UWG - Schwarze Klausel Nr. 30 - Bitte kaufen, sonst feuern die mich - Verbotene psychische Tricks von Unternehmern

UWG - Schwarze Klausel Nr. 30 - Bitte kaufen, sonst feuern die mich - Verbotene psychische Tricks von Unternehmern

Verbraucher haben ein Recht darauf, ein Produkt zu kaufen, ohne dass man es Ihnen mittels fieser psychischer Tricks anzudrehen versucht – z.B. mit moralischem Druck. So etwa, wenn der Verkäufer behauptet, sein Job oder sein Lebensunterhalt wäre in Gefahr, wenn der Kunde nicht kaufe. Es ist nicht fair, aus dem schlechten Gewissen und der Gutmütigkeit der Kunden unlauteren Profit zu schlagen. Daher verbietet die Schwarze Klausel Nr. 30 des UWG solche Praktiken. Lesen dazu jetzt den 31. und letzten Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei.

Die Klausel

„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind…
Nr. 30:    …die ausdrückliche Angabe, dass der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnehme.“

Retter in Not!?

Die letzte der 30 sog. Schwarzen Klauseln widmet sich einer beim Direktvertrieb beliebten Methode. Zumindest in der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Mitarbeiter, die auf der Straße oder an der Haustür direkt in Kontakt mit den Kunden treten, diese unter einen moralischen (Kauf-)Druck gesetzt haben, um Vertragsabschlüsse zu erreichen. Dies geschah etwa dadurch, dass sie ihren Kunden erzählten, ihnen würde gekündigt oder sie oder ihre Kinder hätten kaum etwas zu essen, wenn der Verbraucher nicht das angebotene Zeitungs-Abo o.ä. kaufe.

Unabhängig davon, ob solche Aussagen eines Mitarbeiters wahr sind oder bloß ein Bluff, macht sich der Verbraucher für gewöhnlich seine Gedanken. Und wenn er ein gutes Herz hat, so ist es möglich, dass er die angebotene Ware kauft, obwohl er sie ursprünglich nicht kaufen wollte.

Das Dilemma der Mitarbeiter im Direktvertrieb ist, dass sie oftmals tatsächlich stark unter Druck stehen, möglichst viel Ware „an den Mann“ zu bringen, um genügend Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Dennoch sollten dies nicht die Verbraucher ausbaden müssen, sondern die Unternehmer, indem sie ihre Mitarbeiter so gute Arbeitsbedingungen schaffen, dass sie gegenüber den Verbrauchern keine derartigen Äußerungen tätigen.

1

Unternehmer

Die Schwarze Klausel Nr. 30 spricht von Unternehmern, deren Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt gefährdet sein muss. Wer Unternehmer ist, ergibt sich aus § 2 Absatz 1 Nr. 6 UWG. Demnach ist dies jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt.

Hiermit sind somit nicht bloß Einzelunternehmer oder die „Chefs“ gemeint, sondern vielmehr auch Mitarbeiter oder Beauftragte eines (größeren) Unternehmens.

Somit verstößt ein Unternehmen auch dann gegen die Vorschrift, wenn nur ganz vereinzelte Mitarbeiter derartige wettbewerbswidrige Praktiken anwenden. Das Unternehmen hat daher ein gewisses Risiko und muss bei der Mitarbeiterauswahl ein gutes Händchen beweisen, um möglichen Wettbewerbsverstößen vorzubeugen.

Ausdrücklich

Die Äußerung des Unternehmers bzw. des Mitarbeiters, dass der Arbeitsplatz oder der Lebensunterhalt gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnehme, muss ausdrücklich erfolgen. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, wenn der Mitarbeiter nur sehr mitgenommen aussieht, eventuell sogar zerrissene Kleidung hat. Ebenfalls nicht ausreichend ist es, wenn der Mitarbeiter mit seinem Auftreten insgesamt suggeriert, dass der Vertragsabschluss für ihn überlebensnotwendig ist.
Der Mitarbeiter muss sich in dieser Hinsicht klar und deutlich äußern. Nur dann kann ein Verstoß gegen die Vorschrift vorliegen.

Arbeitsplatz und Lebensunterhalt in Gefahr

Wie aus der Vorschrift eindeutig hervorgeht, ist allein relevant, ob sich der Unternehmer bzw. Mitarbeiter hinsichtlich seines Arbeitsplatzes bzw. Lebensunterhalts äußert. So etwa, wenn behauptet wird, einem werde gekündigt, wenn man nicht eine bestimmte Quote erfülle, oder man müsse hungern und könne sich keine Wohnung leisten, wenn man das angebotene Produkt nicht verkaufen könne.

Behauptet der Unternehmer dagegen beispielsweise, die Natur, Umwelt oder andere Menschen würden dadurch in irgendeiner Weise gefährdet, so reicht dies nicht aus. Dann kann zumindest kein Wettbewerbsverstoß gemäß der Schwarzen Klausel Nr. 30 vorliegen. Möglicherweise kommen dann jedoch andere Vorschriften des UWG in Betracht.

