OLG Köln: Pharma-Marketing im Social-Media-Clip unzulässig
Social-Media-Clips von Influencern gelten rechtlich wie Fernsehwerbung: Risikohinweise für rezeptfreie Arzneimittel müssen direkt im Video erscheinen, und bekannte Influencer dürfen solche Werbung schon gar nicht durchführen.
Der Sachverhalt – die Influencer-Werbung
Ein Pharmaunternehmen hatte eine Influencerin mit rund 120.000 Followern beauftragt, ein rezeptfreies Erkältungsmittel auf Instagram zu bewerben. In einem kurzen Reel zeigte die Influencerin, wie sie eine Tablette einnimmt und sich danach besser fühlt – die klassische Vorher-Nachher-Situation.
Der gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweis
"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"
fehlte im Video selbst. Er fand sich lediglich in der Caption des Posts und teilweise über einen Link auf die Website des Herstellers.
Ein Wettbewerbsverband sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und klagte – mit Erfolg.
Rechtlicher Hintergrund
Nach § 4 Abs. 3 und 5 HWG müssen audiovisuelle Werbemedien für Arzneimittel den oben genannten Warnhinweis sichtbar und hörbar enthalten. Diese Regelung galt traditionell für Fernsehspots, wird aber von der Rechtsprechung mittlerweile auch auf moderne Online-Formate ausgeweitet.
Ziel der Regelung ist der Verbraucherschutz: Auch bei rezeptfreien Medikamenten soll sichergestellt werden, dass Käufer über Risiken informiert werden und ihre Entscheidung nicht allein emotional treffen.
Instagram und Tiktok ist derzeit noch aus ganz anderen Gründen ein gefährlicher Ort: Zureit gibt es zahlreiche Abmahnungen der SoundGuardian GmbH von Nutzern, die angeblich unberechtigte Musik für Ihre Beiträge nutzen - sehen Sie mehr dazu gerne hier.
Die Entscheidung des OLG Köln
Das OLG Köln (Urteil vom 11.09.2025 – 6 U 118/24) ordnete das Instagram-Reel als „audiovisuelles Medium“ im Sinne des § 4 Abs. 5 HWG ein:
"Die Werbung erfolgt über bewegte Bilder und Ton, die den Werbewirkungen von Fernsehwerbung gleichgestellt sind."
Nach Auffassung des Gerichts genügt es nicht, den Risikohinweis lediglich im Beschreibungstext oder über externe Links bereitzustellen. Der Hinweis muss unmittelbar im Video selbst sichtbar eingeblendet und hörbar gesprochen werden.
Das Gericht hält die Argumentation, Nutzer seien es gewohnt, Informationen über Links aufzurufen, bei dynamischen Kurzvideos für nicht überzeugend. Bei Reels richtet sich die Aufmerksamkeit auf den schnellen, emotionalen Stream, sodass realistisch nur ein geringer Teil der Zuschauer den Hinweis außerhalb des Videos wahrnimmt.
Praktische Konsequenz: Der Pflichttext muss direkt ins Reel – gut lesbar, ausreichend lange eingeblendet und idealerweise per Voice-over, damit er auch ohne Ton verstanden wird. Gestalterische Elemente wie Musik, schnelle Schnitte oder Filter dürfen den Hinweis nicht verdecken.
Zweiter Verstoß: Werbung durch eine bekannte Person
Nach dem Heilmittelwerbegesetz ist es unzulässig, außerhalb der Fachkreise mit bekannten Personen für Arzneimittel zu werben, sofern deren Bekanntheit geeignet ist, den Absatz oder Verbrauch des Mittels zu fördern. Neben dem fehlenden Warnhinweis beanstandete das OLG Köln auch, dass die Influencerin als bekannte Person im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG gewertet wurde:
"Maßgeblich ist nicht eine allgemeine Prominenz im Sinne einer Bekanntheit aus Funk und Fernsehen. Vielmehr kann auch unterhalb dieser Schwelle eine Bekanntheit anzunehmen sein, wenn die abstrakte Gefahr einer unzulässigen Beeinträchtigung des angesprochenen Verkehrs besteht."
Im konkreten Fall sprachen mehrere Faktoren für die Bekanntheit der Influencerin:
- Instagram-Reichweite: 130.000 Follower (im Verfahren von 120.000 angewachsen)
- Hohe Abrufzahlen einzelner Videos: teilweise millionenfache Klickzahlen, die die Followerzahl deutlich übersteigen
- YouTube-Präsenz: Kanal mit 155.000 Abonnenten
- TikTok-Aktivität: 29.100 Follower und 1,8 Millionen Likes
Aber Achtung: Das Gericht machte deutlich, dass es hier aber gerade keine starren Followergrenzen gibt. Entscheidend sei allein die Beurteilung des Einzelfalles.
Konsequenzen und Praxishinweise
Die Entscheidung verdeutlicht, dass das HWG uneingeschränkt auch im digitalen Raum gilt. Pharmaunternehmen, Agenturen und Influencer sollten daher bei der Gestaltung von Social-Media-Kampagnen folgende Punkte beachten:
- Der gesetzlich vorgeschriebene Risikohinweis muss sichtbar und hörbar direkt im Video eingeblendet sein.
- Eine Einblendung nur im Beschreibungstext oder über Links genügt nicht.
- Kooperationen mit Influencern sind eindeutig als Werbung zu kennzeichnen.
- Auch Influencer können als „bekannte Personen“ gelten
Fazit: Social Media ist kein Rechtsfreiraum
Das Urteil des OLG Köln zeigt deutlich: Wer Arzneimittel auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube bewirbt, muss dieselben Informationspflichten erfüllen wie bei klassischer Fernseh- oder Printwerbung. Der Warnhinweis darf nicht ausgelagert oder versteckt werden, sondern muss Teil des Videos selbst sein – und bekannte Influencer dürfen solche Werbung gar nicht übernehmen, wenn ihre persönliche Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch beitragen kann.
Sie interessieren sich für die rechtlichen Aspekte des Influencer-Marketings - dann sehen Sie gern hier unsren ausführlichen FAQ.
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