OLG Stuttgart: DSGVO-Verstöße sind abmahnbar und § 13 TMG ist neben DSGVO nicht anwendbar!

OLG Stuttgart: DSGVO-Verstöße sind abmahnbar und § 13 TMG ist neben DSGVO nicht anwendbar!
Stand: 19.03.2020 6 min

Sind Verletzungen der DSGVO wettbewerbsrechtlich abmahnbar oder nicht? Kaum eine andere Rechtsfrage ist aktuell so umstritten. Hierzu ergingen schon einige Entscheidungen, wobei sich die Zahl der Vertreter der unterschiedlichen Lager bis vor Kurzem die Waage hielt. Nun positionierte sich auch das OLG Stuttgart zur Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen und äußerte sich nebenbei auch noch zur Anwendbarkeit von § 13 TMG neben der DSGVO. Wie dies einzuordnen ist, lesen Sie in unserem neuen Beitrag!

Abmahnbarkeit von DSGVO-Verstößen

Da bisher keine BGH-Entscheidung vorliegt, ist immer noch umstritten, ob die Normen der DSGVO Marktverhaltensregeln darstellen und somit wettbewerbsrechtlich abmahnbar sind. In Literatur und Rechtsprechung wird (teilweise) vertreten, dass Datenschutzbestimmungen nach Inkrafttreten der DSGVO keine Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen sollen und damit auch nicht abmahnbar sind.

Daneben haben mehrere Gerichte entschieden, dass derartige Verstöße abmahnbar sein können. Die bisher gewichtigste Stimme kam vom OLG Hamburg (Urt. v. 25.10.2018, Az. 3 U 66/17), welches die Abmahnfähigkeit bejaht hat. Mit der neuesten Entscheidung des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2020, Az. 2 U 257/19) überwiegt nun die Zahl der Gerichte, die eine UWG-Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen als möglich erachten.

Was ist geschehen?

Der berüchtigte IDO-Verband ging gegen einen auf eBay tätigen Händler vor. Der Händler stellte lediglich Angaben zu seiner Firma, der Postanschrift, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse zur Verfügung. Eine Datenschutzerklärung fehlte hingegen. Der IDO-Verband sprach sodann eine Abmahnung an den Händler aus, worauf Letzterer jedoch nicht reagierte. Schließlich wurde der Händler vor dem LG Stuttgart auf Unterlassung verklagt.

Das Landgericht hat die Klage jedoch abgewiesen (LG Stuttgart, 20.05.2019, Az. 35 O 68/18). Der Unterlassungsantrag des klagenden Verbandes wurde sowohl auf § 13 TMG als auch (hilfsweise) auf die DSGVO gestützt. Nach Ansicht des LG Stuttgart könne die Klage nicht auf § 13 TMG gestützt werden, da die Normen des TMG neben der nunmehr geltenden DSGVO keinen Anwendungsbereich mehr habe. Des Weiteren positionierte sich das LG Stuttgart auch zur Frage, ob DSGVO-Verstöße abmahnbar sind: Da die Regelungen der DSGVO abschließend seien, sei eine Abmahnfähigkeit ausgeschlossen, so die Richter.

Der klagende IDO-Verband legte Berufung beim OLG Stuttgart ein, da aus seiner Sicht § 13 TMG weiterhin Bestand habe und auch eine Verletzung der Normen der Datenschutz-Grundverordnung, die kein abgeschlossenes Sanktionensystem enthielten, zur Abmahnfähigkeit führten.

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OLG Stuttgart: DSGVO-Verstöße sind abmahnbar!

Das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2020, Az. 2 U 257/19) urteilte, dass die Datenschutzbestimmungen der DSGVO Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen und damit auch abmahnbar sind.

Bei einer Norm handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung, wenn die verletzte Regelung mindestens sekundär eine Normierung des Marktverhaltens im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktbeteiligten regelt. Bei Art. 13 DSGVO der Datenschutz-Grundverordnung handele es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, so die Richter. Die Kenntnis des Namens und der Kontaktdaten des Verantwortlichen (Art. 13 Abs. 1 lit. a DSGVO) habe eine verbraucherschützende Funktion und weise den erforderlichen wettbewerblichen Bezug auf.

Dasselbe gelte auch für die Information nach Art. 13 Abs. 1 lit. c DSGVO (Verarbeitungszweck und Rechtsgrundlage für Verarbeitung) und Art. 13 Abs. 2 lit. e DSGVO. Einen Marktbezug habe schließlich auch die Pflicht zur Erteilung der Information über die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer (Art. 13 Abs. 2 lit. a DSGVO).

Dem Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer diene eine Norm, wenn sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme schütze. Dies sei hier der Fall, denn bereits durch den Geschäftskontakt als solchen würden datenschutzrechtliche Belange des Interessenten berührt und entsprechende Pflichten des Unternehmers begründet.

