„Hundert Kondome reichen“: Die Bewerbung eines Produkts ohne Nennung der bestehenden Höchstabgabemenge ist nicht per se irreführend
Das OLG Hamm hat kürzlich entschieden, dass die Bewerbung eines Produkts mit einem besonders günstigen Preis nicht schon allein dadurch irreführend (und dementsprechend unzulässig) ist, dass eine in der Werbung nicht erwähnte Höchstabgabemenge pro Kunde besteht (OLG Hamm, 26.01.2010, Az. 4 U 141/09).
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Versandhändler in einer Internet-Suchmaschine Kondome mit der Preisspanne „100 Stück ab € 3,95“ beworben, wobei der Werbeseite nicht zu entnehmen war, dass nur eine Hunderterpackung pro Kunde bestellt werden konnte. Ein Mitbewerber mahnte den Händler daraufhin wegen einer Irreführung nach § 5a UWG ab und klagte schließlich auf Unterlassung.
Das Urteil
Die Klage war jedoch sowohl erstinstanzlich als auch in der Berufung vor dem OLG Hamm erfolglos: Die Richter konnten letztlich keine relevante Irreführung der Verbraucher erkennen.
Schließlich, so die Richter, sei der Internet-Anzeige umgekehrt auch nicht zu entnehmen gewesen, dass die Kondome zu diesem Preis in unbegrenzter Menge erhältlich seien:
„Die angegriffene Werbeaussage selbst sagt zunächst nichts über eine Abgabebeschränkung. Sie erweckt aber andererseits auch nicht den gegenteiligen Eindruck, dass es keine Abgabebeschränkung gibt. Folglich werden die Verbraucher von vornherein nicht getäuscht, die diese Informationslücke erkennen und nach weiterer Aufklärung darüber suchen, wie viel Packungen sie insgesamt erwerben können. Nicht getäuscht werden insofern auch diejenigen Verbraucher, die erkennen, dass die [Internet]-Anzeige objektiv zur Abgabemenge keine Aussage macht, und die deshalb nach weiterer Aufklärung über diesen in der Anzeige nicht angesprochenen Punkt suchen.“
Auch alle anderen Kunden seien jedoch nicht irregeführt worden:
„Aber auch ansonsten ist […] nicht anzunehmen, dass der Verbraucher bei der streitgegenständlichen Werbung überhaupt erwartet, dass er mehr als eine einzige Packung von 100 Kondomen zu 3,95 € bekommen kann. Hiergegen spricht, dass ihm mitgeteilt wird, dass der Preis ‚ab‘ 3,95 € beträgt. Dies signalisiert bereits, dass dies nur der Einstiegspreis ist und der Warenpreis ansonsten höher ist. Der Verbraucher weiß danach jedenfalls, dass der Preis keineswegs unbeschränkt gilt und je nach Ware und Angebot auch darüber liegen kann. Auch wenn insoweit noch nicht erkennbar ist, dass dies mit einer Mengenbeschränkung verbunden ist, ist der Verbraucher jedoch zumindest in gewisser Weise schon ‚gewarnt‘ und sieht, dass er die Kondome jedenfalls nicht ausnahmslos bezogen auf 100 Stück ‚für‘ den genannten Preis bekommt. […] Es ist nach der Art dieser Bewerbung eher fernliegend, dass der Verbraucher den Eindruck hat, er könne mengenmäßig unbegrenzt das beworbene Produkt erwerben […].“
Selbst wenn hierdurch beim interessierten Verbraucher Unklarheiten entstehen sollten, recht dies noch nicht zur Annahme einer Irreführung aus:
„Denn die verknappte schlagwortartige Werbung bei [der Suchmaschine] steht in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der klarstellenden Werbeaussage auf den Angebotsseiten der Beklagten, auf die der Verbraucher stets gelangt, wenn er sich näher auf das Angebot einlassen will. Dort erfährt er in nicht zu übersehender Weise die Einschränkung und wird in der erforderlichen Weise aufgeklärt, bevor er eine Kaufentscheidung treffen kann. Der Fall kann nicht anders behandelt werden als der Fall einer Blickfangwerbung. In einem solchen Fall scheidet eine Irreführung schon dann aus, wenn der Betrachter durch einen deutlichen Sternchenhinweis zu dem aufklärenden Hinweis geführt wird […]. Ähnlich verhält es sich im Streitfall. Zu dem aufklärenden Hinweis, dass nur eine Bestellung zu dem