Widerrufsrecht: Probleme in Zusammenhang mit der Nachnahme
Nachnahme und Widerrufsrecht treffen nur selten aufeinander, werfen dann aber komplexe rechtliche Fragen auf: Wer trägt welche Kosten, welche Folgen hat eine Nichtannahme und wie agieren Händler rechtssicher?
Inhaltsverzeichnis
- Kostentragung für die Nachnahme bei Widerruf
- 1. Die Nachnahme
- 2. Der Widerruf und seine Folgen
- 3. Einordnung der Nachnahmekosten
- Konsequenzen der Nichtannahme einer Nachnahmesendung
- 1. Nichtannahme als Widerruf?
- 2. Reaktionsmöglichkeit des Unternehmers
- 3. Kostentragung der Nachnahmegebühren
- Rücksendung per Nachnahme im Widerrufsfall
- Verwendung desselben Zahlungsmittels
- Fazit
Kostentragung für die Nachnahme bei Widerruf
Beispielsfall:
Ein Verbraucher bestellt bei einem Händler Ware über dessen Onlineshop. Er entscheidet sich dabei nicht für den regulären Versand für 3 €, sondern für die Nachnahme zu einem Aufpreis von 5 €. Nach Erhalt der Ware erklärt er fristgemäß und auch sonst wirksam den Widerruf.
Frage: Wer trägt in einem solchen Fall die Kosten für die Nachnahme?
1. Die Nachnahme
Die Nachnahme ist eine Versand- bzw. Zahlungsoption, bei der der Verbraucher den Kaufpreis erst bei Übergabe der Ware an den Paketzusteller entrichtet. Zusätzlich fällt ein gesondertes Entgelt für den Nachnahmeservice an, das vom Zustellunternehmen einbehalten wird; der Kaufpreis wird an den Händler weitergeleitet.
Für den Verbraucher kann diese Versandart vorteilhaft sein, da die Ware regelmäßig ohne Vorleistung und ohne Verzögerung durch einen Zahlungseingang versendet wird. Auch für den Händler bietet die Nachnahme Vorteile, weil der Kaufpreis unmittelbar bei Übergabe der Ware vereinnahmt wird und ein Zahlungsausfall – etwa wie beim Kauf auf Rechnung – ausgeschlossen ist.
Zu beachten ist allerdings, dass der Besteller bei Zustellung anwesend sein muss, da eine Übergabe an Nachbarn wegen der Zahlungspflicht regelmäßig nicht erfolgt.
Wird der Empfänger nicht angetroffen, kommt es je nach Zustelldienst zu weiteren Zustellversuchen, zur Hinterlegung in einer Filiale oder zur Rücksendung an den Händler.
2. Der Widerruf und seine Folgen
Bei Kaufverträgen, die ein Verbraucher über einen Online-Shop geschlossen hat, steht ihm bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB i. V. m. § 355 BGB zu. Der Widerruf ist durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer auszuüben; aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf eindeutig hervorgehen (§ 355 Abs. 1 BGB) .
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (§ 355 Abs. 2 BGB) .
Mit Ausübung des Widerrufs ist der Verbraucher an seine ursprüngliche Vertragserklärung nicht mehr gebunden. Die empfangenen Leistungen sind beiderseits spätestens innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren (§ 357 Abs. 1 BGB) . Der Verbraucher hat die Ware zurückzusenden, der Unternehmer bereits geleistete Zahlungen zu erstatten.
3. Einordnung der Nachnahmekosten
Nach § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Unternehmer im Widerrufsfall auch die vom Verbraucher gezahlten Lieferkosten (Hinsendekosten) zu erstatten. Diese Regelung gilt seit dem 13.06.2014 und setzt die zuvor durch das EuGH-Urteil vom 15.04.2010 (Az. C-511/08) entwickelte Rechtsprechung gesetzlich um.
Hiervon ausgenommen sind gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB jedoch solche Kosten, die allein deshalb angefallen sind, weil sich der Verbraucher für eine andere als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die bei einer Nachnahme anfallenden Zusatzkosten einzuordnen sind: als besondere Lieferart oder als besondere Zahlungsart.
