Achtung: Keine Beschränkung der „Gewährleistungsfrist“ für den Fall des Unternehmerregresses
Die von der IT-Recht Kanzlei für ihre Mandanten entwickelten Muster-B2B AGB (Verkäufe an einen Unternehmer) modifizieren die gesetzliche Mängelhaftung u.a. wie folgt:
Inhaltsverzeichnis
- 1. Möglichkeiten einer wirksamen Abbedingung der Verjährungsfristen und Gewährleistungsrechte in B2B AGB (Verkäufe an einen Unternehmer)
- 2. Beschränkung des Rückgriffs auf den Fall des Verbrauchsgüterkaufs
- 3. Fehlende Vorhersehbarkeit des Verbrauchsgüterkaufs
- 4. Der Fall des zweiten Verbrauchsgüterkaufs
- 5. Beschränkung des Rückgriffs auf den unmittelbaren Vertragspartner
- 6. Vertrag zwischen zwei Unternehmern
- 7. Versuch, den geforderten Verbrauchsgüterkauf zu umgehen
- 8. Beweislast
- 9. Die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB
- 10. Verjährung der Rückgriffsansprüche
- 11. Fazit
„Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt bei neuen Leistungsgegenständen ein Jahr ab Gefahrübergang. Dagegen bleiben die gesetzlichen Verjährungsfristen für den Rückgriffsanspruch nach § 478 BGB unberührt, ……“
Diese Regelungen sind für unsere Mandanten oft unverständlich und führen sehr oft zu Nachfragen nach dem Sinn der o.a. Einschränkung der Verkürzung der Verjährungsfrist für Mängel (Gewährleistungsfrist).
Eine Erklärung ist nicht einfach. Wie soll man einem juristischen Laien verständlich machen, wer bei Mängeln der gekauften Sache gegen wen welche Ansprüche und vor allem, wie lange geltend machen kann, wenn eine Lieferkette zwischen dem Lieferanten, Unternehmer (§ 14 BGB) und Verbraucher (§ 13 BGB) besteht? Dabei reicht die Lieferkette in der Regel bis zum Hersteller. Denn genau diese Ansprüche aus einer Lieferkette sind der Grund für die oben aufgeführte Beschränkung, da der Gesetzgeber bei Mängeln danach unterscheidet, ob ein Käufer die Sache selber nutzt oder ob er sie weiterverkauft und dadurch den Mängelansprüchen seiner Käufer ausgesetzt ist. Hier gelten die §§ 478 und 479 BGB, die Regeln zum so genannten Unternehmerregress.
Der Unterschied zwischen den Mängelansprüchen und der Möglichkeit ihrer vertraglichen Abdingbarkeit soll im Folgenden dargestellt werden.
1. Möglichkeiten einer wirksamen Abbedingung der Verjährungsfristen und Gewährleistungsrechte in B2B AGB (Verkäufe an einen Unternehmer)
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt gem. § 438 Nr. 3 BGB in der Regel zwei Jahre. Im Rahmen eines Kaufvertrags zwischen einem Unternehmer und einem anderen Unternehmer besteht grundsätzlich in AGB die Möglichkeit, die Verjährungsfrist für Mängelansprüche auf ein Jahr zu verkürzen.
Diese Möglichkeit besteht jedoch nur dann, wenn der Käufer die Sache nicht weiterverkauft und damit eine Lieferkette entsteht, sondern selbst nutzt.
Verkauft aber der Käufer als Unternehmer die Sache weiter, setzt sich der Käufer als nun selbst Verkäufer damit seinerseits den Mängelansprüchen seiner Käufer aus. Er hat in diesem Fall aber Regressansprüche gegen seinen Verkäufer gemäß § 478 BGB. Nach dem Willen des Gesetzgebers, kann eine abweichende Vereinbarung dieser Ansprüche gemäß § 478 IV 1 BGB nur getroffen werden, wenn dafür ein „gleichwertiger Ausgleich“ geboten wird. Hierfür werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Bemerkenswert ist, dass diese Einschränkung des § 478 IV 1 BGB auch für Individualvereinbarungen gilt.
Weitere Besonderheiten ergeben sich gemäß §§ 478 V, 479 III BGB durch die Ausdehnung des Letztverkäufer-Regresses auf alle vorangehenden Stufen der Lieferkette.