Die Entscheidung, mit dem Anbieter über Fernkommunikationsmittel in Kontakt zu treten, sei untrennbar mit der Übermittlung personenbezogener Daten verknüpft. Die durch den Händler zu erteilenden Informationen (u.a. Datenschutzerklärung) dienten damit auch der Entscheidung des Verbrauchers, mit dem Unternehmen überhaupt in Kontakt zu treten und in diesem Zuge Daten zu übermitteln.

Für den Verbraucher könne für die Anbahnung des Geschäftes auch von Bedeutung sein, für welchen Zweck die Daten verarbeitet und wie lange sie gespeichert werden sollen. Je weiter die Zweckerklärung reiche und je länger die Daten gespeichert würden, desto eher bestünde die Gefahr für eine vom Verbraucher unerwünschte Datenverarbeitung durch den Unternehmer oder gar für einen Datenmissbrauch durch Dritte. Die zu erteilenden Informationen zur Datenerhebung stellten somit Informationen dar, die dem Verbraucher eine informierte Entscheidung über die Geschäftsanbahnung ermöglichten, so das Gericht.

Wie ist der aktuelle Stand - sind Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich abmahnbar?

Wir geben einen Überblick über den aktuellen Meinungsstand in der Rechtsprechung in diesem Beitrag!

OLG Stuttgart und OLG Hamburg: DSGVO verdrängt § 13 TMG

Das OLG Stuttgart äußerte sich in oben beschriebenem Fall auch zur Frage, ob § 13 TMG neben der DSGVO anwendbar bleibt. Die Regelung in § 13 TMG bestimmt systematisch zusammengefasst die „Pflichten des Diensteanbieters“ und kombiniert klassische Ansätze des Datenschutzes mit den modernen Ansätzen des Systemdatenschutzes.

Nach § 13 Abs. 1 S. 1 TMG hat der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten an einem Ort außerhalb der Europäischen Union in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

Diese gesetzliche Regelung werde durch die Bestimmungen der DSGVO verdrängt. Zum selben Ergebnis kam auch das OLG Hamburg (OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 10.12.2019, Az. 15 U 90/19). Für § 13 Abs. 1 TMG bestehe nach Inkrafttreten der DSGVO kein Anwendungsbereich mehr, denn diese den Datenschutz für Telemedien regelnde Norm werde durch die DSGVO, die EU-weit harmonisierte Regelungen zum Datenschutz trifft, vollständig verdrängt.

Das OLG Stuttgart führte aus, dass die Datenschutz-Grundverordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung beanspruche und im Kollisionsfall das nationale Recht verdränge. Bei § 13 TMG handele es sich um eine solche nationale Norm, welche verdrängt werde. Unerheblich sei weiter, ob und in welchem Umfang die Regelung in § 13 Abs. 1 S. 1 TMG mit der Datenschutz- Grundverordnung vereinbar ist.

Den Mitgliedstaaten sei es untersagt, (auch gleichlaufende) Regelungen zu erlassen, die den Anwendungsbereich der Verordnung verschleiern und damit die Auslegungshoheit des Europäischen Gerichtshofs über das Unionsrecht in Frage stellen. Die auf den Datenschutz bezogenen Informationspflichten des Diensteanbieters richteten sich mithin allein nach der Datenschutz-Grundverordnung, nicht nach § 13 Absatz 1 TMG.

Fazit

Neben dem OLG Stuttgart hat auch das OLG Hamburg festgestellt, dass die Regelungen der DSGVO die nationale (deutsche) Norm des § 13 TMG verdrängen. Für die Praxis bedeutet dies, dass wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nicht mehr auf die Verletzung von § 13 Abs. 1 TMG gestützt werden können.

Nach der neuesten Entscheidung des OLG Stuttgart ist der aktuelle Stand zur Frage, ob Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich abmahnbar sind, nicht mehr ausgeglichen. Während vier Instanzgerichte sich „contra Abmahnbarkeit“ positioniert haben, tritt nun das OLG Stuttgart zu den bisherigen vier Gerichten hinzu, die die Regelungen der DSGVO als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG ansehen und somit die Abmahnbarkeit von DSGVO-Verstößen bejahen.

Die die zwei gewichtigsten Stimmen (OLG Stuttgart und OLG Hamburg) sind darüber hinaus auch dem Lager „pro Abmahnfähigkeit“ zuzurechnen, was durchaus eine Vorschau auf eine eventuell in der Zukunft ergehende höchstrichterliche Entscheidung sein könnte. Das OLG Stuttgart hat die Revision zum BGH zugelassen und erkannt, dass „der Rechtsstreit (…) Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf(wirft). Sowohl die Frage, ob Wirtschaftsverbänden eine Klagebefugnis zusteht als auch die Frage, ob es sich bei Artikel 13 DSGVO um Marktverhaltensregeln handelt, wird im Schrifttum lebhaft diskutiert.“

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