Verwirrung um Abgabevoraussetzungen bei bestimmten Chemikalien nach der Chemikalien-Verbotsverordnung

Verwirrung um Abgabevoraussetzungen bei bestimmten Chemikalien nach der Chemikalien-Verbotsverordnung
01.10.2015 | Lesezeit: 6 min

Gesetzliche Verweisungen bei § 3 der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) führen vermeintlich ins Leere. Händler bestimmter chemischer Produkte sind sich deshalb nicht mehr sicher, für welche Stoffe und Zubereitungen sie künftig nun die strengen Verkaufs- und Abgabe-Voraussetzungen des § 3 ChemVerbotsV, unter denen sie diese nur abgegeben dürfen, einhalten müssen. Die IT-Recht Kanzlei beleuchtet das Problem und bringt etwas Licht ins Dunkel.

I. Ungenauigkeiten der Chemikalien-Verbotsverordnung

In § 3 der Chemikalien-Verbotsverordnung (kurz: ChemVerbotsV) ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen einige gefährliche (chemische) Stoffe und Zubereitungen überhaupt nur an andere Personen abgegeben werden dürfen.

Genau heißt es dort:

„Stoffe und Zubereitungen, die nach der Gefahrstoffverordnung mit den Gefahrensymbolen T (giftig) oder T+ (sehr giftig) oder O (brandfördernd) oder F+ (hochentzündlich) oder mit den R-Sätzen R 40, R 62, R 63 oder R 68 zu kennzeichnen sind, dürfen nur abgegeben werden, wenn:

• Nr. 1. der Abgebende die Identität (Name und Anschrift) des Erwerbers und, falls der Erwerber eine andere Person zur Abholung beauftragt hat (Abholender), deren Identität bei gleichzeitiger Vorlage der Auftragsbestätigung, aus der der Verwendungszweck und Identität des Erwerbers hervorgehen, festgestellt hat.
(…)
• Nr. 3. der Erwerber, sofern es sich um eine natürliche Person handelt, mindestens 18 Jahre alt ist.
(…)“

Schwierigkeiten bereitet dabei die Bezugnahme auf die (deutsche) Gefahrstoffverordnung, nach der Stoffe und Zubereitungen scheinbar entsprechend gekennzeichnet werden. Schaut man in die aktuelle Fassung der besagten Gefahrstoffverordnung, so muss man feststellen, dass eine entsprechende Kennzeichnung der Stoffe und Zubereitungen sich nicht unmittelbar nach dieser selbst, sondern nach anderen Vorschriften europarechtlicher Natur richtet, insbesondere der sog. CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008.

Es stellt sich daher die Frage, welche Stoffe und Zubereitungen die Chemikalien-Verbotsverordnung in ihrem § 3 nun tatsächlich im Blick hat.

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II. Die bewegte Geschichte der Gefahrstoffverordnung

Gesetze und Verordnungen haben häufig ein bewegtes Leben, werden häufig geändert, mal umfangreicher, mal weniger umfangreich. Der Rechtsanwender muss die Änderungen stets im Blick haben, so dass er nicht Gefahr läuft, unfreiwillig gegen geänderte Vorschriften zu verstoßen. Besonders schwierig wird es für den Rechtsanwender, wenn sich eine Vorschrift inhaltlich auf eine andere Vorschrift aus einem anderen Gesetz bzw. einer anderen Verordnung bezieht, sich dann die Bezugsvorschrift ändert und deshalb nicht mehr klar ist, was das nun bedeutet, was also gilt. Nicht gerade selten übersieht der Gesetzgeber die durch die Novelle einer Vorschrift notwendigen Änderungen ein anderen Vorschriften, die in Bezug dazu stehen, aus Versehen.

So geschehen wohl bei § 3 ChemVerbVO. Schon seit vielen Jahren bestimmt die (deutsche) Gefahrstoffverordnung entgegen dem Eindruck durch den Wortlaut aus § 3 ChemVerbVO nicht mehr unmittelbar selbst, wie bestimmte Stoffe oder Zubereitungen zu kennzeichnen sind, insbesondere hinsichtlich von ihnen ausgehender Gefahren und Sicherheitsanforderungen. Vielmehr verweist § 4 der Gefahrstoffverordnung (bis zum 30.11.2010 waren die entsprechenden früheren Regelungen noch in dem damaligen § 5 enthalten) für die entsprechende Kennzeichnung der Stoffe und Zubereitungen auf die EG-Richtlinie Nr. 1999/45/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, die ihrerseits einige Male durch andere Vorschriften geändert worden ist, und insbesondere auf die bereits erwähnte CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen.

Wörtlich genau genommen bestimmt die Gefahrstoffverordnung somit unmittelbar selbst überhaupt nicht, wie Stoffe und Zubereitungen zu kennzeichnen sind, sondern verweist lediglich auf die europäischen Vorschriften, in denen dies bis ins Detail geregelt ist. Nimmt man die Bezugnahme in § 3 ChemVerbVO hingegen nicht wörtlich, sondern versteht diese vielmehr so, als sei die Kennzeichnung der Stoffe und Zubereitungen relevant, die gewissermaßen „via Gefahrstoffverordnung“ vorgenommen würde, also vermittelt durch die Gefahrstoffverordnung, so würde § 3 ChemVerbotsV wieder lesbarer, verständlicher und sinnvoller werden.