2. Beschränkung des Rückgriffs auf den Fall des Verbrauchsgüterkaufs
§ 478 I BGB gilt aber nur für den Fall, dass ein Kaufvertrag zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) als Käufer und einem Unternehmer (§ 14 BGB) als Verkäufer geschlossen wurde und dieser Unternehmer Regress nehmen möchte.
Allerdings muss danach ein solcher Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1BGB) nur zwischen dem Letztverkäufer (Unternehmer) der Lieferkette und einem Verbraucher bestehen. Davon prinzipiell unberührt bleiben demzufolge die vorangehenden Lieferverträge.
Beispiel:
Der Käufer (Verbraucher) erwirbt von einer Hardware-Firma (Unternehmer) 20 Scanner. Zwischen dem Käufer und der Hardware-Firma besteht also ein Verbrauchsgüterkauf. Ein vorangehender Liefervertrag zwischen der Hardware-Firma und dem Hersteller der Scanner bleibt davon unberührt, dass heißt, zwischen Hardware-Firma und Hersteller liegt eben kein Verbrauchsgüterkauf vor.
3. Fehlende Vorhersehbarkeit des Verbrauchsgüterkaufs
Eine weitere Besonderheit des § 478 I BGB bei der Voraussetzung eines Verbrauchsgüterkaufs besteht darin, dass für den Verkäufer (Unternehmer) oft noch unbekannt ist, ob der Letztverkäufer ein Verbraucher ist. Diese Ungewissheit hat er jedoch hinzunehmen, sodass er die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB auch im Rahmen der §§ 478, 479 BGB für den Absatzweg der Ware beibehalten sollte, weil erst nachträglich bekannt wird, ob am Ende der Lieferkette tatsächlich ein Verbrauchsgüterkauf steht.
Beispiel:
Der Käufer (Unternehmer) erwirbt die Scanner von dem Verkäufer (Unternehmer) und behält sie zunächst. Später verkauft er einen der Scanner an einen Verbraucher weiter, mit der Folge, dass dann §§ 478, 479 BGB gilt, da nun zwischen Verbraucher und dem Letztverkäufer ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt. Der Verkäufer (Unternehmer) ist in dem Moment, in dem sein Käufer (Unternehmer) die Sache an den Verbraucher verkauft einer Haftung ausgesetzt, da sich der Käufer (Unternehmer) an ihn halten wird, wenn der Verbraucher Mängel der Sache geltend macht. Zur Bedeutung der Rügepflicht in diesem Zusammenhang s.u. 10.
Daran wird aber gleichzeitig deutlich, wie „zufällig“ und damit unkalkulierbar eine Haftung nach §§ 478, 479 BGB entstehen kann.
Dabei muss man sich einmal vorstellen, dass selbst der Letztverkäufer nicht wissen kann, ob ihm ein Verbraucher gegenübersteht. Deswegen ist dem jeweiligen Lieferanten beim Weiterverkauf stets zu raten, seine AGB so zu gestalten, dass er die Möglichkeit einer Inanspruchnahme durch seinen Abnehmer bei Mängeln bedenkt, um zu vermeiden, in eine „Haftungsfalle“ zu geraten, bei der ihm die Möglichkeit verwehrt bleibt seinen Schaden von demjenigen ersetzt zu bekommen, von dem er die Sache gekauft hat.
Der Umstand, dass § 478 I BGB die Vorhersehbarkeit eines Verbrauchsgüterkaufes nicht voraussetzt, führt eben zu einem letztverkäuferfreundlichen Ergebnis.
4. Der Fall des zweiten Verbrauchsgüterkaufs
Wie ist es aber nun, wenn nach dem ersten ein weiterer Verbrauchsgüterkauf in der Absatzkette auftaucht? Jedenfalls der Wortlaut des § 478 I BGB besagt nicht, dass der erste Verbrauchsgüterkauf auch der letzte Kaufvertrag auf dem Weg zum endgültigen Abnehmer der Sache gewesen sein muss.
Zunächst kann jedoch festgehalten werden, dass dann, wenn der Verbraucher-Käufer die Kaufsache an einen Unternehmer und dieser sie sogleich an einen weiteren Verbraucher veräußert, ein Unternehmerregress nach § 478 I BGB schon am fehlenden Unternehmer-Lieferanten iSd § 478 I BGB scheitert.
