Abmahnung: Abgabe von Biozid-Produkten ohne vorheriges Abgabegespräch

Abmahnung: Abgabe von Biozid-Produkten ohne vorheriges Abgabegespräch
7 min
Beitrag vom: 25.07.2025

Seit dem 01.01.2025 lösen Biodzidprodukte einen erhöhten Handlungsbedarf - und damit eine gesteigerte Abmahngefahr aus. Es geht um das Selbstbedienungsverbot im Einzel- und Online-Handel, das u.a. ein Abgabegespräch vor Abschluss des Kaufvertrages vorschreibt.

Was war der Anlass für die Abmahnung?

Der abgemahnte Online-Händler vertrieb Schädlingsbekämpfungsprodukte, u.a. eine Vielzahl von Biozid-Produkten.

Beim Kauf eines Biozid-Produkts im Online-Shop des Händlers erschien im Warenkorb folgende Meldung:

"ACHTUNG: Da du Biozidprodukte im Warenkorb hast, musst du dir vor dem Kauf kurz unsere Hinweis-Videos ansehen. Jetzt ansehen."

Dieser Hinweis fand sich auch in einem Kästchen im Zuge des Angebots, dort war hinzugefügt:

"Wichtig: Dieses Produkt erfordert ein Abgabegespräch. Da es unter die Biozidverordnung fällt, musst du vor dem Kauf ein kurzes Aufklärungsvideo (ca. 2 Minuten) ansehen. Nach deiner Bestellung rufen wir dich für ein kurzes telefonisches Gespräch an. Erst danach wird die Ware versendet."

Der Link führte zum entsprechenden Hinweisvideo. Wurde dessen Ende erreicht, konnte der Bestellvorgang im Checkout abgeschlossen werden, wobei zwingend eine Telefonnummer zu hinterlassen war. Allerdings erhielt die Testkäuferin keinen Anruf, stattdessen wurde die Ware umgehend geliefert.

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Rechtliche Bewertung des Wettbewerbsverstoßes

Seit dem 01.01.2025 unterliegen bestimmte Biozid-Produkte nach § 10 der Verordnung über die Meldung und Abgabe von Biozid-Produkten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (ChemBiozidDV) im Einzel- und Online-Handel einem Selbstbedienungsverbot.

Im Rahmen des Online-Handels bzw. sonstigen Versandweges muss dabei nach § 12 Nr. 2 ChemBiozidDV durch technische oder organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass vor Abschluss des Kaufvertrages über das Biozid-Produkt ein fernmündliches oder per Videoübertragung geführtes Abgabegespräch durch eine nach § 13 ChemBiozidDV sachkundige Person nachweisbar erfolgt ist.

Ein Video, das einmal vollständig abgespielt sein worden muss, ohne dabei festzustellen, ob der Käufer dieses auch tatsächlich angesehen hat, stellt kein ordnungsgemäßes Abgabegespräch dar. Außerdem kann der abgemahnte Händler keinen Nachweis über ein durchgeführtes Abgabegespräch erbringen.

Da die Bestellung ohne den beabsichtigten Telefonanruf erfolgte, hat tatsächlich kein Abgabegespräch stattgefunden.

Der Verkauf des Biozid-Produktes ohne Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Abgabegesprächs verstößt deshalb gegen § 11 Abs. 2 Nr. 2 ChemBiozidDV.

Best Practice: Durchführung eines Abgabegesprächs

Wie können Online-Händler sicherstellen, dass ein ordnungsgemäßes Abgabegespräch für Biozid-Produkte durchgeführt wird?

Zunächst sind vom Selbstbedienungsverbot mit dem Erfordernis eines Abgabegesprächs nach § 10 der ChemBiozidDV folgende Biozide betroffen:

  • Rodentizide (Produkte zur Bekämpfung von Mäusen, Ratten und anderen Nagetieren durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung),
  • Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden (Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden (zum Beispiel Insekten, Spinnentiere und Schalentiere) durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung),
  • Antifouling-Produkte (Produkte zur Bekämpfung des Wachstums und der Ansiedlung von bewuchsbildenden Organismen (Mikroben und höhere Pflanzen- und Tierarten) an Wasserfahrzeugen, Ausrüstung für die Aquakultur und anderen im Wasser eingesetzten Bauten),
  • Beschichtungsschutzmittel (Produkte zum Schutz von Beschichtungen oder Überzügen gegen mikrobielle Schädigung oder Algenwachstum zwecks Erhaltung der ursprünglichen Oberflächeneigenschaften von Stoffen oder Gegenständen wie Farben, Kunststoffen, Dichtungs- und Klebkitten, Bindemitteln, Einbänden, Papieren und künstlerischen Werken),
  • Holzschutzmittel (Produkte zum Schutz von Holz, ab dem Einschnitt im Sägewerk, oder Holzerzeugnissen gegen Befall durch holzzerstörende oder die Holzqualität beeinträchtigende Organismen, Insekten einbegriffen),
  • Schutzmittel für Baumaterialien (Produkte zum Schutz von Mauerwerk, Verbundwerkstoffen oder anderen Baumaterialien außer Holz gegen Befall durch Schadmikroorganismen und Algen).

Die Abgabe dieser Biozid-Produkte erfordert nach § 11 ChemBiozidDV, dass die abgebende Person den Erwerber im Rahmen eines Abgabegesprächs unterrichtet hat über

  • mögliche präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Schadorganismen sowie mögliche alternative Maßnahmen mit geringem Risiko,
  • die bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung des Biozid-Produkts gemäß der Gebrauchsanweisung, insbesondere über Verbote und Beschränkungen,
  • die mit der Verwendung des Biozid-Produkts verbundenen Risiken und mögliche Risikominderungsmaßnahmen,
  • die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und für den Fall des unvorhergesehenen Verschüttens oder Freisetzens sowie
  • die sachgerechte Lagerung und ordnungsgemäße Entsorgung.

Dieses Abgabegespräch kann z.B. durch eine Online-Videoübertragung erfüllt werden, die vor der Bestellmöglichkeit im Online-Shop durch den Kunden initiiert werden muss. Der Verkäufer muss hierzu keinen zertifizierten Dienstleister heranziehen. Er kann das Abgabegespräch durch eigenes Personal halten lassen, vorausgesetzt dieses verfügt über die erforderliche Sachkunde gem. § 13 ChemBiozidDV.

Wer ist sachkundig für die Abgabe von Biozid-Produkten? Die Person muss gem. § 13 ChemBiozidDV die Vorgaben einhalten nach

  • § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2, auch i.V.m. Abs. 3, der Chemikalien-Verbotsverordnung, sofern die Sachkunde auch die Abgabe von Biozid-Produkten abdeckt,
  • § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Pflanzenschutzgesetzes i.V.m. der Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung, sofern nachgewiesen werden kann, dass eine Fortbildungsveranstaltung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 der Chemikalien-Verbotsverordnung, die Kenntnisse über Biozid-Produkte vermittelt, erstmalig oder wiederholt besucht wurde und diese nicht länger als den in § 11 Abs. 1 Nr. 2 der Chemikalien-Verbotsverordnung jeweils genannten Zeitraum zurückliegt oder
  • § 15c Abs. 3 i.V.m. Anhang I Nr. 4.4 der Gefahrstoffverordnung, sofern sich die Sachkunde auf die Produktart bezieht, der das abgegebene Biozid-Produkt zuzuordnen ist.

Auch Nachweise über berufliche Qualifikationen oder erworbene Sachkunde, die in anderen Mitgliedstaaten der EU oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verliehen worden sind, genügen den dargestellten Voraussetzungen, wenn die für die Anerkennung der Gleichwertigkeit zuständige Behörde die Gleichwertigkeit bestätigt.

Empfehlenswert ist es, das Abgabegespräch zu Nachweiszwecken aufzuzeichnen und im Rahmen datenschutzrechtlicher Aufbewahrungsfristen dauerhaft zu speichern.

Das Abgabegespräch entfällt für Biozid-Produkte, für die eine oder mehrere Verwendungen gemäß der durch die Zulassung vorgegebenen Kennzeichnung nicht durch die breite Öffentlichkeit erlaubt sind.

Das Gleiche gilt für Biozid-Produkte der Produktarten Beschichtungsschutz-, Holzschutz- und Schutzmittel für Baumaterialien, wenn die abgebende Person weiß bzw. der Erwerber ihr durch Vorlage passender Unterlagen darlegen kann, dass das Biozid-Produkt in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers angewendet wird.

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Was man aus der Abmahnung lernen sollte

Seit dem 01.01.2025 gilt innerhalb Deutschlands für bestimmte Biozid-Produkte im Einzel- und Online-Handel ein Selbstbedienungsverbot.

Erfolgt die Abgabe im Online-Handel oder sonst im Versandwege, muss durch technische oder organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass vor Abschluss des Kaufvertrages über das Biozid-Produkt von einer sachkundigen Person ein Abgabegespräch durchgeführt wird. Hierzu kann der Verkäufer eine Videoübertragung einsetzen, die der Kunde vor der Bestellmöglichkeit im Online-Shop anstoßen muss.

Abmahnung erhalten – was nun? So gehen Sie richtig vor

Wird Ihnen eine Abmahnung zugestellt, sollten Sie trotz oft sehr kurzer Fristen besonnen reagieren und den Sachverhalt umgehend rechtlich prüfen lassen. In vielen Fällen sind die geltend gemachten Forderungen erheblich – vorschnelle Entscheidungen können teuer werden. Insbesondere die beigefügten Unterlassungserklärungen sind häufig juristisch einseitig formuliert und bergen erhebliche Risiken, wenn sie ungeprüft unterzeichnet werden.

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