Zwar weist die Nachnahme zahlungsbezogene Elemente auf, sie wird jedoch überwiegend als besondere Art der Lieferung eingeordnet. Auch bei der Nachnahme schuldet das Versandunternehmen primär die Zustellung der Ware; die Einziehung des Kaufpreises stellt lediglich eine ergänzende Zusatzleistung dar.
Die Nachnahme ist daher als besondere Lieferart anzusehen. Folge hiervon ist, dass der Verbraucher im Widerrufsfall die hierfür angefallenen Mehrkosten gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erstattet verlangen kann.
Zusammenfassend sind bei wirksamer Ausübung des Widerrufsrechts die Nachnahmegebühren vom Verbraucher selbst zu tragen, sofern ihm eine günstigere Standardlieferung ohne unzumutbare Nachteile zur Verfügung gestanden hätte.
Konsequenzen der Nichtannahme einer Nachnahmesendung
Problematischer als der Regelfall sind Konstellationen, in denen der Händler die Ware per Nachnahme versendet, der Verbraucher die Sendung jedoch nicht annimmt. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach den rechtlichen Folgen und der Kostentragung.
1. Nichtannahme als Widerruf?
Ein Widerruf erfordert nach § 355 Abs. 1 BGB eine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Unternehmer, aus der der Entschluss zum Widerruf eindeutig hervorgeht. Eine bloße Annahmeverweigerung genügt diesen Anforderungen nicht.
Die allein durch die Nichtannahme veranlasste Rücksendung der Ware an den Händler stellt daher keine wirksame Ausübung des Widerrufsrechts dar. Der Kaufvertrag bleibt zunächst mit seinen Hauptpflichten bestehen.
Dem Verbraucher steht es allerdings frei, den Widerruf innerhalb der gesetzlichen Frist nachträglich ausdrücklich zu erklären – auch dann, wenn die Ware bereits an den Unternehmer zurückgesandt wurde.
2. Reaktionsmöglichkeit des Unternehmers
Geht die Ware ohne Widerrufserklärung an den Händler zurück, besteht zunächst keine unmittelbare Handlungspflicht. Gleichwohl entsteht für den Unternehmer eine rechtliche Unsicherheit, da offenbleibt, ob der Verbraucher den Widerruf noch ausdrücklich erklären wird.
Mangels Übergabe ist es regelmäßig nicht zu einem Eigentumsübergang nach § 929 Satz 1 BGB gekommen, sofern vertraglich nichts Abweichendes vereinbart wurde. Der Verbraucher befindet sich im Annahmeverzug und bleibt bei Eintritt des Annahmeverzugs und unter den Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB grundsätzlich selbst bei einem zufälligen Untergang der Sache zur Zahlung verpflichtet.
a. Kein Beginn der Widerrufsfrist
Mangels Warenerhalts beginnt die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB nicht zu laufen. Solange dem Verbraucher die Ware nicht tatsächlich übergeben wurde, beginnt die Widerrufsfrist daher nicht.
Zwar wird in der Literatur diskutiert, ob eine Annahmeverweigerung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einem Fristbeginn gleichzustellen oder eine spätere Ausübung als verwirkt anzusehen ist. Eine gefestigte Rechtsprechung hierzu besteht bislang jedoch nicht.
b. Empfohlenes Vorgehen in zwei Schritten
Um die bestehende Unsicherheit aufzulösen, empfiehlt sich ein zweistufiges Vorgehen:
Erster Schritt
Der Händler sollte den Verbraucher darauf hinweisen, dass die Annahmeverweigerung keinen Widerruf darstellt, und ihn zur ausdrücklichen Erklärung auffordern.
Erfolgt daraufhin der Widerruf, ist die Rückabwicklung abgeschlossen; da weder Ware noch Kaufpreis beim Verbraucher verblieben sind, sind keine Leistungen zurückzugewähren.
Zweiter Schritt
Bleibt eine Reaktion aus, kann der Händler nach fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Nachfrist gemäß § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten, da der Verbraucher seine Pflichten aus § 433 Abs. 2 BGB verletzt hat.