5. Beschränkung des Rückgriffs auf den unmittelbaren Vertragspartner
Dem Rückgriff liegt der Gedanke zugrunde, dass der Käufer einer mangelhaften Sache sich nur an seinen unmittelbaren Vertragspartner wenden soll, und nicht an denjenigen, der ursprünglich für den Mangel verantwortlich ist. Man hat sich ja schließlich auch genau denjenigen als Vertragspartner ausgesucht, von dem man eine Sache erwerben möchte, so dass sich die Abwicklung dieses Vertrags nach den Vereinbarungen dieser Vertragsparteien richtet.
Ein eigenständiger Rückgriffsanspruch für den Letztverkäufer wird in § 478 I BGB nicht postuliert und erst recht kein Direktanspruch gegen den letztlich verantwortlichen Verkäufer (meist der Hersteller der Sache) der Lieferkette. Die Regelung des § 478 I BGB ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die allgemeinen Gewährleistungsrechte des Letztverkäufers aus §§ 437 ff. BGB gegen seinen unmittelbaren Vertragspartner, den Lieferanten-Verkäufer der Kaufsache durch § 478 I BGB nur modifiziert werden. Somit kann man bei § 478 I BGB lediglich von einem „unselbständigen Regress“ sprechen, der auf den Rechten eines jeden Käufers gegen seinen Verkäufer aufbaut und diese als gegeben voraussetzt.
Beispiel:
Der Hardware-Händler kauft bei seinem Lieferanten 20 PC. Sollten die PC mangelhaft sein, hat der Hardware-Händler gegen seinen Lieferanten die allgemeinen Gewährleistungsrechte aus §§ 437 ff. BGB (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz). Verkauft der Hardware-Händler einen PC nun an einen Verbraucher (zwischen ihnen liegt ein Verbrauchsgüterkauf iSv § 474 I 1 BGB vor), ohne vorher den Mangel bemerkt zu haben und wird dann von seinem Käufer (Verbraucher) wegen dieses Mangels in Anspruch genommen (hier gelten die allgemeinen Gewährleistungsrechte der §§ 437 ff. BGB) , kommt die Regelung des § 478 I BGB ins Spiel. Jetzt nämlich sind die Voraussetzungen des § 478 I BGB erfüllt, so dass der Hardware-Händler seinen Lieferanten in Anspruch nehmen kann und zwar in der Form, in der er gerade zuvor von seinem Käufer wegen des Mangels in Anspruch genommen worden ist. Der Hardware-Händler muss sich also nicht die Mühe machen und wegen des Mangels Kontakt zum Hersteller der PC aufnehmen und von diesem die ihm wegen des Mangels entstandenen Kosten eintreiben.
6. Vertrag zwischen zwei Unternehmern
§ 478 I BGB setzt also einen Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) in der Lieferkette voraus. Bedeutsam ist diese Voraussetzung des § 478 I BGB vor allem dort, wo der Handelsverkehr betroffen ist, also ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine neu hergestellte Sache kauft.
Hier ist natürlich nachvollziehbar, dass jeder Letztverkäufer (also nicht nur der, der an einen Verbraucher gerät) von Anfang an nur ein Interesse am Weiterverkauf der Sache und im Haftungsfall an einer schnellen Weiterleitung der Haftung hat.
Nachdem aber kein Unternehmer, der die Sache weiterverkauft, mit Sicherheit wissen kann, ob irgendwann am Ende der Lieferkette ein Käufer Verbraucher (§ 13 BGB) sein wird (mit der Folge, dass der Unternehmer (Verkäufer) dann einer Haftung nach § 478 BGB ausgesetzt ist), kann er dieser Ungewissheit nur dadurch begegnen, dass er entsprechende Vertragsklauseln in den Vertrag aufnimmt, die sowohl den Fall eines Verbrauchsgüterkaufs (ein Verbraucher erwirbt die Sache), als auch den eines allgemeinen Kaufs (ein Unternehmer erwirbt die Sache) vorsehen. Eine solche Klausel kann in dem Vertrag ohne weiteres aufgenommen werden und wird auch nicht an der mangelnden Bestimmtheit scheitern.
