So gilt eine Mindestwiderrufsfrist von 14 Tagen ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der Unternehmer soll grundsätzlich vor Ablauf der Widerrufsfrist digitale Inhalte nicht bereitstellen, es sei denn der Verbraucher hat seine ausdrückliche Zustimmung gegeben oder der Verbraucher hat anerkannt, dass er andernfalls sein Widerrufsrecht verliert. In diesen Fällen hat der Verbraucher kein Widerrufsrecht, wenn er vor Ablauf der Widerrufsfrist digitale Inhalte bereits herunterlädt.
3. Pflichten des Anbieters von digitalen Inhalten nach dem Consumer Rights Act
3a. Anwendungsbereich des Consumer Rights Act
Es muss sich um einen Unternehmer handeln, der einem Verbraucher digitalen Inhalt entgeltlich bereitstellt (Artikel 33 Consumer Rights Act). Die entgeltliche Bereitstellung von digitalen Inhalten ist auch dann gegeben, wenn digitale Inhalte kostenlos zusammen mit Waren oder Dienstleistungen angeboten werden und für diese Waren oder Dienstleistungen ein Preis gezahlt werden muss oder wenn digitale Inhalte nur verfügbar sind, wenn gleichzeitig Waren oder Dienstleistungen gekauft werden. Damit sind Kaufangebote gemeint, mit denen kostenlose digitale Inhalte als Anreiz für den Kauf von Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Zum Beispiel gilt der Consumer Rights Act, wenn ein Computer zusammen mit einem kostenlosen Antivirus-Programm verkauft wird, dieses Programm aber von schlechter Qualität ist.
33 Contracts covered by this Chapter
(1) This Chapter applies to a contract for a trader to supply digital content to a consumer, if it is supplied or to be supplied for a price paid by the consumer.
(2) This Chapter also applies to a contract for a trader to supply digital content to a consumer, if—
(a) it is supplied free with goods or services or other digital content for which the consumer pays a price, and
(b) it is not generally available to consumers unless they have paid a price for it or for goods or services or other digital content.
Es wird im Consumer Rights Act klargestellt, dass die Art und Weise, digitale Inhalte bereitzustellen selber kein digitaler Inhalt sondern eine Dienstleistung ist.
3b. Welche Beschaffenheit müssen bereitgestellte Inhalte haben
Digitale Inhalte müssen von befriedigender Qualität (satisfactory quality) sein, dem vereinbarten Zweck (fit for a particular purpose) und der Onlinedarstellung (as described) entsprechen (Art. 33 folgende Consumer Rights Act).
Für das Kriterium befriedigende Qualität ist das Urteil einer normalen, vernünftigen Person (reasonable person) maßgebend. Bei diesem Urteil sind drei Faktoren zu berücksichtigen (jegliche Beschreibung des digitalen Inhalts, der Preis und andere relevante Umstände wie Werbeerklärungen und Beschreibungen). Bei der Qualitätsbeurteilung sind Kriterien wie frei von kleineren Defekten, Sicherheit und Dauerhaftigkeit maßgebend. Bei vielen Software-Programmen, Spielen und Apps werden kleinere Defekte durch Upgrades korrigiert. Eine vernünftige Person wird daher solche geringfügigen Defekte erwarten und davon ausgehen, dass solche Defekte durch Upgrades korrigiert werden.
Digitale Inhalte müssen dem vereinbarten Zweck entsprechen. Wenn der Verbraucher dem Unternehmer vor Vertragsabschluss ausdrücklich oder implizit mitteilt, dass er die digitalen Inhalte für einen bestimmten Zweck kaufen will, dann wird dieser Zweck Teil des Vertrages. (Art. 35 Consumer Rights Act).
Digitale Inhalte müssen jeglicher Beschreibung des Unternehmers entsprechen. Jeder Vertrag über die Bereitstellung von digitalem Inhalt enthält zwingend den Vertragsbestandteil „ wie beschrieben“. Wenn digitale Produkte aktualisiert werden (upgrade), dann müssen die Upgrades auch der Beschreibung des digitalen Produkts entsprechen.