Nach wirksamem Rücktritt entfällt ein Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung von Versand- oder Nachnahmekosten. Eine Rückgewähr von Leistungen ist mangels Leistungsaustauschs nicht erforderlich (§ 346 BGB) .
3. Kostentragung der Nachnahmegebühren
Bei Nichtannahme fallen regelmäßig zumindest anteilige Nachnahmegebühren an. Diese sind sowohl bei wirksamem Widerruf als auch bei fortbestehendem oder durch Rücktritt beendeten Vertrag vom Verbraucher zu tragen.
Im Widerrufsfall folgt dies aus § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB, im Übrigen aus der fortbestehenden vertraglichen Kostentragungspflicht. Dass der Verbraucher die Ware nicht annimmt, ändert nichts daran, dass er sich bei Vertragsschluss zur Tragung der Kosten der gewählten Lieferart verpflichtet hat. Die Annahmeverweigerung lässt diese Kostentragungspflicht unberührt.
Rücksendung per Nachnahme im Widerrufsfall
Nach § 357 Abs. 5 Satz 1 BGB trägt der Verbraucher die Rücksendekosten, sofern er hierüber ordnungsgemäß belehrt wurde.
Auch wenn der Unternehmer sich vertraglich zur Übernahme der Rücksendekosten verpflichtet hat, umfasst dies grundsätzlich nur die üblichen und wirtschaftlich angemessenen Rücksendekosten.
Die Rücksendung per Nachnahme stellt eine kostenintensive und atypische Versandart dar. Der Verbraucher hat die hierfür anfallenden Mehrkosten selbst zu tragen. Ein Erstattungsanspruch besteht insoweit nicht.
Verwendung desselben Zahlungsmittels
Würde man die Nachnahme als Zahlungsmittel einordnen, ergäbe sich aus § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich die Pflicht des Unternehmers, die Rückzahlung mit demselben Zahlungsmittel vorzunehmen.
Da ein Rückversand per Nachnahme weder praktikabel noch vom Gesetzgeber intendiert ist, ist § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB teleologisch zu reduzieren. Der Unternehmer darf daher ausnahmsweise auf ein übliches Zahlungsmittel, etwa eine Überweisung, zurückgreifen.
Fazit
Die Nachnahme bleibt eine rechtlich anspruchsvolle Versandoption im Zusammenspiel mit dem Widerrufsrecht.
Im Ergebnis gilt:
- Nachnahmegebühren sind im Widerrufsfall nicht zu erstatten.
- Die bloße Annahmeverweigerung stellt keinen Widerruf dar.
- Rücksendungen per Nachnahme begründen keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der hierdurch entstehenden Mehrkosten.
- Unternehmer sollten bei Annahmeverweigerungen aktiv werden, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
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7 Kommentare
zusätzlich.
Darauf wird der Händler regelmäßig sitzen bleiben oder gibt es dazu schon einschlägige Entscheidungen?
ich habe eine einfache, aber interessanten Fall bzgl. Nachnahmeverweigerun:
Ich habe online etwas per Nachnahme bestellt und bereits nach 4 Tagen von meinem Widerrufsrecht gebraucht gemacht.
Der Händler sagte mir, dass die Ware jetzt schon unterwegs sei.
Jetzt ist nach 3 Wochen doch die Ware angeliefert worden, jedoch war ich nicht zu Hause und es wurde an eine Filiale geliefert.
Ich möchte die Ware nicht annehmen.
Reicht es, dass ich die Ware einfach nicht annehme indem ich nicht zur Post gehe, oder muss ich zur Post, es annehmen, und selbst wieder zurückschicken?
Danke und Gruß,
Harald
Ich
bin der Meinung, dass ich nicht dazu verpflichtet bin.
Eine Frage bleibt für mich aber offen:
Warum werden Nachnahmegebühren überhaupt zu den Versandkosten gezählt? Nach meiner Meinung sind dies Kosten der Zahlungsart und haben mit Versandkosten überhaupt nichts zu tun.
...müssen also im Widerrufsfall auch nicht erstattet werden. Was meinen Sie?