Beispiel

Anhand eines kurzen Beispiels soll die Vorschrift weiter erläutert werden:

Marcus arbeitet für die „Winkler Direkt-Vertriebs GmbH“, für die er an den Haustüren Berlins bestimmte Zeitungs-Abos verkaufen soll. Nachdem es in den ersten Wochen seiner Tätigkeit nicht besonders rund gelaufen ist, entscheidet er sich, seine Verkaufsstrategie zu ändern. Statt auf das grundsätzliche Interesse der Verbraucher zu setzen, hat er sich „eine kleine Rede“ zurechtgelegt, die ihm nun schon seit einiger Zeit zu mehr Vertragabschlüssen verhilft.

So erzählt er auch an der Wohnungstür von Frau Schmidt, einer älteren Dame:

„Guten Abend, meine Dame. Ich habe mich entschlossen, nicht unserem Staat auf der Tasche zu liegen und Hartz 4 zu bekommen, sondern zu arbeiten. Aber verstehen Sie, es ist ein ziemlich hartes Brot, ich muss jeden Cent mühsam zusammenkratzen, sonst reicht es einfach nicht zum Leben. Ich verkaufe Abos von Zeitschriften wie „Constanze“, „Royal“ und „TV Morgen“. Aber wenn ich nicht genügend Abos verkaufe, dann schmeißen die mich raus und ich habe gar kein Geld mehr zum Leben. Würden Sie mir freundlicherweise ein Abo abnehmen?“.

Frau Schmidt lässt sich von diesem Spruch überhaupt nicht erweichen. Sie hat bei unerwünschten Anrufen schon Call-Center-Agenten zum Weinen gebracht und sieht auch jetzt nicht ein, wieso sie sich ein solches Abo andrehen lassen sollte. Sie sagt daher zu ihm, er solle verschwinden und sich was Anständiges suchen und schlägt ihm die Tür vor der Nase zu.

Marcus – und mit ihm die „Winkler Direkt-Vertriebs-GmbH“ – hat gegen die Schwarze Klausel Nr. 30 verstoßen. Marcus hat Frau Schmidt gegenüber ausdrücklich erklärt, sein Arbeitsplatz und damit sein Lebensunterhalt wäre akut gefährdet, wenn sie – und andere Kunden – ihm keines seiner Abos abnehme. Dies genügt bereits. Nicht von Bedeutung ist, dass Frau Schmidt darauf nicht angesprungen ist und ihm kein Abo abgenommen hat. Darauf kommt es nicht an, denn es geht allein darum, wie der Unternehmer bzw. der Mitarbeiter seine Waren und Dienstleistungen dem Verbraucher gegenüber anbietet.

Fazit

Verbraucher sollen sich aus freien Stücken für oder gegen ein bestimmtes Produkt entscheiden können, ohne dass Unternehmer mit (allzu) fiesen psychischen Tricks arbeiten. Diese Tricks wirken bei vielen Menschen, denn wer will schon als herzloser Egoist dastehen! Hier setzt das UWG an und verbietet derlei Praktiken. Unternehmer, die gegen diese Vorschrift verstoßen, verhalten sich wettbewerbswidrig und müssen seitens der Verbraucherschützer und Konkurrenten mit Sanktionen rechnen. Und es sei bemerkt: Unternehmer, die von ihren eigenen Produkten und Leistungen überzeugt sind, müssen nicht zu solchen Mitteln greifen.

Dies war die letzte Vorschrift, die im Rahmen der großen Serie der IT-Recht Kanzlei zur sog. Schwarzen Liste des UWG besprochen worden ist. Die IT-Recht Kanzlei bedankt sich bei Ihren treuen Lesern für die Aufmerksamkeit und hofft, dass zukünftige Themen auf ein ebenso großes Interesse stoßen werden.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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3 Kommentare

I
IT-Recht Kanzlei 23.11.2009, 17:47 Uhr
Danke
Haben Sie vielen Dank für Ihr sehr nettes Lob. Die Serie zum Thema "Schwarze Klauseln" hat auch uns viel Spaß bereitet.
U
Unbekannt 23.11.2009, 11:43 Uhr
UWG - Schwarze Klauseln
Liebes IT-Recht-Team! Ich möchte mich bei Ihnen für die Reihe: "UWG - Schwarze Klauseln" bedanken, die ich stets mit großem Interesse gelesen habe! Bitte fahren Sie mit dieser Art der "Rechtsaufklärung" fort; denn nur so kann der Otto-Normal-Verbraucher die doch recht komplexe Juristerei verstehen. Mit besten Grüßen
I
Ilse Bayer 20.11.2009, 18:46 Uhr
Geschäft mit der Gutmütigkeit
Ich bin mir nicht sicher, ob es an meiner Naivität liegt, aber ich las Ihren Artikel mit offenem Mund und staunenden Augen! Bisher war mir gar nicht bewusst, dass es solche fiesen Verkaufstricks gibt und ich bin mehr als entsetzt!!! Nichtsdestotrotz ist es beruhigend, dass der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, die dies unterbindet.

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