Abmahnungen aufgrund Verstoßes gegen Jugendschutzrecht im Umlauf!
Wer sich nicht an die jugendschutzrechtlichen Spielregeln hält, riskiert eine Abmahnung. Uns liegt aktuell eine solche Abmahnung eines Online-Händlers vor. Wir zeigen anhand dieser Abmahnung, was im konkreten Fall schief gelaufen ist und wie Sie derartige Abmahnungen verhindern können. Lesen Sie mehr hierzu in unserem heutigen Beitrag.
I. Hintergrund: Anforderungen an die Altersverifikation
Werden Produkte mit Altersbeschränkungen wie Alkohol, Tabakwaren, E-Zigaretten etc. im Online-Handel verkauft, müssen Händler gewisse Anforderungen einhalten, um den Versand rechtssicher zu gestalten. Eine einfache Ausweiskontrolle wie in einem Geschäft ist hier nicht möglich.
1. JuSchG und das Versandhandelsverbot
Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) spricht zunächst für bestimmte Produkte ein generelles Verbot des Anbietens und der Abgabe im Wege des Versandhandels aus - unabhängig von der altersbedingten Schutzwürdigkeit des Kaufinteressenten.
Hierunter fallen grundsätzliche alle Waren und Inhalte, die eine altersgerechte soziale, emotionale und physische Entwicklung von Minderjährigen gefährden. Umfasst sind davon beispielweise Filme mit FSK-Kennzeichnungen, Alkohol oder Tabakwaren, wobei seit neustem auch E-Zigaretten und ähnliche Produkte hierunter fallen, selbst wenn diese kein Nikotin enthalten.
Dieses allgemeine Versandhandelsverbot wird jedoch von § 1 Abs. 4 JuSchG selbst begrenzt. Die Norm gibt vor, dass ein Versandhandel im Sinne des Gesetztes dann nicht vorliegt, wenn der Versender durch geeignete, vor allem technische Verfahren sicherstellt, dass Minderjährige die Produkte nicht erhalten können.
Werden derartige Vorkehrungen getroffen, fällt der Fernabsatz-Verkauf also nicht unter den Begriff des „Versandhandels“ und ist damit auch nicht von dem Verbot betroffen.
2. Notwendig: Zweistufiges Verifikationssystem
Um sicherzustellen, dass der Versand an Minderjährige unterbleibt und kein jugendschutzrechtlichen Restriktionen umgangen werden, forderte der BGH in seinem Leiturteil vom 12.07.2007 (Az. I ZR 18/04 – Jugendgefährdende Medien bei eBay) deshalb ein zweistufiges Verifikationsverfahren (eine Kombination aus Identifizierungs- und Authentifizierungsmaßnahmen).
Erforderlich sei in einem ersten Schritt, dass eine hinreichende Identitäts- und Alterskontrolle bereits bei Vertragsschluss im Bestellprozess durchgeführt werde. Dies sei erforderlich, um sicherzustellen, dass der Vertragspartner volljährig sei. Dies könne durch das Postident-Verfahren oder den Schufa-Quality-Bit-Check rechtssicher festgestellt werden.
Als zweiten Schritt müsse dann durch Wahl einer geeigneten Zustellungsform im Wege der Authentifizierung sichergestellt werden, dass die Übergabe des Produkts nur an den konkret als Vertragspartner benannten Volljährigen erfolge. Geeignet sei dabei vor allem der Versand als „Einschreiben eigenhändig“ oder die Wahl der „Identitäts- und Alterskontrolle“ beim Versandunternehmen.
Teilweise wird vertreten, dass eine Identitäts- und Altersprüfung bei Zustellung durch das Versandunternehmen, wie z.B. DHL sie anbietet, den Anforderungen bereits genügt, ohne eine Altersüberprüfung bei Vertragsschluss zu fordern. Hier besteht jedoch Rechtsunsicherheit, da bisher noch keine richterliche Entscheidung getroffen wurde.