Man muss daher wohl insgesamt die Kennzeichnung der Stoffe und Zubereitungen zu Grund legen, wie sie sich nach der Gefahrstoffverordnung richtet, die zur vollständigen Beantwortung dieser Frage eben dann insbesondere auf die CLP-Verordnung verweist.

III. Welche konkreten Stoffe und Zubereitungen sind damit nun konkret gemeint?

Damit ist noch immer nicht gesagt, welche konkreten Stoffe und Zubereitungen folglich nun von § 3 ChemVerbotsV in Bezug genommen werden.

Die Vorschrift selbst bezieht sich auf Stoffe und Zubereitungen, die mit den Gefahrsymbolen für giftig, sehr giftig, brandfördernd, hochentzündlich oder mit den R-Sätzen R 40 („Verdacht auf krebserzeugende Wirkung“), R 62 („Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen“), R 63 („Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen“) oder R 68 („Irreversibler Schaden möglich“) zu kennzeichnen sind.

Immerhin geht § 3 der Gefahrstoffverordnung – und damit die Gefahrstoffverordnung selbst – auf die Gefährlichkeitsmerkmale ein und definiert die Begriffe giftig, sehr giftig, brandfördernd und hochentzündlich.

Nach § 3 Absatz 1 Satz 2 Gefahrstoffverordnung sind Stoffe und Zubereitungen:

• (Nr. 7) giftig, wenn sie in geringer Menge bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut zum Tod führen oder akute oder chronische Gesundheitsschäden verursachen können,

• (Nr. 6) sehr giftig, wenn sie in sehr geringer Menge bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut zum Tod führen oder akute oder chronische Gesundheitsschäden verursachen können,

• (Nr. 2) brandfördernd, wenn sie in der Regel selbst nicht brennbar sind, aber bei Kontakt mit brennbaren Stoffen oder Zubereitungen, überwiegend durch Sauerstoffabgabe, die Brandgefahr und die Heftigkeit eines Brands beträchtlich erhöhen,

• (Nr. 3) hochentzündlich, wenn sie

a) in flüssigem Zustand einen extrem niedrigen Flammpunkt und einen niedrigen Siedepunkt haben,
b) als Gase bei gewöhnlicher Temperatur und Normaldruck in Mischung mit Luft einen Explosionsbereich haben,

Letztlich muss man sich wohl (auch weiterhin) die Mühe machen, durch Prüfung der Chemikalie, die man gerne abgeben (also insbesondere verkaufen) möchte, sowie ihrer Warn- und Sicherheitshinweise herauszufinden, ob diese entsprechend einzustufen ist und daher auch so – letztlich nach der CLP-Verordnung – (richtig) gekennzeichnet worden ist.

Eine pauschale Aussage für jede erdenkliche Chemikalie kann an dieser Stelle freilich nicht getroffen werden. In jedem Fall ist dem Gesetzgeber zu raten, § 3 Absatz 1 der ChemVerbotsV bei nächster Gelegenheit zu präzisieren, so dass der Rechtsanwender, der sich gerne gesetzestreu verhalten würde, auch weiß, wie er das genau und ganz konkret anstellen soll.

IV. Fazit

In § 3 ChemVerbotsV ist geregelt, dass für giftige, sehr giftige, brandfördernde, hochentzündliche sowie weitere Stoffe und Zubereitungen, die dort besonders charakterisiert sind, besondere Vorkehrungen bei deren Abgabe zu treffen sind, insbesondere muss dokumentiert werden, an wen diese Chemikalien abgegeben werden; zudem muss sichergestellt werden, dass diese Personen über 18 Jahre alt sind.

Durch die Änderung in der von § 3 ChemVerbotsV in Bezug genommenen Gefahrstoffverordnung und den von dieser wiederum in Bezug genommenen europarechtlichen Vorgaben ist mittlerweile unklar, um welche konkreten Stoffe und Gemische es bei den Vorgaben aus § 3 ChemVerbotsV geht. Letztlich muss jeder Händler durch Studium der Kennzeichnungen der jeweiligen von ihm zu verkaufenden Chemikalie sowie per Blick in die CLP-Verordnung grundsätzlich selbst prüfen, ob es sich dabei um einen entsprechenden Stoff bzw. eine entsprechende Zubereitung handelt für die die besonderen Abgabevoraussetzungen des § 3 ChemVerbotsV greifen.

In jedem Fall ist der Gesetzgeber gefordert, den unbefriedigenden Stand der Dinge in § 3 Absatz 1 ChemVerbotsV zu ändern.

Bei Problemen, Rückfragen und weiteren Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne auch persönlich und im Einzelfall weiter.

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