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Konflikte rund um den Widerruf

Kommentarlose Rücksendungen im Online-Handel: Was gilt?

Kommentarlose Rücksendungen im Online-Handel: Was gilt?
8 min
Beitrag vom: 23.10.2015
Aktualisiert: 21.12.2025

Kommentarlose Rücksendungen sorgen im Online-Handel regelmäßig für Unsicherheit. Wann liegt ein wirksamer Widerruf vor und wann nicht?

Der folgende Beitrag stellt die aktuelle Rechtslage dar und zeigt, wie Händler kommentarlosen Retouren rechtssicher und zugleich praxisnah begegnen können.

Wirksamer Widerruf: Erklärung erforderlich, Rücksendung allein genügt nicht

Das Widerrufsrecht im Fernabsatz setzt zwingend eine ausdrückliche Erklärung des Verbrauchers voraus.

Eine bloße Rücksendung der Ware genügt hierfür gerade nicht! Vielmehr muss der Widerruf eindeutig erkennen lassen, dass der Verbraucher den Vertrag nicht mehr gelten lassen will (§ 355 Abs. 1 BGB) .

An die Form dieser Erklärung werden freilich keine hohen Anforderungen gestellt.

Sie kann

  • schriftlich,
  • elektronisch oder auch
  • mündlich

erfolgen. Auch das gesetzliche Muster-Widerrufsformular kann genutzt werden, muss es aber nicht. Eine Begründung für den Widerruf schuldet der Verbraucher nicht.

Entscheidend ist allein, dass der Widerrufswille klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Fehlt es an einer solchen Erklärung, liegt rechtlich kein wirksamer Widerruf vor – selbst dann nicht, wenn die Ware vollständig, unbeschädigt und innerhalb der Widerrufsfrist zurückgesandt wird.

Eine kommentarlos eingehende Rücksendung ist daher nach dem gesetzlichen Leitbild nicht automatisch als Widerruf zu qualifizieren.

Die bloße Rücksendung wahrt die Widerrufsfrist also gerade nicht.

Maßgeblich ist allein die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung; ihr Zugang beim Händler kann auch erst nach Fristablauf erfolgen.

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Widerruf auch nach der Rücksendung möglich

Das Gesetz schreibt keine feste Reihenfolge zwischen Widerrufserklärung und Rücksendung vor. Der Verbraucher kann die Ware daher zunächst zurücksenden und die Widerrufserklärung innerhalb der laufenden Widerrufsfrist nachholen.

Geht die Widerrufserklärung fristgerecht beim Händler ein, wird der Widerruf wirksam. Die bereits eingegangene Rücksendung ist dann als vorweggenommene Rückgewähr im Rahmen der Rückabwicklung zu behandeln (§ 357 BGB) .

Der Händler ist in diesem Fall zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet.

Kommentarlose Retouren – wie damit rechtssicher umgehen?

Der rechtlich richtige Umgang hängt maßgeblich davon ab, ob die Rücksendung

  • innerhalb der Widerrufsfrist oder
  • außerhalb der Widerrufsfrist

eingeht.

1. Kommentarlose Retouren innerhalb der Widerrufsfrist

Geht die Ware innerhalb der Widerrufsfrist ohne Widerrufserklärung ein, ist der Händler noch nicht zur Rückzahlung verpflichtet. Gleichwohl ist in dieser Situation ein umsichtiges Vorgehen erforderlich:

Erste Option: Fristablauf abwarten

Der Händler kann den weiteren Fristablauf abwarten. Erfolgt bis zum Fristende keine ausdrückliche Widerrufserklärung, erlischt das Widerrufsrecht.

Die Rücksendung entfaltet in diesem Fall keine widerrufsrechtlichen Wirkungen.

Von der Annahmeverweigerung einer Retoure ist generell abzuraten. Der Händler kann regelmäßig nicht sicher beurteilen, ob der Verbraucher den Widerruf nicht bereits auf anderem Weg – etwa elektronisch – fristgerecht erklärt hat. Eine Zurückweisung der Ware kann daher rechtliche und praktische Risiken nach sich ziehen.

Zweite Option: Hinweis auf die fehlende Widerrufserklärung („Zweitbelehrung“)

Statt den Fristablauf abzuwarten kann der Händler den Verbraucher auch darauf hinweisen, dass bislang keine Widerrufserklärung vorliegt, und ihn zur ordnungsgemäßen Ausübung des Widerrufsrechts auffordern.

Eine solche Zweitbelehrung ist rechtlich nicht vorgeschrieben, hat sich in der Praxis jedoch als sinnvolles Instrument der Risikosteuerung bewährt. Sie schafft Transparenz, vermeidet spätere Streitigkeiten und führt häufig frühzeitig zu Klarheit.

