BGH: Hinweis auf AGB-Link in Papierverträgen unwirksam
Ein dynamischer Link auf online abrufbare AGB reicht in Papierverträgen nicht aus. Unternehmen, die ihre Vertragsbedingungen nur per Webverweis einbeziehen, handeln rechtswidrig.
Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund: Ein Werbeschreiben mit AGB-Link
- BGH-Urteil: Verweis auf online abrufbare AGB ist unwirksam
- Warum ist ein (dynamischer) Link auf AGB problematisch?
- Gilt die BGH-Entscheidung auch im Online-Handel?
- Was ist, wenn AGB anderweitig zur Verfügung gestellt werden?
- Praktische Folgen für Unternehmen und Online-Händler
- Learning für Händler
- Sicher im Online-Handel – ohne Abmahnstress
Hintergrund: Ein Werbeschreiben mit AGB-Link
Im entschiedenen Fall versendete ein Telekommunikationsanbieter im Jahr 2023 Werbe-Vertragsunterlagen per Post an zahlreiche Verbraucher. Das Paket bestand aus drei Seiten: einem Anschreiben, einem Antragsformular und einem doppelseitigen Blatt mit einer Vertragszusammenfassung auf der Vorderseite und der Widerrufsbelehrung auf der Rückseite. Auf dem Antragsformular fand sich folgende Klausel:
"Ja, ich möchte von Ihrem Tarif 1N DSL 16 profitieren. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)"
Mit anderen Worten: Statt die AGB beizulegen, verwies das Unternehmen lediglich auf einen nicht weiter spezifizierten Link im Internet.
Dieses Vorgehen war bis dahin in der Praxis nicht unüblich – schließlich spart man Papier und verweist Kunden auf die Firmen-Website. Doch die Verbraucherzentrale Thüringen sah darin eine unzulässige Benachteiligung der Kunden und klagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel.
BGH-Urteil: Verweis auf online abrufbare AGB ist unwirksam
Die Klage der Verbraucherzentrale hatte Erfolg: Bereits das Oberlandesgericht gab den Verbraucherschützern Recht und untersagte die AGB-Klausel. Der Telekommunikationsanbieter beschritt daraufhin den Rechtsweg bis zum BGH – ohne Erfolg.
Mit Urteil vom 10.07.2025 bestätigte der BGH, dass ein bloßer Link-Verweis auf AGB in einem Papiervertrag unwirksam ist. Die streitige Klausel wurde als Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) eingestuft und für ungültig erklärt. Das bedeutet: Die AGB wurden nicht wirksam Vertragsbestandteil, da die Einbeziehungsklausel so, wie sie formuliert war, rechtlich ins Leere ging.
Warum ist ein (dynamischer) Link auf AGB problematisch?
Der BGH hat die Gründe für die Unwirksamkeit klar benannt. Rechte und Pflichten aus AGB müssen für Verbraucher klar und verständlich erkennbar sein. Ein allgemeiner Web-Link wie “www.firma.de/agb” erfüllt dieses Kriterium nicht, weil unklar bleibt, welche Version der AGB gelten soll.
Im entschiedenen Fall hätte es z.B. die Fassung zum Zeitpunkt des Angebots, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder sogar eine spätere, nachträglich geänderte Online-Fassung sein können.
Mit anderen Worten erhielt das Unternehmen faktisch ein einseitiges Änderungsrecht: Es hätte die AGB auf der verlinkten Seite jederzeit austauschen oder ändern können, und diese Änderungen wären – womöglich – automatisch Vertragsbestandteil geworden (zumindest wäre die Beweissituation für die Verbraucherseite deutlich verschlechtert worden).
Ohne Bezug zu einer bestimmten Fassung kann der Vertragspartner nicht erkennen, worauf er sich einlässt. Eine solche dynamische Verweisung verschafft dem Unternehmen einen ungerechtfertigten Vorteil und benachteiligt Verbraucher unangemessen.
