Aktuelles Urteil des EuGH zum Wertersatz - Muss die gesetzliche Widerrufsbelehrung nun schon wieder geändert werden?
Der EuGH entschied mit gestrigem Urteil, dass eine Widerrufsbelehrung jedenfalls dann europarechtswidrig sei, wenn sie generell vorsieht, dass ein Verbraucher im Rahmen der Ausübung seines Widerrufsrechts Wertersatz für die Nutzung der Ware zu leisten hat.
Keine Schnellschüsse!
Beitrag von Alexander Schupp, Küttner Rechtsanwälte
14.09.2009, 09:57 Uhr
Nachdem auch uns zwischenzeitlich eine Vielzahl von Anfragen wegen des hier besprochenen EuGH Urteils und der hierzu - von anderen Stellen - veröffentlichten „Eilmeldungen“ erreicht haben, möchte ich doch vor „Schnellschüssen“ und insbesondere davor warnen, in einzelne Formulierungen der erst im März 2008 geänderten Musterwiderrufsbelehrung vorschnell einzugreifen. Denn aus dem Urteil des Europäische Gerichtshofs ist aus meiner Sicht keineswegs sicher herauszulesen, dass dieser die deutsche gesetzliche Regelung oder gar die Musterbelehrung für unvereinbar mit EU-Richtlinien hielte, sondern vielmehr deren „europarechtskonforme“ Auslegung fordert. So heißt es in dem Urteil, dass eine Regelung unzulässig ist,
"nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann."
Eine solche Regelung enthält das deutsche Recht und auch die Musterwiderrufsbelehrung nicht.
In dieser heißt es:
"Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist.(...)"
Von einem generellen – nach der Entscheidung des EuGH unzulässigen - Wertersatz ist nicht die Rede.
Soweit eine Wertersatzpflicht für die „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“ formuliert ist, so ist auch diese nicht bedingungslos, sondern an eine dadurch „entstandene Verschlechterung“ und eine Einwirkung, die „deren Wert beeinträchtigt“ geknüpft.
Ich warne daher davor, vorschnell die Mustererklärung abzuändern, auch, weil in der Rechtsprechung schon die Meinung vertreten wurde, dass nur die vollständige Übernahme des Mustertextes die Schutzfunktion des § 14 Abs.1 BGB-InfoV eintreten lassen kann (so z.B. Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.10.2007, Az. I-20 U 107/07).
Diese Argumentation wird auch gerne von den abmahnenden Kollegen aufgegriffen.
Es könnte - bei einseitigen Textänderungen - mithin diese Schutzfunktion des Mustertextes verloren gehen und die abweichende Belehrung wieder abmahngefährdet sein.
Ob daher vom deutschen Gesetzgeber zu fordern ist, die Musterwiderrufsbelehrung sofort wieder zu ändern, sehe ich skeptisch.
Ich sehe in dem Urteil des EuGH eher den Auftrag an die deutschen Gerichte, die bestehenden Regelungen zukünftig unter Beachtung Rechtsauffassung des EuGH auszulegen, nicht unbedingt einen Auftrag an den Gesetzgeber.
Für dieses Verständnis spricht auch folgender Satz in der Entscheidung des EuGH:
"Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Rechtsstreit, mit dem es konkret befasst ist, im Licht dieser Grundsätze unter gebührender Berücksichtigung aller seiner Besonderheiten zu entscheiden, insbesondere der Natur der fraglichen Ware und der Länge des Zeitraums, nach dessen Ablauf der Verbraucher aufgrund der Nichteinhaltung der dem Verkäufer obliegenden Informationspflicht sein Widerrufsrecht ausgeübt hat."
Ich halte es freilich nicht für ausgeschlossen, dass auch der eine oder andere Abmahner die Entscheidung des EuGH missversteht, sodass die Frage, ob der Gesetzgeber gefordert ist, vermutlich in Kürze(national)gerichtlich geklärt werden wird.
