OLG Köln: Pharma-Marketing im Social-Media-Clip unzulässig
Pharmaunternehmen aufgepasst: Social-Media-Clips von Influencern sind rechtlich wie Fernsehwerbung zu behandeln. Das OLG Köln (Urteil vom 11. September 2025 - Az. 6 U 118/24 – „Influencer-Reel“) hat entschieden, dass Risikohinweise direkt im Video erscheinen müssen und bekannte Influencer auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok für Arzneimittelwerbung unzulässig sind.
Risikohinweis muss inhärent im Video enthalten sein
Die zentrale Beanstandung des OLG betraf die fehlende Einhaltung des obligatorischen Warnhinweises nach § 4 Abs. 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Reels als Fernsehwerbung:
Das Gericht wertete das Instagram-Reel als „audiovisuelles Medium“ im Sinne von § 4 Abs. 5 HWG. Begründung: Ein Clip, der bewegte Bilder und Ton kombiniert, erfüllt funktional denselben Zweck wie klassische Fernsehwerbung – er transportiert eine werbliche Botschaft unmittelbar an die Zielgruppe.
Unzureichende Verlinkung:
Die Verteidigung des Pharmaunternehmens, die Pflichtangaben seien im begleitenden Post-Text und über externe Links verfügbar, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Die Richter argumentierten, dass die Risikoinformation unmittelbar beim Konsum der Werbung wahrnehmbar sein müsse. Eine nachträgliche Suche oder ein Klick auf einen Link erfülle den gesetzlichen Schutzzweck nicht, da der Verbraucher in diesem Fall nicht zuverlässig vor unkritischen Kaufentscheidungen geschützt wird.
Kernaussage der Richter:
Für audiovisuelle Formate muss der gesetzliche Hinweis sowohl sichtbar eingeblendet als auch hörbar gesprochen im Clip enthalten sein. Die Einblendung allein oder die Bereitstellung über externe Quellen genügt nicht.
Begründung:
Die Entscheidung beruht auf der Wahrnehmungsrealität der Nutzer in sozialen Medien: Reels oder Kurzvideos haben eine extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne, und wichtige Informationen müssen sofort erfassbar sein. Das Gericht hebt damit die Schutzfunktion des HWG hervor – die rationale Entscheidungsfindung der Verbraucher darf durch das Medium nicht unterlaufen werden.
Influencer als unzulässige Werbefigur
Neben der Pflichttext-Problematik bestätigten die Richter einen Verstoß gegen das Verbot, Arzneimittel mittels „bekannter Personen“ zu bewerben (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG).
Definition der Bekanntheit:
Die Influencerin im Fall hatte auf Instagram mehr als 130.000 Follower sowie relevante Reichweiten auf weiteren Plattformen. Das Gericht stufte sie als bekannte Persönlichkeit ein. Entscheidend ist dabei nicht die bundesweite Popularität, sondern die Eignung, Konsumenten über parasoziale Beziehungen zum Kauf zu animieren.
Beeinträchtigung der Rationalität:
Empfehlungen aus einem Vertrauensverhältnis, das Influencer zu ihren Followern aufgebaut haben, können die rationale Entscheidungsfindung der Verbraucher erheblich beeinträchtigen. Das Gericht stellte daher klar: Eine solche Werbung ist unzulässig.
Instagram und Tiktok ist derzeit noch aus ganz anderen Gründen ein gefährlicher Ort: Zureit gibt es zahlreiche Abmahnungen der SoundGuardian GmbH von Nutzern, die angeblich unberechtigte Musik für Ihre Beiträge nutzen - sehen Sie mehr dazu gerne hier.
Vorrang der formalen Klarheit
Der Senat betonte, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Pflichttexte bewusst auf Standardisierung und Klarheit setzt. Das Ziel ist, dass Warnhinweise zuverlässig wahrgenommen werden. Kreative oder vermeintlich „informativere“ Alternativen, die nicht dem standardisierten Textschema entsprechen, erfüllen die formalen Anforderungen des HWG nicht.
Praxisfolgen:
- Pflichtangaben müssen inhärent im Clip integriert sein.
- Externe Links, begleitende Texte oder sonstige Umwege reichen nicht aus.
Die strenge Auslegung gilt unabhängig von der Followerzahl – bereits mittlere Reichweiten (z. B. ab 100.000 Follower) bergen ein erhebliches juristisches Risiko.
Fazit: Werbung ist Werbung
Das Urteil des OLG Köln ist eine unmissverständliche Mahnung an die Gesundheitsbranche:
- Die heilmittelrechtlichen Einschränkungen gelten ohne Abstriche auf allen modernen Social-Media-Plattformen.
- Risikohinweise müssen direkt im Video integriert und hörbar sein.
- Influencer mit relevanter Reichweite dürfen nicht für Arzneimittelwerbung eingesetzt werden.
Die Entscheidung festigt die bestehende Rechtsprechung zur Arzneimittelwerbung im digitalen Raum und unterstreicht, dass Kreativität im Marketing nicht über den formalen Anforderungen des HWG stehen darf. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Sie interessieren sich für die rechtlichen Aspekte des Influencer-Marketings - dann sehen Sie gern hier unsren ausführlichen FAQ.
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