Die Folge ist, dass ein solcher Hinweis auf einen AGB-Link in Papierverträgen unwirksam ist.
Zudem erwähnte der BGH die Möglichkeit des Vorliegens eines Medienbruchs: Im entschiedenen Fall wurde der Vertrag offline (Papier) abgeschlossen, die AGB waren aber online einzusehen. Für Verbraucher könnte es daher unzumutbar sein, erst den Medienwechsel ins Internet vornehmen zu müssen, um Vertragsbedingungen zu prüfen.
Allerdings konnte der BGH diese Frage im Rahmen eines Verbandsklageverfahrens nicht abschließend entscheiden, wies allerdings darauf hin, dass das Oberlandesgericht vom Vorliegen eines Medienbruchs ausgegangen war.
Gilt die BGH-Entscheidung auch im Online-Handel?
Eine wichtige Entwarnung: Für Online-Verträge selbst ändert sich nichts Grundlegendes. Der BGH stellte ausdrücklich klar, dass bei Verträgen, die online geschlossen werden, die Einbeziehung von AGB per Link zulässig bleibt.
Warum der Unterschied? Im Online-Shop kann der Kunde die AGB unmittelbar durch einen Klick einsehen, bevor er seine Bestellung abschließt. Das entspricht der gängigen Praxis: z.B. ein Hinweis
"Mit Abschluss der Bestellung akzeptiere ich die AGB [Link]"
unmittelbar vor dem Kaufabschluss.
In diesem Fall liegt zum einen kein Medienbruch vor – der gesamte Vorgang findet online statt – und der Kunde hat eine zumutbare Möglichkeit, die konkrete Fassung der AGB vor Vertragsschluss zu lesen.
Zum anderen ist im Online-Bereich durch die unmittelbare Verlinkung klar erkennbar, welche Fassung der Geschäftsbedingungen gilt.
Was ist, wenn AGB anderweitig zur Verfügung gestellt werden?
Das BGH-Urteil richtet sich vor allem gegen die unspezifische Verweisung auf eine Website in Papierverträgen. Gibt ein Unternehmen dem Kunden die AGB jedoch auf anderem Weg deutlich erkennbar an die Hand, bleibt die Einbeziehung selbstverständlich möglich.
Zwei typische Szenarien sind hier zu unterscheiden:
- AGB in Papierform übergeben: Wenn einem Vertragsformular auf Papier die AGB ausgedruckt beigefügt sind (etwa als Anhang oder auf der Rückseite) und im Vertragstext ausdrücklich einbezogen werden, ist das wirksam. Diese klassische Methode wurde bereits in früheren Urteilen bestätigt. Der Kunde hat dann die aktuelle Fassung der AGB physisch vorliegen und kann sie vor Unterschrift lesen – eine Transparenz ist somit gewährleistet.
- AGB per Link, aber nur mit Versionsangabe: Auch wenn der Vertrag per Post kommt, könnte eine statische Verweisung auf online-AGB zulässig sein. Der BGH hat zwar nicht ausdrücklich über eine versionierte Linkangabe entschieden, doch lässt das Urteil Raum für eine Lösung: Etwa ein Hinweis „Unsere AGB in der Fassung vom 01.09.2025, abrufbar unter www.firma.de/agb-010925, werden Vertragsbestandteil.“ Durch die Datum- oder Versionsnummer im Link ist eindeutig, welche Bedingungen gelten. Unter diesem URL müsste dann genau diese Version der AGB abrufbar sein. Damit würde das Transparenzgebot wohl erfüllt, denn der Kunde kann erkennen, auf welche AGB er sich einlässt, ohne dass nachträgliche Änderungen einbezogen sind.
Nicht ausreichend wäre es hingegen, einfach irgendwo auf der Website ein PDF mit AGB abzulegen, ohne im Papiervertrag klarzustellen, welche Version gilt. Maßgeblich ist, dass keine Unklarheit entsteht. Händler sollten im Zweifel den sichersten Weg wählen, um die Einbeziehung ihrer Geschäftsbedingungen zu gewährleisten.
