OLG Düsseldorf: Aufklärungspflicht bei Werbung mit Attribut „klimaneutral“

OLG Düsseldorf: Aufklärungspflicht bei Werbung mit Attribut „klimaneutral“
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von Susanna Milrath und RA Phil Salewski
30.08.2023 | Lesezeit: 5 min

Immer mehr Menschen achten auf ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck und versuchen diesen möglichst gering zu halten. Nicht zuletzt deshalb hat sich der Klimaschutz bei Unternehmen als beliebtes Marketinginstrument hervorgetan und wird in Werbemaßnahmen zunehmend rigoros angepriesen. Die Frage, ob und wie mit dem Begriff „klimaneutral“ geworben werden darf, klärte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 06.07.2023 (Az: 20 U 72/22).

I. Der Sachverhalt

Die Beklagte, eine Konfitüren-Herstellerin, bewarb ihre Produkte mit der Angabe „klimaneutrales Produkt“ auf der Verpackung sowie innerhalb einer Anzeige in der X-Zeitung mit dem Hinweis “Klimaneutraler Preis-Leistungs-Klassiker“.

Für den Kläger stellte sich dies als Irreführung dar, da der Verbraucher annehmen würde, der Herstellungsprozess selbst verlaufe emissionsfrei. Jedenfalls müsse klargestellt werden, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen erreicht werde.

Die Beklagte ging davon aus, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden den Begriff der Klimaneutralität als bilanzielle Klimaneutralität und betonte, der im Herstellungsprozess der Marmelade erfolgte CO2-Ausstoß würde durch die von ihr geförderten Aufforstungsprojekte in Südamerika kompensiert.

Das LG Mönchengladbach (Az: 8 O 17/21) verurteilte die Beklagte am 25.02.2022 zur Unterlassung. Dagegen legte die Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein.

II. Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf wies die Berufung mit Urteil vom 06.07.2023 (AZ: 20 U 72/22) zurück und nahm einen Wettbewerbsverstoß nicht aufgrund eines potenziellen Irreführungscharakters des Attributs „klimaneutral“ an sich, wohl aber wegen der Verletzung weitergehender Aufklärungspflichten bei dessen Verwendung an.

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1.) Keine Irreführung gem. § 5 Abs. 1 UWG

Weder die Formulierung der Anzeige in der X-Zeitung noch die Angabe auf den Produktverpackungen stellten Irreführungen nach § 5 Abs. 1 UWG dar.

Gemäß dem BGH ist eine solche Irreführung zu bejahen, wenn das Verständnis, das eine Aussage in den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit).

Dies sei bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nicht per se der Fall, da dieser entgegen der Auffassung des Klägers nicht zwangsläufig als gleichsam emissionsfreier Herstellungsprozess verstanden würde. Entscheidend sei das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten Verbrauchers.

Für die Produktverpackung liege dies auf der Hand, jedoch gelte es letztlich auch für die Anzeige in der X-Zeitung. Zwar teile der Senat die Auffassung der Beklagten, dass diese sich ausschließlich an Fachkreise wende. Allerdings wiesen diese in der Lebensmittelbranche eine derartige „Spannweite“ auf, dass ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verständnis fernliege.

Der Durchschnittsverbraucher würde unter dem Begriff „klimaneutral“ eine ausgeglichene Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen. Dabei würde ihm bekannt sein, dass die Neutralität durch Vermeidung, aber auch durch Kompensationsmaßnahmen wie z.B. Zertifikatehandel erreicht werden könne.

Dies ergebe sich schon daraus, dass dem Verbraucher bewusst sei, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben würden, die gar nicht emissionsfrei erbracht werden könnten und demzufolge die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen erreicht werden könne, wie etwa bei Flugreisen.

Nicht anders sei es im vorliegenden Fall, wenn die Klimaneutralität sich nicht auf das Unternehmen als Ganzes, sondern auf ein konkretes Produkt beziehe.

2.) Verstoß gegen Aufklärungspflichten nach § 5a UWG

Gemäß dem OLG Düsseldorf habe die Beklagte aber gegen ihr obliegende Aufklärungspflichten verstoßen, indem Sie weitergehende Informationen darüber vorenthielt, wie die behauptete Klimaneutralität tatsächlich erreicht werde.

Laut dem BGH könne, auch wenn keine per se irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG vorliege, doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden gegeben sein, wenn dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten werde (BGH, GRUR 2020, 1226, 1229 – LTE-Geschwindigkeit).

Das OLG Düsseldorf stufte entgegen der Ansicht der Beklagten die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht würde, als wesentliche Information ein.

Für Verbraucher sei der Klimaschutz ein zunehmend wichtiges Thema, nicht nur in den Nachrichten, sondern auch im Alltag. Somit könne die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität einen erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben.

Selbst wenn dem Verbraucher bewusst sei, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden könne, bestehe ein Interesse des Verbrauchers, über die grundlegenden Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität aufgeklärt zu werden.

Beispielsweise gehe der Verkehr nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter oder auf den Kauf von Zertifikaten setze. Denn aus Verbrauchersicht stünden der Zertifikatshandel und andere Kompensationsmöglichkeiten in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz dadurch maßgeblich verbessert würde.

Dies begründe das erhebliche Interesse des Verbrauchers an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht würde oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten bzw. durch die Unterstützung Klimaprojekte Dritter.

Zur Ermittlung der Klimabilanz gebe es verschiedene Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen sei. Deshalb sei der Verbraucher darüber aufzuklären, ob die beworbene Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werde und ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen worden seien.

Daran fehle es im vorliegenden Fall. Sowohl die Anzeige als auch die Produktverpackung enthielten keine Angabe dazu, wie die beworbene Klimaneutralität erreicht werde.

III. Fazit

Eine Klimaneutralität behauptende Werbemaßnahmen üben erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung von Verbrauchern aus und werden daher zunehmend als Marketinginstrumente eingesetzt.

Mit einer aktuellen Entscheidung geht das OLG Düsseldorf zurecht davon aus, dass der bloßen Anpreisung einer „Klimaneutralität“ zwingend notwendige Zusatzinformationen fehlen, anhand derer Verbraucher die Klimaschutzmaßnahmen des Werbenden bewerten können.

Ausgehend von dem Umstand, dass eine Klimaneutralität sowohl durch tatsächliche Emmissionsvermeidung als auch rein bilanziell durch externe kompensatorische Aufwendungen erreicht werden kann, nimmt der Düsseldorfer Senat ähnlich wie auch das OLG Bremen eine Aufklärungspflicht bezüglich der konkret ergriffenen Maßnahmen an.

Ohne zusätzliche Aufklärung stellt sich das pauschale Hervortun einer „Klimaneutralität“ als Irreführung durch Unterlassen im Sinne des § 5a UWG dar.

Diese gerichtliche Tendenz bestätigt die Beratungspraxis der IT-Recht Kanzlei, die Bewerbung positiver Klimabilanzen immer mit Informationen darüber zu verknüpfen, wie diese Bilanzen konkret erreicht werden.

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