Außerdem wird der unternehmerische Letztverkäufer aber zumindest auch außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs im Rahmen des §§ 307 II Nr.1 iVm 310 I BGB geschützt, wenn er also durch eine getroffene Vereinbarung mit seinem Lieferanten unangemessen benachteiligt wird.
Hinweis
Eine solche Vereinbarung ist dann unangemessen, wenn derjenige, der die Vereinbarung vorgeschlagen hat, missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm keinen angemessenen Ausgleich zugesteht.
7. Versuch, den geforderten Verbrauchsgüterkauf zu umgehen
„Not macht erfinderisch“, und so kann es vorkommen, dass der Letztverkäufer einen Privatmann beauftragt, ihm die Kaufsache nur deshalb abzukaufen, damit er bei seinem Lieferanten Regress nach § 478 I BGB nehmen kann. Dies kann zum Beispiel sinnvoll sein:
bei einer unmittelbar drohenden Verjährung der Ansprüche des Letztverkäufers gegen seinen Lieferanten. Hier kommt die durch § 479 BGB gewährte Nachfrist sehr gelegen.
Dies wird aber von der Rechtsprechung als Umgehung gewertet. Denn es kommt Letztlich entscheidend darauf an, dass der sich als Verbraucher gerierende Unternehmer nicht zu privaten Zwecken handelt und damit auch nicht Verbraucher iSd § 13 BGB sein kann. Dies ist aber Voraussetzung für den erleichterten Rückgriff des Unternehmers bei seinem Lieferanten.
8. Beweislast
Eine häufig gestellte Frage ist, wer die Beweislast im Falle des Unternehmerregresses für das Vorhandensein des Mangels trägt. Der Letztverkäufer, der Lieferant und Vorlieferant müssen den Verkauf an einen Verbraucher und den Sachmangel ( § 434 BGB) zur Zeit des jeweiligen Gefahrübergangs (§ 446 BGB) beweisen. Darüber hinaus müssen sie die Rücknahme oder Reparatur der verkauften Sache beweisen und darlegen, dass sie zur Rücknahme oder Reparatur verpflichtet waren. Ein Rückgriff des Verkäufers gegen seinen Lieferanten scheidet also von vornherein aus, wenn dieser die Sache nur aus Kulanz zurückgenommen oder repariert hat. Erforderlich ist vielmehr, dass er die Sache zurücknehmen oder reparieren musste.
Beispiel:
Der Käufer (Verbraucher) kauft beim Hardware-Händler (Unternehmer) einen PC.
Der PC zeigt nach 2,5 Jahren einen Mangel. Der Verkäufer (Hardware-Händler) ist hier nicht mehr zur Rücknahme oder Reparatur des PC verpflichtet, da die zweijährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche (Gewährleistungsfrist) des § 438 I Nr.3 BGB abgelaufen ist. Nimmt er den PC dennoch zurück, kann er seinen Lieferanten (Hersteller) nicht in Regress nehmen, da er nur aus Kulanz tätig wurde.
Innerhalb der Lieferkette hat grundsätzlich der jeweilige Verkäufer den mangelfreien Zustand der Sache zur Zeit des Gefahrübergangs zu beweisen.
Für den Zeitpunkt gilt die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB mit der Beweislast des Verkäufers (Beweislastumkehr), wobei die 6-Monatsfrist mit dem Gefahrübergang auf den Verkäufer beginnt gem. § 478 III BGB.
Die Regelung des § 476 BGB, die unmittelbar das Verhältnis Letztverkäufer (Unternehmer) zum Verbraucher (Käufer) betrifft, wird auf das Verhältnis Letztverkäufer zu seinem Lieferanten erstreckt. Dabei gilt die Regelung für die übrigen Käufer der Lieferkette und deren Ansprüche gegen ihre Verkäufer (Vorlieferanten), soweit die Lieferkette bis zum Hersteller reicht.
Der Verbraucher, der eine mangelhafte Sache von einem Unternehmer erwirbt, muss wegen § 476 BGB daher nicht beweisen, dass die Sache beim Erwerb mangelhaft war, da die Vermutung des § 476 BGB automatisch davon ausgeht, dass der Mangel zumindest im Keim vorhanden war.