Insbesondere dann, wenn der Händler für den Fall des Fristablaufs weitere Maßnahmen erwägt, etwa die Aufforderung zur Rücknahme der Ware, ist eine frühzeitige Information des Verbrauchers empfehlenswert. Sie reduziert das Risiko, sich später den Vorwurf unzureichender Schadensminderung entgegenhalten lassen zu müssen.

Für die rechtssichere Kommunikation stellen wir unseren Mandanten in unserem Mandantenportal ein professionelles Muster für eine entsprechende Zweitbelehrung bereit.

Das Muster stellt klar, dass bislang kein wirksamer Widerruf vorliegt, erläutert die hieraus folgenden Rechtsfolgen und fordert den Verbraucher zur fristgerechten Abgabe einer Widerrufserklärung auf.

2. Kommentarlose Retouren nach Ablauf der Widerrufsfrist

Geht die Rücksendung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist ein oder wird eine innerhalb der Frist eingegangene Retoure nicht durch eine fristgerecht abgesendete Widerrufserklärung begleitet, besteht der Kaufvertrag fort.

a. Eigentum an der Ware und Rechtsstellung des Händlers

Der Verbraucher ist Eigentümer der Ware geblieben. Der Händler ist lediglich Besitzer fremden Eigentums und nicht berechtigt, die Ware weiterzuverkaufen oder anderweitig zu verwerten.

Eine unbefugte Weiterveräußerung kann – insbesondere bei einem gutgläubigen Erwerb durch Dritte – Ersatzansprüche auslösen und zu einer Herausgabepflicht des Erlöses nach § 816 BGB führen.

Der Händler hat die Ware daher sorgfältig zu verwahren und den Verbraucher in die Lage zu versetzen, sie zurückzuerhalten.

b. Hinweis an den Verbraucher auf Fortbestand des Kaufvertrags

Der Verbraucher sollte zeitnah und nachweisbar darüber informiert werden, dass kein wirksamer Widerruf vorliegt und der Kaufvertrag fortbesteht. Zugleich sollte der Verbraucher eindeutig zur Rücknahme der Ware aufgefordert werden.

Ohne eine solche Aufforderung besteht die Gefahr, dass fremdes Eigentum dauerhaft beim Händler verbleibt, ohne dass hierfür eine rechtliche Grundlage besteht.

Wir stellen unseren Mandanten hierzu in unserem Mandantenportal ein speziell entwickeltes Muster zur Verfügung.

Das Muster stellt klar, dass das Widerrufsrecht erloschen ist, erläutert die rechtlichen Konsequenzen und fordert den Verbraucher zur Rücknahme der Ware auf.

c. Rückgabe der Ware an den Verbraucher

Der Händler ist grundsätzlich verpflichtet, dem Verbraucher die Ware wieder herauszugeben. Er kann die Herausgabe jedoch regelmäßig davon abhängig machen, dass der Verbraucher die hierfür entstehenden Versandkosten übernimmt.

Eine Verpflichtung des Händlers, die Ware auf eigene Kosten zurückzusenden, besteht in dieser Konstellation nicht.

Alternativ kann dem Verbraucher auch die Abholung der Ware angeboten werden, sofern dies zumutbar ist.

d. Lagerkosten für zurückgesandte Ware

Da der Händler fremdes Eigentum verwahrt, kann im Einzelfall ein Ersatz notwendiger Aufwendungen in Betracht kommen, etwa nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) .

In der Praxis ist die Durchsetzung von Lagerkosten jedoch konfliktträchtig und regelmäßig nur als letztes Mittel sinnvoll. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte der Verbraucher vorab klar und unmissverständlich auf mögliche Lagerkosten hingewiesen werden. Erst ab diesem Zeitpunkt lassen sich entsprechende Ansprüche nachvollziehbar begründen.

Wir stellen unseren Mandanten in unserem Mandantenportal zwei aufeinander abgestimmte Muster zur Verfügung.

  • Die Muster greifen zunächst den fruchtlosen Ablauf der Widerrufsfrist auf, stellen klar, dass kein wirksamer Widerruf vorliegt, und fordern den Verbraucher zur Rücknahme der Ware auf.
  • Bleibt auch diese Aufforderung erfolglos, ermöglichen sie eine erneute, nachvollziehbar begründete Aufforderung unter Hinweis auf anfallende Lagergebühren und schaffen damit eine eindeutige rechtliche Einordnung der Rücksendung.

Eigener Online-Shop und Marktplätze: Gesetzliche Rechtslage und Plattformpraxis

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Rechtslage bei kommentarlosen Rücksendungen eindeutig geregelt. Im Plattform-Handel wird diese rechtliche Position jedoch häufig durch automatisierte Prozesse, Käuferschutzprogramme und interne Vorgaben faktisch überlagert.