Welche Anforderungen an den rechtssicheren Versand von Artikeln mit Altersbeschränkung gestellt werden und wie diese eingehalten werden, haben wir hier für Sie zusammengefasst.
3. Folgen für den Fall eines Verstoßes
Werden die Sicherheitsmaßnahmen nicht oder nicht hinreichend umgesetzt, betreiben Händler somit einen Versandhandel im Sinne des JuSchG, verstoßen also bei jedem Verkauf gegen das Versandhandelsverbot. Dies kann neben hohen Geldbußen und Freiheitsstrafen auch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und Abmahnungen nach sich ziehen, da die Normen des JuSchG gleichzeitig auch als Marktverhaltensnormen gem. § 3a UWG zu qualifizieren sind.
II. Abmahnung wegen unzureichender Altersverifikation
In der uns vorliegenden Abmahnung erhielt ein Betreiber eines Amazon-Shops eine Abmahnung aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes (= Verstoß gegen jugendschutzrechtliche Vorschriften).
Der Abgemahnte vertrieb über seinen Amazon-Shop Produkte aus dem Bereich E-Zigaretten inkl. deren Zubehör. Vor jeder Bestellung der Produkte wurde direkt auf Amazon auch eine Ausweiskontrolle durchgeführt, um sicherzustellen, dass der Vertragspartner volljährig sei.
Eine Mitbewerberin hatte im Rahmen einer Testbestellung über den Amazon-Shop des Abgemahnten eine Einweg-E-Zigarette gekauft. Im Rahmen der Versendung stellte die Abmahnerin fest, dass die Einweg-E-Zigarette lediglich als einfacher Postbrief versandt wurde. Hieraufhin erfolgte die Abmahnung mit der Rüge, dass das unter das JuSchG fallende Produkt ohne Altersprüfung versendet und zugestellt worden ist.
Die Abmahnerin führte in der Abmahnung aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt zwar um eine nikotinfreie E-Zigarette handle, diese allerdings seit dem 01.01.2021 ebenfalls als Tabakerzeugnis einzustufen seien. Folglich dürfen E-Zigaretten gem. § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG grundsätzlich nicht im Versandhandel angeboten werden, insbesondere nicht an Kinder und Jugendliche abgegeben werden.
Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt werde, dass der Versand nicht an Personen unter 18 Jahren erfolge.
Eine derartige Vorkehrung sei hier jedoch nicht getroffen worden, da die altersbeschränkte Ware als bloßer Postbrief versendet worden sei.
Die Abmahnerin weiter: Mangels Durchführung der Altersverifikation bei Zustellung erlange der Betreiber des Amazon-Shops auch einen wirtschaftlichen Vorteil, da die hierfür normalerweise anfallenden Kosten pro Vorgang deutlich über den Kosten für die Versendung eines normalen Postbriefes lägen.
Da Verstöße gegen das JuSchG gleichzeitig als Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG zu qualifizieren sind, sei nach Auffassung der Abmahnerin auch ein Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG anzunehmen.
Schmerzlicher Nebeneffekt: Schließlich wies die Abmahnerin auch darauf hin, dass der Abmahnte für die entstandenen Abmahnkosten gem. § 13 Abs. 3 UWG aufzukommen habe. Diese beliefen sich im vorliegenden Fall auf 1.375,88 Euro (anwaltliche Gebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von 25.000,- Euro).
III. Fazit
Um teure Abmahnungen oder sonstige nachteilige Folgen wegen des Verkaufs von altersbeschränkten Produkten ohne hinreichendes Verifikationsverfahren zu vermeiden, ist es wichtig, ein geeignetes zweistufiges Verifikationsverfahren durchzuführen.
Sowohl beim Bestellprozess selbst, als auch bei Zustellung des Produktes muss sichergestellt werden, dass es sich bei dem Besteller um eine volljährige Person handelt. Hinweise für den Verkauf und Versand von altersbeschränkter Ware finden Sie in diesem Beitrag.
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