Zugunsten des jeweiligen Verkäufers wird nun grundsätzlich auch gem. §§ 478 III, 476 BGB vermutet, dass der Sachmangel in dem Moment, in dem er sie von seinem Lieferanten erworben hat, zumindest im Keim vorhanden war, wobei die Frist erst mit dem Übergang der Gefahr auf den Verbraucher beginnt.
Eine abweichende Vereinbarung, welche die 6-Monatsfrist des § 476 BGB verkürzt, ist gemäß § 478 IV BGB unzulässig.
9. Die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB
Gemäß § 377 HGB gilt für Kaufleute, dass sie ihre Mängelansprüche verlieren, wenn sie Mängel nicht unverzüglich nach Kenntnis rügen. Sie haben darüber hinaus die Pflicht, eine Sache bei Lieferung auf Mängel zu untersuchen. Werden diese Pflichten nicht eingehalten und hätte der Kaufmann, den Mangel erkennen und rügen können, verliert er seine Regressansprüche. Der Unternehmerregress wird unterbrochen.
Dies gilt nicht, wenn die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB individualvertraglich ausgeschlossen wird. Ein Ausschluss des § 377 HGB in AGB ist dagegen wegen § 307 II Nr.1 BGB nicht möglich, da darin eine unangemessene Benachteiligung zu sehen ist.
Beispiel:
Ein Hardware-Händler kauft von einem anderen Unternehmer (Lieferant) 20 Scanner. Dabei vereinbaren sie den Ausschluss der Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB. Nun entdeckt der Hardware-Händler nach 1 Monat Verarbeitungsfehler, die ohne weiteres erkennbar gewesen wären, wenn er die Scanner beim Erhalt auf Fehler untersucht hätte. Hätten die Parteien keinen Ausschluss des § 377 HGB vereinbart, hätte der Käufer gegen den Verkäufer seine Mängelrechte verloren, da er die Ware nicht unverzüglich untersucht und die Fehler gerügt hat.
§ 377 HGB setzt einen Handelskauf voraus, dass heißt, Verkäufer und Käufer müssen Kaufleute sein (§ 1 II HGB) und das Geschäft zum Betrieb ihres jeweiligen Handelsgewerbes gehören. Ein solcher liegt in der Lieferkette zwischen den Vertragsparteien in der Regel vor. An der kaufmännischen Pflicht, die gelieferte Sache unverzüglich zu untersuchen und Mängel anzuzeigen, auch wenn es Verbrauchsgut ist, ändert sich nichts.
Dabei ist zwischen offenen (§ 377 I HGB) und versteckten (§ 377 II HGB) Mängeln zu unterscheiden. Liegt ein offener Mangel vor, so muss ihn der Käufer unverzüglich nach der Untersuchung der Ware dem Verkäufer anzeigen.
Bei einem versteckten, also trotz ordnungsgemäßer Untersuchung der Ware nicht erkennbarem Mangel, muss der Käufer dem Verkäufer den Mangel sofort nach Entdeckung mitteilen. Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Mängelanzeige gem. § 377 IV HGB.
Diese Pflicht des jeweiligen Käufers aus § 377 HGB gilt für den Weg der Sache zum Letztverkäufer (Verkauf an den Verbraucher), nicht jedoch für den Rückgriff, wenn die als mangelhaft zurückgewiesene Sache dem Lieferanten, Vorlieferanten oder Hersteller im Wege des Rückgriffs zurückerstattet wird. Die Anwendung des § 377 HGB ist daher geeignet, die Rückgriffskette zu unterbrechen.
Im oben genannten Fall trifft die Rügepflicht also den Hardware-Händler gegenüber seinem Lieferanten, wenn sie nicht individualvertraglich ausgeschlossen wurde. Unterlässt er die Rüge, führt dies zu einem Verlust seiner eigenen gegenüber dem Lieferanten bestehenden Mängelansprüche gem. § 377 II HGB. Er bleibt somit auf der Haftung gegenüber dem Käufer (Verbraucher) sitzen, da er keinen Rückgriff nehmen kann.
10. Verjährung der Rückgriffsansprüche
Gem. § 479 BGB gilt für den Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten ebenfalls die bereits erwähnte Beweislastumkehr (§ 476 BGB) . Die Verjährung seiner Ansprüche gegen seinen Lieferanten unterliegt gem. § 479 II BGB einer Ablaufhemmung, aufgrund derer die Verjährung frühestens erst zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat, und endet spätestens 5 Jahre, nachdem der Verkäufer selbst die Ware durch seinen Lieferanten erhalten hat. Vereinbarungen, die diese Form des Unternehmensregresses ausschließen, sind gem. § 478 IV BGB unwirksam.