Alexander Schupp
Rechtsanwalt Küttner Rechtsanwälte
- Referat für Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht -
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Diejenigen, für die die Gesetzte gemacht werden, müssen sie auch verstehen. von Roland Dilsch, 19.01.2010, 20:53 Uhr
Als juristischer Laie setllt sich mir doch angesichts solcher, vielleicht juristisch korrekter Entscheidunegn die Frage, ob man nicht über die Allgemeinverständlichkeit der Gesetze und der daraus resultierenden Gerichtsentscheidungen nachdenken sollte. Mein (hoffentlich) gesunder... » Weiterlesen
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Ohne Titel von Unbekannt, 12.09.2009, 20:31 Uhr
Ich habe die Wertersatzklausel bis zur endgültigen Klärung komplett gestrichen. Sollte ein Kunde die geliferte ware nach Ablauf der Widerrufsfrist zurücksenden wird der Artikel sowieso auf unsachgemäßen Gebrauch überprüft. Sollte dann etwas zerstört sein oder ähnlich beeinträchtigt sein, daß auf... » Weiterlesen
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Ohne Titel von kleffe, 12.09.2009, 13:13 Uhr
mein Fehler, der Käufer hat dann lediglich die Versandkosten zu erstatten, da über 40€
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Ohne Titel von kleffe, 12.09.2009, 13:11 Uhr
Hallo, aber es ist doch theoretisch jetzt rechtlich legitim wenn ein Käufer: 1) beispielsweise eine Playsation bei einem ebay-Händler "erwirbt", sie ausgiebig für ca. 3,5 Wochen "testet" und dann den Kauf "widerruft" 2) der Käufer bekommt sein Geld komplett zurück, inkl. Versandkosten, da über... » Weiterlesen
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Ohne Titel von Unbekannt, 10.09.2009, 23:06 Uhr
Und!? Wie würden Sie denn den Widerruf einer getragenden Unterhose oder eines gebrauchten Dildos abwickeln? Wenn es per Vorkasse gewesen ist, dann sagen Sie dem Kunden LMAA (soll er doch klagen...) Und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
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Ohne Titel von SEO-FREAK, 10.09.2009, 17:27 Uhr
Da werden sich meine paar tausend shopbetreiber ja wieder mal ein bein abfreuen. neben wirtschaftskrise haben wir auch mit zunehmender verblödung der für recht zuständigen gremien zu tun .- zumindest mir würde auch gut gefallen, wenn der gesetzgeber in persona mal wegen amts-schwachsinn in... » Weiterlesen
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Wieso Blödsinn von Unbekannt, 10.09.2009, 14:13 Uhr
Die Benutzung einer Zahnbürste oder eines Dildos stellt eine bestimmungsgemäße Ingebrauchname dar. Ebenso wenn ich eine Strumpfhose anziehe (die sich dehnt und dadurch nicht mehr als Neuware verkäuflich ist), auch das Tragen von Unterwäsche ist ein bestimmungsgemäßer Gebrauch. Wo ist denn hier die... » Weiterlesen
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Ohne Titel von Unbekannt, 10.09.2009, 13:55 Uhr
Nein, darf er nicht! Wer hat Ihnen denn den Bloedsinn erzaehlt...
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Wie sieht das mit Hygieneartikeln aus ? von Unbekannt, 10.09.2009, 13:28 Uhr
Der Verbraucher kann also in Zukunft Zahnbürsten, Dildos, Feinstrumpfhosen und Unterwäsche 14 Tage lang tragen oder benutzen und dann widerrufen ? Welchem Richter haben die dann da in Hirn gesch...
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Ohne Titel von M.L., 09.09.2009, 20:04 Uhr
Wertersatz - in einem Monat eher gering. Ich habe in meinen AGB daher den Satz (schon seit längerem) drin: Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten. Das sollte doch für jeden Onlinehändler (da es bei... » Weiterlesen
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