Praktische Folgen für Unternehmen und Online-Händler
Für Unternehmer – insbesondere Online-Händler, Dienstleister und alle, die mit Vertragsformularen arbeiten – hat dieses Urteil konkrete Auswirkungen.
Standardklauseln, die bisher nur auf eine AGB-Webseite verwiesen haben, müssen überarbeitet werden. Andernfalls drohen zwei große Probleme:
- Keine AGB-Geltung: Werden die AGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, entfalten sie gegenüber dem Kunden keine Wirkung. Im Ernstfall könnten Sie wichtige Regelungen (Haftungsbeschränkungen, Zahlungsbedingungen, Kündigungsfristen etc.) nicht durchsetzen, weil der Kunde argumentieren kann, er habe diesen Bedingungen nie wirksam zugestimmt. Für Verbraucher und Geschäftskunden (B2C und B2B) gilt: Was nicht wirksam vereinbart wurde, ist schlicht nicht bindend.
- Abmahnrisiko: Unwirksame AGB-Klauseln sind ein gefundenes Fressen für Abmahnungen – sei es durch Verbraucherschutzverbände oder durch Wettbewerber. Gerade im E-Commerce und IT-Recht herrscht ein wachsames Auge auf solche Formfehler. Ein Mitbewerber könnte einen solchen Verstoß als unlauteren Wettbewerb einstufen und kostenpflichtig abmahnen. Ebenso können Mitbewerber und Verbraucherverbände – wie im vorliegenden Fall – gerichtliche Schritte einleiten, um die Nutzung der Klausel zu untersagen. Beides ist teuer und imageschädigend.
Unternehmen sollten daher umgehend handeln. Prüfen Sie Ihre Vertragsformulare, Bestellscheine und Online-Shop-Bestellprozesse auf Klauseln, die auf AGB verweisen. Stellen Sie sicher, dass Offline-Verträge die AGB beifügen oder eindeutig versioniert verlinken. Wenn Sie vielfach Papierverträge nutzen, überlegen Sie, ob eine Umstellung auf digitale Vertragsabschlüsse möglich ist – online können AGB leichter und kundenfreundlicher einbezogen werden.
Learning für Händler
Das BGH-Urteil schafft Klarheit und fordert Unternehmen auf, ihre Vertragsgestaltung transparenter zu machen. Für Sie als Unternehmer heißt das: Überprüfen und aktualisieren Sie Ihre (Papier-)Dokumente jetzt, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Zusammenfassend zum Schluss:
- AGB immer zugänglich machen: Bei Papierverträgen die AGB physisch beilegen oder zumindest eine konkrete Fassung benennen (z.B. per Link mit Datum/Version). Bei Online-Shops AGB vor Vertragsschluss per Link einsehbar machen.
- Dokumentation der AGB-Version: Halten Sie fest, welche AGB-Version bei Vertragsschluss galt (z.B. durch Versionsnummer, Datum auf Vertragsdokumenten oder PDFs). So können Sie im Streitfall nachweisen, welche Bedingungen vereinbart waren, und vermeiden Unklarheiten.
Sicher im Online-Handel – ohne Abmahnstress
Gesetze, Urteile und Plattformregeln führen ständige Änderungen herbei – rechtliche Sicherheit im E-Commerce bleibt eine Herausforderung. Mit den Schutzpaketen der IT-Recht Kanzlei bleiben Ihre Rechtstexte wie AGB, Impressum oder Datenschutzerklärung immer aktuell und abmahnsicher.
So sparen Sie Zeit, vermeiden Risiken und konzentrieren sich auf Ihr Geschäft – schon ab 5,90 € monatlich. Über 100.000 Händler vertrauen bereits auf unsere Erfahrung seit 2004.
Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare