Suchmaschinenbetreiber Google haftet nicht für rechtswidrige Äußerungen in den organischen Suchergebnissen
Das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 05.09.2013, Az.: 10 O 170/12) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen gehabt, ob Google als Suchmaschinenbetreiber für rechtswidrige Äußerungen Dritter in der organischen Suchtrefferliste (Index) haftet und in der Folge zur Entfernung des betreffenden Suchtrefferergebnisses aus dem Index verpflichtet ist. Das Gericht verneinte eine Störerhaftung und damit auch die Verantwortlichkeit Googles für die rechtverletzenden Inhalte Dritter. Lesen Sie mehr zu dieser Entscheidung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführend
Nachstehend ist ein beispielhafter Screenshot für eine Suchtrefferseite auf der Suchmaschinenseite von Google wiedergegeben. Die organischen Suchergebnisse werden dem Seitenbenutzer nach Relevanz aufgeführt (indiziert). Hiervon zu unterscheiden sind die bezahlten Werbeeinblendungen, die sog. AdWords.
2. Die Vorgeschichte
Ein emeritierter Professor zog vor Gericht, da er sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Der klagende Professor musste nämlich feststellen, dass sich bei Eingabe seines Namens in der Suchmaschine Google in den organischen Suchergebnissen der folgende Suchtreffer befand:
Das Suchtrefferergebnis verwies auf einen Beitrag eines Autors auf einer Blog-Webseite. Rief man den Link auf, wurde man auf einen Blog-Beitrag verwiesen, welcher sich mit der angeblichen Stasi-Vergangenheit des emeritierten Professors auseinander setzte. Der klagende Professor ist der Ansicht, dass der Suchmaschinenbetreiber Google auf Unterlassung hafte, da der Eintrag auf der Blog-Webseite unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte und Google an der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Professors zurechenbar mitwirke.
3. Die Entscheidung des LG Mönchengladbach
Das Gericht erteilte der Ansicht des klagenden Professors eine Abfuhr und verneinte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB.
a) Google ist nicht als unmittelbarer Störer anzusehen
Zunächst wies das Gericht darauf hin, dass der Suchmaschinenbetreiber Google nicht als Störer anzusehen sei und daher auch nicht als Störer haften könne. Hiernach wäre für die Annahme eines Störers Voraussetzung, dass Google in zurechenbarer Weise durch sein Verhalten eine Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt hatte. Da der Suchmaschinenbetreiber Google allerdings den beanstandeten Text selbst nicht verfasst hatte, ging das Gericht nicht von einer Störerstellung Googles aus. Zudem befänden sich die streitgegenständlichen Äußerungen weder auf einem von Google betriebenen Internetdienst, noch fungiere Google als Host-Provider für den betroffenen Blog.
Die Kammer argumentierte weiter, dass sich die Suchmaschine Google auf die Funktion des Bereitstellens von Suchergebnissen aufgrund eines algorythmischen Prozesses beschränke und damit selbst keine Äußerungen verbreite, sondern lediglich aufliste, was an anderer Stelle im Internet über den Kläger geschrieben stehe. Zudem nehme die beklagte Suchmaschine Google auch keine eigene Bewertung des Inhalts vor, wie dies im Falle von Suchwortergänzungsfunktionen (Autocomplete-Funktion) anzunehmen sein kann.
Auch war unstreitig, dass in den sog. „Snippets“, also dem unterhalb des Suchtreffers befindlichen Textschnippsel, die monierten Äußerungen nicht enthalten waren. Dadurch, dass Google das Suchergebnis lediglich als eines unter mehreren Suchergebnissen darstellte und zudem auch keine redaktionelle Bewertung vornehme, könne eine zurechenbare Mitwirkung an der (potentiellen) Ehrverletzung im Rahmen einer unmittelbaren Störerhaftung nicht angenommen werden.
b) Eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ginge zu Lasten des Klägers
Das Gericht wies darüber hinaus darauf hin, dass selbst im Falle der Annahme, man würde durch das Generieren und Bereitstellen von Suchergebnissen für eine Störereigenschaft ausreichen laßen, kein Unterlassungsanspruch zu Gunsten des Klägers bestünde. Das LG Mönchengladbach wies darauf hin, dass eine Person nicht schon per se vor jeglichen nachteiligen Äußerungen im Internet geschützt ist, vielmehr ist es so, dass nur dann ein Unterlassungsanspruch bestehe, wenn sich die betreffenden Äußerungen im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung als rechtswidrig erweisen. Die Richter führten eine solche Güter- und Interessenabwägung durch:
"Die Anzeige von Suchergebnissen aufgrund rein mathematischer Vorgänge ohne eigene inhaltliche Bewertung stellt den Kern der wirtschaftlichen Betätigung eines Suchmaschinenbetreibers dar. Der Nutzer verlässt sich gerade darauf, dass die Ergebnisse seiner Suche "neutral", d.h. ohne eigene redaktionelle Bearbeitung des Suchmaschinenbetreibers, ausgeworfen werden. Würde bekannt, dass bestimmte Ergebnisse zuvor aussortiert und nicht mehr angezeigt würden, würde dies nicht nur die Verlässlichkeit der Suche aus Nutzersicht zweifelhaft machen, sondern den Betreiber auch sehr schnell in den Ruf der "Zensur" bringen. Sinn und Zweck einer Suchmaschine, die nicht darin besteht, eigene Bewertungen vorzunehmen, sondern darin, fremde Inhalte nachzuweisen, würde daher durch auf dem Inhalt bestimmter Textseiten gründende Unterlassungsansprüche ganz empfindlich eingeschränkt (…). Entsprechendes gilt für die Pressefreiheit des Internets, die auch einem Suchmaschinenbetreiber zusteht (…). Hinzu kommt, dass es für die Beklagte eines immensen personellen und materiellen Aufwands bedürfen würde, Suchergebnisse auf einen sogar erst im verlinkten Text enthaltenen ehrverletzenden Inhalt zu untersuchen (…). Im Ergebnis würde durch derartige Unterlassungsansprüche der Betrieb einer Internetsuchmaschine im vom Nutzer erwarteten Umfang nahezu unmöglich. Damit stünde die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten insgesamt in Frage."
Dagegen würden die Interessen des klagenden Professors die vorgenannten Interessen des Suchmaschinenbetreibers nicht überwiegen. Zur Begründung wurde angeführt, dass eine Entfernung des Suchergebnisses nichts daran ändern würde, dass der betreffende Blog-Beitrag weiterhin im Internet abrufbar wäre, lediglich die Auffindbarkeit durch eine Suchmaschine wäre hierdurch ein wenig erschwert. Als weitere Argumentation führte das Gericht an, dass dem Kläger ein verlässlicherer und wirtschaftlicherer Weg offen stünde, um seine Persönlichkeitsrecht zu wahren:
"Er ist ehrverletzenden Äußerungen im Internet keineswegs schutzlos ausgeliefert, sondern er kann sowohl den Verfasser des Textes als auch den Host-Provider als Störer in Anspruch nehmen, was zur Entfernung des Textes aus dem Netz führen und damit die Störung unmittelbar beseitigen würde."
4. Fazit:
Das LG Mönchengladbach verneint eine unmittelbarer Störerhaftung der Suchmaschine Google und damit auch die Verantwortlichkeit Googles für rechtverletzende Inhalte in den organischen Suchergebnissen. Selbst wenn man Google (entgegen der Auffassung des LG Mönchengladbach) als Störer ansehen wollte, würde eine umfassende Güter- und Interessenabwägung im konkret entschiedenen Fall zu Lasten des Klägers gehen, so dass auch aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB nicht geltend gemacht werden könnte. Hierbei ließ sich das Gericht vor allem von der Erwägung leiten, dass dem Verletzten ein verlässlicherer und wirtschaftlicherer Weg offen stünde, indem sowohl der Verfasser, als auch der Host-Provider effektiver in Anspruch genommen werden könnten.
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