Das Landgericht Flensburg traut sich was und entscheidet für Wertersatz bei Widerruf von eBay-Käufern
Einer der wichtigsten Argumente vieler Gerichte ist: „ wo kämen wir denn da hin?”. Mit diesem Kernargument, das natürlich juristisch verkleidet ist, versucht nun auch das LG Flensburg einer wirtschaftlich unsinnigen Konsequenz aus an sich plausiblen Urteilen der letzen Zeit zum überaus komplizierten Fernabsatzgesetz die Spitze zu nehmen. Das Gericht sprach auch dem eBay-Verkäufer den vom Gesetz gewollten Wertersatzanspruch nach dem Widerruf des Verbrauchers zu.
Was ist der Hintergrund?
Am Montag (News vom 04.09.2006) berichteten wir, dass nicht nur das Kammergericht Berlin (News vom 10.09.2006) sondern nun auch das OLG Hamburg entschieden habe, dass die Widerrufsfrist bei eBay-Geschäften einen Monat und nicht wie sonst bei Fernabsatzgeschäften 14 Tage betrage.
Zur Erinnerung: Bei eBay-Geschäften ist es nach Ansicht der Berliner und Hamburger Senate nicht möglich, dem Käufer vor Abschluss des Kaufvertrages die Widerrufsbelehrung in Textform (also z.B. als Mail oder Fax) zu senden. Ein Abdruck der Widerrufsbelehrung auf der Homepage erfüllt das Textformerfordernis nicht.
In unseren beiden News hatten wir auch schon darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung Auswirkungen hat bezüglich des Anspruchs des Verkäufers auf Wertersatz. Denn nach § 357 Abs.3 BGB muss der Verbraucher nur dann Wertersatz für "eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung" leisten, wenn er vor Vertragsschluss hierüber in Textform belehrt wurde. Da die Belehrung bei eBay nach Ansicht der Gerichte nicht möglich ist, kann der Verkäufer also keinen Wertausgleich für die Nutzung der Ware verlangen. Er könnte dann also z.B. seine bei eBay gekauften Skier für einen Urlaub nutzen und dann nach drei Wochen zurückschicken, ohne Wertersatz zu zahlen.
Nun musste das Landgericht Flensburg über einen solchen Fall entscheiden (Urt. v. 23.08.2006 - Az.:6 O 107/06). Ein eBay-Verkäufer war erfolglos abgemahnt und dann verklagt worden, weil er in seinen AGB die gesetzlich vorgesehene Wertersatzklausel verwendet hatte. Dies sei wettberwerbswidrig, da der Verbraucher die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss erhalte, und der Verkäufer sich in seinen AGB daher nicht auf die Wertersatz-Bestimmungen berufen dürfe.
Das LG Flensburg sah das anders und wies die Klage durch mutige Auslegung des § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB ab.
Im Einzelnen führt das Gericht aus.
"Da es um die Lieferung von Waren geht, reicht es aus, wenn die Belehrung über das erweiterte Widerrufsrecht dem Verbraucher spätestens bei Lieferung der Ware in Textform zugeht. Dies folgt aus der Bestimmung des § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach es ausreicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die in der Rechtverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen in dem dort bestimmten Umfang und der dort bestimmten Art und Weise spätestens bis zur Lieferung der Ware in Textform mitteilt."
Das Gericht führt weiter aus:
"§ 312 c Abs. 2 Nr.2 BGB ist eine dem § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vorgehende spezialgesetzliche Regelung. Es reicht daher aus, dass die erweiterte Wertersatzpflicht spätestens bei Lieferung der Ware erteilt wird. Es würde anderenfalls zu einem nicht begründbaren Wertungswidersprüch führen, sollte die in den AGB der Verfügungsbeklagten enthaltene Bestimmung über die Erweiterung der Wertersatzpflicht spätestens bei Vertragsschluss in Textform vorliegen müssen, während es hinsichtlich der übrigen Vertragsbedingungen nebst AGB und Belehrung gemäß BGB-InfoV nach § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB ausreicht, wenn diese bei Lieferung der Ware vorliegt. § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB ist deshalb gesetzessystematisch dahin auszulegen, dass unter das dortige Tatbestandsmerkmal "die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen in dem dort bestimmten Umfang und der dort bestimmten Art und Weise "auch die nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB erforderliche Belehrung über die Ausdehnung der Wertersatzpflicht fällt."
Der Rummel um die korrekte Widerrufsbelehrung in Textform und die Konsequenzen ihres Fehlens hält an. Wenn der Gesetzgeber hier nicht klärend eingreift, muss diese Frage letztinstanzlich entschieden werden.
Was soll der eBay-Verkäufer bis dahin tun?
Wie wir in unserer News vom 03.09.2006 bereits ausführten, raten wir, die gesetzliche Widerrufsmuster unverändert weiterhin zu verwenden. Das Formular hat aufgrund einer rechtlichen Neuregelung seit dem 8. Dezember 2004 den Rang eines Gesetzes und ist ab diesem Zeitpunkt in Bezug auf Neuverträge wirksam. Sollten weitere Gerichte dem Urteil des LG Halle folgen und Händlern durch verspätete Warenrückgaben Schäden entstehen, wird die IT-Recht Kanzlei auf deren Internetpräsenz (www.it-recht-kanzlei.de) umgehend darüber informieren bzw. warnen. Angedacht wird übrigens insoweit schon, unter Umständen das Bundesjustizministerium in Regress zu nehmen.
Wer natürlich wirklich sicher gehen möchte bzw. sich jeglichen Ärger von vornherein ersparen möchte, sollte sich eine individuelle Widerrufsbelehrung erstellen lassen – freilich nur von Rechtsanwälten, die sich im Bereich des IT-Rechts spezialisiert haben.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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