LG Hagen zum Bolzenbruch: Keine Haftung des Versandhändlers für mangelhaftes Kfz-Ersatzteil
Ein Versandhändler ist nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts Hagen grundsätzlich nicht für Mängel an einem Kfz-Ersatzteil verantwortlich, die er weder erkennen konnte noch musste. Schadensersatzforderungen des Verbrauchers, der durch das mangelhafte Teil einen Folgeschaden am Fahrzeug erlitten hat, können in diesem Fall nicht an den Händler gerichtet werden (vgl. aktuell LG Hagen, Urt. v. 24.08.2012, Az. 2 O 61/12).
Ein Verbraucher hatte für sein Fahrzeug einen Zahnriemensatz bestellt, bestehend aus u.a. einem Zahnriemen, einer Umlenk- und einer Exzenterrolle sowie mehreren Bolzen. Die Montage übernahm er selbst. Nach kurzer Zeit brach der Befestigungsbolzen der Umlenkrolle aufgrund eines Herstellungsfehlers: Der Innensechskant war nicht zentrisch in den Bolzenkopf eingefügt, wodurch Biegespannungen im Bolzen entstanden und unter Belastung zum Bruch führten. Infolgedessen entstand ein beträchtlicher Schaden am Motor.
Der Verbraucher wandte sich daraufhin mit einer Schadensersatzforderung i.H.v. € 3.848,37 (netto) an den Versandhändler, der jedoch jegliche Verantwortung für den Mangel des Bolzens bestritt. Im folgenden Rechtsstreit gab das Landgericht Hagen dem Händler Recht – eine Verantwortung des Händlers für einen Mangel, der definitiv vom Hersteller zu verantworten ist, hielten die Richter für ausgeschlossen (vgl. LG Hagen, Urt. v. 24.08.2012, Az. 2 O 61/12; mit weiteren Nachweisen):
"Der Beklagte hat die gelieferte Schraube nicht selbst hergestellt, sondern den Zahnriemensatz, der die Schraube enthielt und der ihm von seiner Lieferantin original verpackt angeliefert worden war, unverändert an den Kläger weitergeliefert. Der Mangel der Schraube, also die unsymmetrische Einstanzung des Innensechskants im Schraubenkopf kann, wie der Sachverständige anlässlich der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens überzeugend dargestellt hat, nur im Herstellungsprozess geschehen sein. Einen aus einem Herstellerfehler folgenden Mangel hat der am Produktionsprozess nicht beteiligte reine Händler jedoch grundsätzlich nicht zu vertreten […]. Der Händler hat nämlich in der Regel keine Möglichkeit, die ihm zum Vertrieb gelieferte Ware umfassend auf Fehler zu überprüfen."
Doch selbst für den – eher unwahrscheinlichen – Fall, dass ein Versandhändler sämtliche Originalverpackungen öffnet und jedes Produkt einzeln in Augenschein nimmt, ist er nach Ansicht des Gerichts nur dann für einen Mangel verantwortlich, wenn er ihn erkannt und das defekte Produkt trotzdem versandt hat. Im vorliegenden Fall war der Mangel jedoch mit bloßem Auge überhaupt nicht erkennbar:
"Denn selbst wenn er eine entsprechende Überprüfung vorgenommen hätte, hätte er den nicht genau mittig eingestanzten Innensechskant aller Voraussicht nach nicht feststellen können. Schon die Inaugenscheinnahme der von der amtlichen Materialprüfungsanstalt […] zeigt, dass der exzentrische Innensechskant mit bloßem Auge nicht wahrgenommen werden kann, obwohl die Fotos bereits vergrößert sind. Selbst der Sachverständige C hat, wie aus seinem schriftlichen Gutachten hervorgeht, die exzentrische Einstanzung zunächst nicht wahrgenommen. […] Erst die nähere Untersuchung durch die Materialprüfungsanstalt ergab, dass der Innensechskant der Schraube exzentrisch eingestanzt war. Wenn jedoch der Sachverständige zunächst mit bloßem Auge den Geometriefehler der Schraube zunächst nicht bemerkt hat, hätte auch der Beklagte, selbst wenn er die Einzelteile des Zahnriemensatzes aus der Verpackung genommen hätte, diesen Fehler aller Voraussicht nach nicht bemerkt. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Kläger selbst […] unstreitig vorgetragen hat, dass die mangelhafte Eigenschaft der Schraube beim normalen Einbau nicht auffallen musste. Schließlich hat auch er selbst den nicht zentrierten Innensechskant nicht erkannt, obwohl er sich die Schraube vor dem Einbau […] genau betrachtet hat."