Die in § 479 II BGB geregelte Ablaufhemmung ist notwendig, da es vorkommen kann, dass der Verbraucher seine Rechte aus § 437 BGB gegen den Letztverkäufer erst später geltend macht.
Die Regelung des § 479 BGB gilt aber nur im Verhältnis Letztverkäufer, Lieferanten, Vorlieferanten und Hersteller und nur bei neu hergestellten Sachen.
Eine abweichende Vereinbarung der Verjährungsfristen ist grundsätzlich möglich, aber durch § 478 IV BGB eingeschränkt, dass heißt, für eine kürzere Verjährung ist ein gleichwertiger Ausgleich einzuräumen.
Beispiel:
Der Hardware-Händler (Letztverkäufer) kauft bei seinem Lieferanten 20 Drucker und legt diese zunächst 1,5 Jahre in sein Lager bis er sie schließlich an einen Verbraucher weiterverkauft. Nun vergeht ein weiteres Jahr bis der Hardware-Händler von seinem Käufer (Verbraucher) wegen eines Mangels in Anspruch genommen wird. Der Anspruch des Letztverkäufers gegen den Lieferanten wegen des Mangels wäre damit wegen der zweijährigen Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB schon verjährt, wenn der Letztverkäufer vom Verbraucher in Anspruch genommen würde. Würde der Beginn der Verjährungsfrist, die zwischen Hardware-Händler und Lieferant besteht, nicht bis zu dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Letztverkäufers durch den Verbraucher hinausgeschoben werden (Ablaufhemmung), wäre der Händler schutzlos einer Haftung ausgeliefert. Da dieser Schwebezustand (Ablauf der Verjährungsfrist ist zugunsten des Letztverkäufers gehemmt) natürlich nicht unbegrenzt gelten kann, da der Lieferant auch schutzwürdig ist und irgendwann auch ein Ende seiner Haftung in Sicht sein muss, endet diese Ablaufhemmung spätestens nach fünf Jahren, nachdem der Lieferant die Sache dem Unternehmer abgeliefert hat gem. § 479 II 2 BGB.
11. Fazit
AGB-Klauseln, die Mängelansprüche des Vertragspartners beschränken, müssen wirksam formuliert werden. Sind sie es nicht, gelten die gesetzlichen Regelungen und damit keinerlei Beschränkung.
In B2B-AGB muss daher die Tatsache Berücksichtigung finden, dass der Käufer seinerseits als Verkäufer auftreten kann und die Ware an einen Verbraucher weiterverkauft. In diesem Fall gelten die Ansprüche gemäß § 478 BGB, die gemäß § 478 IV BGB in AGB und sogar in Individualverträgen kaum zu modifizieren sind.
Da in B2B-AGB nicht auszuschließen ist, dass eine Ware von dem Käufer an einen Verbraucher weiterverkauft wird, sollten B2B-AGB die Ansprüche aus § 478 BGB daher stets unberührt lassen.
Anmerkung: Der vorliegende Beitrag wurde unter Mitwirkung unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Sandra Huber, erstellt.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Thomas Förstermann / PIXELIO
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1 Kommentar
"Innerhalb der Lieferkette hat grundsätzlich der jeweilige Verkäufer den mangelfreien Zustand der Sache zur Zeit des Gefahrübergangs zu beweisen.
Für den Zeitpunkt gilt die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB mit der Beweislast des Verkäufers (Beweislastumkehr), wobei die 6-Monatsfrist mit dem Gefahrübergang auf den Verkäufer beginnt gem. § 478 III BGB. "
heißen:
Innerhalb der Lieferkette hat grundsätzlich der jeweilige KÄUFER den mangelhaften Zustand der Sache zur Zeit des Gefahrübergangs zu beweisen.
Für den Zeitpunkt gilt die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB mit der Beweislast des Verkäufers (Beweislastumkehr), wobei die 6-Monatsfrist mit dem Gefahrübergang auf den VERBRAUCHER beginnt gem. § 478 III BGB.
...oder sehe ich das falsch?