OLG Hamm zum Versandhandel mit Wertsachen: Diebstahl der Ware auf dem Transportweg kann Händler von der Leistungspflicht entbinden
Trotz der Sondervorschriften zum Verbrauchsgüterkauf ist ein Händler nicht unbedingt zur erneuten Leistung verpflichtet, wenn die von ihm an einen Verbraucher übersandten Wertsachen während des Transports von einem unbekannten Dritten gestohlen werden. So entschied das OLG Hamm in einem aktuellen Urteil, in dem es um die Nachlieferung gestohlener Goldmünzen ging (OLG Hamm, Urt. v. 24.05.2011, Az. I-2 U 177/10).
Durch die Auswahl und Versendung der konkreten Münzen an den Verbraucher habe der Händler das seinerseits erforderliche getan, um den Vertrag mit dem Verbraucher zu erfüllen; da es sich bei den Goldmünzen um eine Gattungsschuld handelt, sei die Ware ausreichend konkretisiert worden. Der Diebstahl der Münzen durch einen Unbekannten Dritten führt somit zur Unmöglichkeit der Lieferung dieser Münzen an den Verbraucher; die erneute Lieferung kann nicht verlangt werden, so die Richter des OLG Hamm (vgl. Urt. v. 24.05.2011, Az. I-2 U 177/10; m.w.N.):
„Die Lieferung der auf den Weg gebrachten Goldmünzen, auf die sich das Schuldverhältnis beschränkt, ist der Beklagten unmöglich. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass das Paket auf dem Versandweg von einem unbekannten Dritten geöffnet und die Goldmünzen entnommen worden sind. Der Dieb ist, wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, bis heute nicht ermittelt worden.
Auf die vom Landgericht herangezogene Vorschrift des § 474 II 2 BGB, nach der beim Verbrauchsgüterkauf § 447 BGB nicht anzuwenden ist, kommt es nicht an.
Die vor Einführung der Regelung des § 474 II 2 BGB beim Versendungskauf allein geltende Vorschrift des § 447 BGB, nach deren Absatz I die Gefahr übergeht, sobald der Verkäufer die Sache der mit der Versendung beauftragten Person übergibt, bewirkt, dass der Käufer den Kaufpreis trotz Verlust oder Beschädigung der Sache auf dem Transportweg voll bezahlen muss, Palandt/Weidenklaff, 70. Auflage 2011, § 447 BGB Rz. 17. Die Anordnung der Unanwendbarkeit der Vorschrift beim Verbrauchsgüterkauf durch § 474 II 2 BGB bewirkt, dass diese für den Käufer missliebige Folge beim Verbrauchsgüterkauf nicht eintritt, er also im Falle des Verlustes der Kaufsache auf dem Transportweg – in Fällen, in denen das wie hier zur Leistungsbefreiung des Verkäufers nach § 275 BGB führt – von seiner Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises frei wird, § 326 I BGB, bzw., wenn er schon gezahlt hat, ihm der Kaufpreis zurück zu erstatten ist, § 326 IV BGB.
Die Annahme des Landgerichts, der Ausschluss des § 447 BGB beim Verbrauchsgüterkauf durch § 474 II 2 BGB und die Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen nach § 475 BGB bedeuteten, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht erst dann erfüllt habe, wenn sie dem Kläger Besitz und Eigentum übertragen habe, trifft so nicht zu. Auch wenn die Sache bei Anwendbarkeit des § 447 BGB auf Gefahr des Käufers reist, tritt Erfüllung der nach § 433 BGB geschuldeten Leistungspflicht des Verkäufers – Übergabe und Verschaffung von Eigentum – erst mit Bewirken der Leistung, § 362 I BGB, und mithin erst dann ein, wenn die Transportperson dem Käufer die Sache übergibt. Hier geht es nicht darum, ob die Lieferverpflichtung der Beklagten durch Erfüllung erloschen ist, sondern darum, ob sie wegen Verlustes der Sache auf dem Transportweg von ihrer Lieferpflicht frei geworden ist.“
Unerheblich ist nach Ansicht der Richter übrigens die Frage, ob den beklagten Händler eine Mitschuld am Diebstahl der Goldmünzen trifft, etwa weil er angesichts des Warenwerts einen zu unsicheren Transportweg gewählt hat:
„Soweit der Kläger möglicherweise meint, die Beklagte habe mit der Übergabe an die Transportperson deshalb nicht das ihrerseits für die Leistung Erforderliche im Sinne der Vorschrift des § 243 I BGB getan, weil es nach seiner Behauptung zur fraglichen Zeit mehrere Fälle mit entsprechenden Problemen gegeben habe und der Beklagten daher bekannt gewesen sei, dass ihre Versandwege und die Art und Weise der Verpackung unzureichend gewesen seien, trifft das nicht zu. Das zur Leistung Erforderliche hat die Beklagte getan, indem sie das Paket mit den Goldmünzen am Leistungsort auf den Weg gebracht hat. Falls der Weg, wie der Kläger behauptet, erkennbar unsicher gewesen sein sollte, betrifft das nicht die Frage, ob die Beklagte das zur Leistung ihrerseits Erforderliche im Sinne des Bewirkens der Leistungshandlung getan hat, sondern die Frage, ob die Beklagte am Verlust der Sendung auf dem Transportweg durch Diebstahl eines Dritten ein Verschulden trifft. Das spielt für den Ausschluss des Anspruchs auf Leistung nach § 275 I BGB keine Rolle.“
Eine mögliche Revision des Urteils wurde vom OLG Hamm nicht zugelassen. Keine Auswirkung hat dieses Urteil übrigens auf die Frage, ob der Käufer weiterhin den Kaufpreis für die Goldmünzen schuldet oder nicht.
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