Diese erstaunlich händlerfreundliche Entscheidung ist insgesamt überzeugend. Die Annahme, ein Ersatzteil-Versandhändler müsse jedes einzelne Teil – auch wenn er es gar nicht selbst hergestellt hat – vor dem Versand unter die Lupe nehmen und noch einmal genau prüfen, wäre tatsächlich etwas weltfremd. Vom durchschnittlichen Versandhändler werden wohl auch keine vertieften Kenntnisse der technischen Konstruktion und der Werkstoffkunde erwartet. In Fällen wie dem hier dargestellten ist es daher durchaus dem Verbraucher zuzumuten, sich mit seinen Schadensersatzforderungen an den Verantwortlichen – also den Hersteller des mangelhaften Bauteils – zu wenden.
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4 Kommentare
Wofür brauchen wir eine Sachmängelhaftung (Gewährleistung) zwischen Endverbraucher und Verkäufer für neu hergestellte Sachen (wenn der Verkäufer / wie in den überwiegenden Fällen nicht der Hersteller der Sache ist). Nach diesem Urteil kann sich jetzt jeder Verkäufer darauf berufen (bei Materialfehlern) seine Pflicht nicht verletzt zu haben.
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Der Gesetzgeber kann somit die Paragraphen 433, 434, 437, 439, 476, 478 und 479 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch streichen und weiterhin gegen die Eu-Richtlinie 1999/44/EG verstossen.
Somit reden wir nur noch vom Produkthaftungsgesetzt - ProdHaftG (Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte) zwischen Endverbraucher und Hersteller (mit einer Selbstbeteiligung bei Sachschäden von 500,--€).
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Danach ist nur ein Selbstbehalt von 500 € bei Schäden an anderen Dingen als dem verursachenden Teil vorgesehen. Diesen Anspruch hat man bis 10 Jahre nach in Verkehrbringung bzw. bis 3 Jahre nachdem der Schaden aufgetreten ist.
Haftbar ist der Hersteller, ist dieser im Ausland der Importeur, bei Grauimporten im Notfall der Verkäufer.
Diese Haftung hat auch nichts mit der Gewährleistung zu tun. Ich der Bolzen innerhalb der Gewährleistung gebrochen muss der Verkäufer eine Garantieleistung am Bolzen erbringen. Danach entfällt das.
Was ich nicht verstehe ist, dass es überhaupt zu einem Prozess gekommen ist. Als Verkäufer sollte ich mich in der Materie auskennen und den Kunden an den Importeur verweisen. Falls es diesen nicht gibt, dann hat das Gericht mal wieder so entschieden, wie das meistens passiert, nämlich falsch.
Ich glaube nicht das die Entscheidung des Gerichts Bestand hat, denn die Haftung hängt nicht davon ab ob jemand den Schaden erkennen konnte sondern ergibt sich aus der Sachmangelhaftung. Eine andere Frage ist die dann zu regulierende Höhe des Schadens, die m.E. die Gerichte langjährig mit dem 2,5fachen Betrag des Handelswertes der verkauften sache eingegrenzt haben. Die ist in dem beschriebenen Fall sicherlich deutlich weniger als der am Motor entstandene Schaden, und für diesen darüber hinausgehenden Betrag (!) macht das zitierte Urteil Sinn.