Händler, die hier ausschließlich auf ihre formale Rechtsposition setzen, riskieren negative Bewertungen, Verschlechterungen von Leistungskennzahlen oder kontobezogene Sanktionen.

Online-Händler sollten daher wie folgt unterscheiden:

  • Im eigenen Online-Shop können und sollten Händler die gesetzlichen Vorgaben des BGB konsequent anwenden.
  • Auf Marktplätzen ist häufig ein serviceorientierter Ansatz angezeigt. Rücksendungen werden dort in der Praxis oft wie ein Widerruf behandelt – nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern aus plattformökonomischen Gründen.

Fazit: Klare Rechtslage, differenzierte Umsetzung

Kommentarlose Rücksendungen kommen im Online-Handel regelmäßig vor. Rechtlich gilt dabei ein klarer Grundsatz: Ohne ausdrückliche Widerrufserklärung liegt kein wirksamer Widerruf vor.

Eine automatische Rückabwicklung ist daher nicht geschuldet. Gleichwohl ist ein strukturierter, transparenter und situationsangepasster Umgang mit zurückgesandter Ware unerlässlich.

Praxis-Checkliste: Retoure ohne Widerrufserklärung

1. Kanal-Check: Woher kommt die Ware?

  • Amazon, eBay oder Etsy? → Weiter mit Punkt 2.
  • Eigener Onlineshop? → Weiter mit Punkt 3.

2. Marktplätze: Service vor Paragrafen

Auf Verkaufsplattformen steht regelmäßig nicht nur der einzelne Vorgang, sondern das gesamte Verkäuferkonto auf dem Spiel. Maßgeblich ist daher nicht die zivilrechtliche Ideallösung, sondern die jeweilige Plattformpraxis:

  • Amazon: Eine ausdrückliche Widerrufserklärung des Kunden wird in der Praxis häufig nicht abgewartet. Rücksendungen werden regelmäßig wie ein Widerruf behandelt. Ein Beharren auf der formalen Rechtslage kann A-bis-Z-Garantiefälle, Verschlechterungen der Leistungskennzahlen oder Ranking-Nachteile auslösen.
  • eBay & Etsy: Auch hier ist eine zeitnahe Kommunikation über das jeweilige Nachrichtensystem entscheidend. In vielen Fällen ist eine Rückerstattung aus Gründen der Kontosicherheit und Bewertungslogik sinnvoll, selbst wenn sie rechtlich nicht zwingend geschuldet wäre.

Wichtig: Plattformen bewerten Rücksendungen häufig nach Zustell- und Prozessdaten. Dies ersetzt nicht die gesetzliche Widerrufserklärung, hat aber erhebliche praktische Auswirkungen.

3. Eigener Shop: Rechtsposition kontrolliert nutzen

Hier steuern Sie den Prozess nach dem Gesetz:

  • Keine ausdrückliche Erklärung – kein Erstattungsanspruch: Ohne eine eindeutige Widerrufserklärung besteht kein Anspruch des Kunden auf Rückerstattung des Kaufpreises.
  • Fristen prüfen: Klären Sie, ob die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt des Zugangs einer möglichen Widerrufserklärung noch läuft.
  • Klare Kommunikation: Informieren Sie den Kunden zeitnah darüber, dass die Rücksendung ohne Widerrufserklärung eingegangen ist, und bitten Sie um eine kurze Bestätigung, ob der Vertrag widerrufen werden soll. Weisen Sie dabei ausdrücklich auf die laufende bzw. bereits ablaufende Widerrufsfrist hin.
  • Nach Fristablauf: Ist die Widerrufsfrist abgelaufen, besteht kein Widerrufsrecht mehr; eine Rückerstattung ist rechtlich nicht geschuldet. Die Ware verbleibt im Eigentum des Kunden. Fordern Sie diesen zur Rücknahme der Ware auf oder bieten Sie einen Rückversand gegen Kostenerstattung an und setzen Sie hierfür eine angemessene Frist.

4. Wichtige Tabus

  • Annahme verweigern: Verweigern Sie die Annahme der Rücksendung nicht. Eine Widerrufserklärung könnte der Sendung beigefügt oder bereits auf anderem Weg abgegeben worden sein; eine Zurückweisung kann zu Abwicklungs- und Beweisproblemen führen.
  • Kundenanfragen ignorieren: Ausbleibende Reaktionen führen insbesondere auf Marktplätzen regelmäßig zu Nachteilen wie schlechteren Bewertungen, Einschränkungen der Sichtbarkeit oder kontobezogenen Sanktionen.
  • Ware kommentarlos einbehalten: Buchen Sie zurückgesandte Ware niemals wortlos wieder ein. Ohne transparente Information über den Fortbestand des Kaufvertrags und das weitere Vorgehen drohen Eskalationen, Beschwerden und rechtliche Auseinandersetzungen.

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