3c. Gewährleistungshaftung des Unternehmers für bereitgestellte digitale Inhalte
Falls die bereitgestellten digitalen Inhalte mangelhaft sind, hat der Verbraucher wie bei Lieferung von Waren das Recht zur Reparatur, Ersatz, Preisminderung oder Rückerstattung des Kaufpreises. Der Verbraucher kann aber anders als bei Lieferung von Waren nicht die bereitgestellten digitalen Inhalte zurückweisen. Es gelten hier wie bei Lieferung von Waren die sehr langen britischen Gewährleistungsfristen von 5 Jahren (England/Wales oder 6 Jahren (Schottland) (s dazu diesen Beitrag der IT-Recht Kanzlei)
3d. Haftung des Unternehmers für Schäden an den Geräten des Verbrauchers oder an anderen digitalen Inhalten
Der Consumer Rights Act hat die Haftung für diesen Mangelfolgeschaden in Art. 46 folgende Consumer Rights Act 2015 geregelt. Wenn der Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte bereitstellt, die an den Geräten des Verbrauchers oder an Software des Verbrauchers Schäden anrichten, die nicht entstanden wären, falls der Unternehmer mit angemessener Sorgfalt gehandelt hätte, dann hat der Unternehmer den Schaden zu beseitigen oder Schadensersatz zu leisten. Auch für das Geltend machen dieses Mangelfolgeschadens gilt die lange Frist von 5 Jahren (England, Wales) und 6 Jahren (Schottland).
4. Geltung britisches Recht für den deutschen Betreiber eine Online-Plattform oder den Inhaber eines Onlineshops, der digitale Inhalte bereitstellt
Der Anbieter mit Sitz in Deutschland, der digitale Inhalte in Großbritannien vermarktet, wird sich darauf einstellen müssen, dass derartige Verträge britischem Recht und der Zuständigkeit britischer Gerichte unterliegen (so die offizielle Erläuterung) der britischen Regierung zum Consumer Rights Act). Dies ergibt sich aber auch allgemeinen internationalem Privatrecht der EU (Rom I und Brüssel I). Der für die Anwendbarkeit des jeweiligen Rechts wichtige Vorbehalt des europäischen Privatrechts, dass britisches Recht für den britischen Verbraucher vorteilhafter als das Recht des Sitzstaates des deutschen Unternehmers sein muss, ergibt sich aus den verbraucherfreundlichen Regelungen des Consumer Rights Act 2015.
Etwas anderes gilt für Datenschutzrecht und Impressumsrecht. Hier kann der deutsche Anbieter Datenschutzerklärungen und ein Impressum nach deutschem Recht verwenden, es sei denn er hat eine Niederlassung in Großbritannien. Der Europäische Gerichtshof hat dies in einem Urteil vom 13.5.2014 –C131/12 – bekräftigt, wobei er den Begriff Niederlassung weit auslegt. Es reicht aus, wenn das ausländische Unternehmen mittels einer festen Einrichtung eine tatsächliche und effektive Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt. Die Rechtsform einer solchen Niederlassung oder Zweigstelle ist dabei nicht maßgeblich.
Tipp:
Deutsche Betreiber von Onlineplattformen oder deutsche Inhaber von Onlineshops, die Produkte in Großbritannien vermarkten sollten daher hinsichtlich Datenschutzrecht und Impressumsrecht prüfen, ob es wirklich keine Anhaltspunkte für eine Präsenz in Großbritannien gibt. Anhaltspunkte dafür sind zum Beispiel: Bankkonto oder Adresse eines Vertreters in Großbritannien. Die IT-Recht Kanzlei stellt für ihre Mandanten an britisches Recht angepasste Rechtstexte für die Vermarktung von digitalen Inhalten in Großbritannien zur Verfügung.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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