beworbenen Preis erfolgen kann, wird der Verbraucher zwar nicht per Sternchenhinweis geführt, aber mit einem Link, den er benutzen muss, um näheres über das Angebot zu erfahren, den er also zwangsläufig benutzen muss. Es bleibt somit nur die Anlockwirkung, dass ein Teil der Verbraucher die Startseite der Beklagten aufsucht, der es sonst nicht getan hätte. Diese Wirkung ist aber nicht damit zu vergleichen, dass ein Interessent durch eine unrichtige Werbeaussage bzw. ‚dreiste Lüge‘ in das Geschäft des Werbenden gelockt wird. So sekundenschnell, wie der Internetnutzer zu der Startseite gelangt ist, verlässt er sie auch wieder, wenn er erkennt, dass eine solche beschränkte Liefermenge ihm nichts nutzt. In der Tatsache, dass er die Seite überhaupt angesehen hat, ist in der flüchtigen Welt des Internets kein nur annähernd vergleichbarer Wettbewerbsvorteil zu sehen wie beim Locken in ein Geschäft. Es ist in diesem Fall unwahrscheinlich, dass der Kaufinteressent nur deshalb dort bestellt, weil er sich nun einmal auf der Seite befindet oder sich auf den Erwerb anderer Waren einlässt.“
Auch, so die Richter, sei von der vermeintlichen Irreführung – wenn überhaupt – nur ein vergleichsweise kleiner Verbraucherkreis betroffen; Schließlich sollte für den durchschnittlich aktiven Verbraucher die Menge von 100 Kondomen pro Bestellung genügen:
„Die Verbraucher, die ohnehin nur eine Packung kaufen wollen, berührt die Abgabebeschränkung von vornherein nicht. Für ihre Kaufentscheidung ist der fehlende Hinweis auf die Abgabebeschränkung irrelevant. Es kommen damit für eine Irreführung von vornherein nur die Verbraucher in Betracht, die mehrere Packungen erwerben wollen. Das ist aber bei der großen Mehrzahl der angesprochenen Verbraucher nicht der Fall, auch wenn mitunter größere Einheiten (wie 1000er-Packungen) angeboten werden und Verbraucher gegebenenfalls eine entsprechend größere Menge von Kondomen beziehen möchten. Es ist nach wie vor nicht feststellbar, dass dieser Verbraucherkreis von maßgeblicher Größe ist, auch wenn es einen Markt gibt, der einen Kauf einer deutlich höheren Anzahl von Kondomen verlangt, wie das bei Prostituierten oder Sammeleinkäufen sein mag. […]. Erforderlich ist eine maßgebliche Täuschungsquote, die im Streitfall nicht festgestellt werden kann. […] Bei der auch angesprochenen Mehrheit der Verbraucher, die sich ‚nur‘ für 100 Kondome gegebenenfalls mit anderen Artikeln interessieren und nicht eine Mehrzahl von 100er-Packungen einkaufen möchten, wirkt sich die vermeintliche Irreführung durch die Beklagte nicht aus, zumal der Hinweis auf die Abgabenbeschränkung bereits im nächsten Schritt erfolgt, wenn sich der Internetnutzer mit dem Angebot der Beklagte befasst. Ein wesentlicher Nachteil liegt darin nicht. Der Internetnutzer muss sich lediglich anderen Anbietern zuwenden, ohne dass die zunächst erfolgte Zuwendung zu dem Angebot der Beklagten für ihn irgendwelche Nachteile oder Beschwernisse mit sich bringt, wie es etwa der Fall ist, wenn der Verbraucher aufgrund einer irreführenden Werbung zunächst einmal in das Ladenlokal des Werbenden gelockt worden ist.“
Fazit
Die Voraussetzungen zur Annahme einer Irreführung sind also hinsichtlich „klassischem“ Einzelhandel und Internet-Versandhandel durchaus unterschiedlich. Im vorliegenden Fall hat der Händler jedoch zumindest in seinem Onlineshop für eine vollumfängliche Aufklärung des Kunden gesorgt – allein dies rettete ihn letztlich vor der Verurteilung. Bei der Bewerbung von Waren, die unter Mengenlimitierung vertrieben werden, ist folglich stets darauf zu achten, den von der Werbung angelockten Kunden frühestmöglich über bestehende Limitierungen aufzuklären.
Weitere Informationen zum Handel mit Kondomen finden sich übrigens in unserem Artikel vom 03.12.2008.
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