Rechtsanwältin Keller-Stoltenhoff äußert sich in der Sendung TAFF bei Pro Sieben am 08.10.2007 über die Rechtmäßigkeit von „Spanner-Fotos“

In einem Beitrag über die Münchner Wiesn 2007 , war das Team der Sendung TAFF von Pro Siegen auch der Rechtmäßigkeit von „Spannerfotos“ und deren Veröffentlichung im Internet nachgegangen. Hierzu interviewten die Reporter von Pro Sieben Rechtsanwältin Keller-Stoltenhoff von der IT-Rechts-Kanzlei.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Darf mich jemand heimlich Fotografieren?
- 2. Wie sieht es rechtlich aus, wenn man Teil einer Gruppe ist (z.B. im Festzelt)?
- 3. Dürfen die Bilder veröffentlicht werden?
- 4. Welche Straftatbestände sind erfüllt, wenn jemand heimlich das Dekoletté oder unter den Rock fotografiert?
- 5. Wenn ich bemerke, dass mir jemand unter den Rock fotografiert, darf ich mich als Opfer auch körperlich wehren (oder wie können sich Opfer wehren)?
- 6. Was können Opfer tun, wenn die Bilder bereits im Internet sind?
- 7. Wie sieht es aus mit Schadenersatz, Schmerzensgeld etc?
Für alle diejenigen, die das gesamte Interview nachlesen wollen, sind die Fragen und Antworten im Folgenden wiedergegeben:
1. Darf mich jemand heimlich Fotografieren?
Grundsätzlich schon, es kommt jedoch darauf an, an welchem Ort sich die fotografierte Person während der Fotoaufnahme aufgehalten hat, denn nach § 201a StGB („Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“) macht sich insbesondere derjenige strafbar (bis zu einem Jahr oder Geldstrafe), der jemanden in der Wohnung oder einem geschützten Bereich (z.B. Toilette oder Umkleidekabine) fotografiert und diese Person dadurch in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.
Ansonsten ist nur noch das Kunsturhebergesetz einschlägig.
Das KUG verbietet jedoch grundsätzlich nicht das Schießen, sondern nur das Verbreiten und öffentliche zur Schau stellen von Bildern. In wenigen Fällen darf bereits die Aufnahme eines Fotos untersagt werden, nämlich dann, wenn mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, dass das Bild ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht wird. Dann besteht auch ein sofortiger Löschanspruch gegenüber dem Fotografen (sozusagen bevor derjenigen die Chance hat, das Bild weiterzuverbreiten).
Möglicherweise wird es in Zukunft mehr solcher Fällen geben, in denen bereits die Aufnahme eines Fotos untersagt werden darf, da in Zeiten des Internets die Gefahr, dass jemand „Spanner-Fotos“ auf einschlägige Seiten lädt relativ groß ist. Das müssen letztlich aber die Gerichte entscheiden.
Zum Grundsatz: Jede Person hat ein Recht am eigenen Bild und darf nach § 22 KUG selbst darüber entscheiden, ob und wie ein Bild verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden darf. Ausnahmen macht § 23 KUG für Prominente, die mehr dulden müssen als unbekannte Privatpersonen.
Ein heimlich aufgenommenes Bild darf demnach zwar geschossen, nicht aber ohne Einwilligung der abgebildeten Person – etwa im Internet – veröffentlicht bzw. verbreitet werden.
Wer gegen das KUG verstößt kann nach § 33 KUG mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe belangt werden.
2. Wie sieht es rechtlich aus, wenn man Teil einer Gruppe ist (z.B. im Festzelt)?
Nach § 23 Absatz 1 Nr. 3 KUG können Bilder auch ohne die Einwilligung der abgebildeten Personen verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, wenn es sich um Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, handelt.
Zur Klarstellung: Gemeint ist hier jedoch, dass das Foto eine Menschenmenge bzw. die ganze Gruppe zeigt und nicht das Einzelfoto / -bild einer aus der Menge herausgepickten Person bzw. ein Portät-Foto. Es geht also darum, dass man beispielsweise ein Foto einer Fußballtribüne voller Leute machen und verbreiten, dabei jedoch nicht eine Person heraus „zoomen“ darf.
Schnappschüsse, die zeigen, wie voll das Bierzelt ist, dürfen somit ohne Einwilligung der zig darauf dargestellten Personen verbreitet etc. werden, nicht jedoch Fotos, die zeigen, wie eine Person gerade wild auf einem Tisch tanzt o.ä.
Nochmal: Zu beachten ist, dass Voraussetzung aller Ansprüche aus dem KUG ist, dass die Person auf dem Bild erkennbar ist. Bei Bildern, die etwa unter dem Rock einer Frau aufgenommen worden sind, ist das durchaus fraglich. Wenn ein Bild also niemand bestimmten erkennen lässt, so kann auch niemand Ansprüche stellen.
3. Dürfen die Bilder veröffentlicht werden?
Beim KUG geht es eigentlich immer nur um die Frage, ob ein Bild veröffentlicht (Gesetzeswortlaut: „verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt) werden darf.
Das KUG verbietet in aller Regel nämlich nicht das Schießen eines Fotos.
In aller Regel dürfen Bilder nur mit Einwilligung der abgebildeten Person veröffentlicht werden (s.o.).
4. Welche Straftatbestände sind erfüllt, wenn jemand heimlich das Dekoletté oder unter den Rock fotografiert?
Unmittelbar einschlägig sind erst einmal überhaupt keine Straftatbestände. Spannen ist in Deutschland grundsätzlich nicht verboten.
Zwar gibt es § 201a StGB, doch der verbietet nur das Fotografieren von Personen, wenn sie sich an einer bestimmten besonders intim-geschützten Ort wie ihrer Wohnung oder einer Umkleidekabine aufhalten. Ein Bierzelt auf dem Oktoberfest ist kein solcher Ort. Daher ist § 201a StGB hier nicht einschlägig.
Wie oben bereits beschrieben, bestraft jedoch das KUG nach § 33 ein Verbreiten etc. von Fotos, die ohne Einwilligung der abgebildeten Person gemacht worden sind, mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe.
Das Schießen derartiger Fotos ist nicht strafbar.
5. Wenn ich bemerke, dass mir jemand unter den Rock fotografiert, darf ich mich als Opfer auch körperlich wehren (oder wie können sich Opfer wehren)?
Nein, da der vermeintliche „Täter“ keine Straftat begeht, darf das „Opfer“ keine Notwehr üben, d.h. es darf sich eigentlich nicht körperlich wehren. Ansonsten könnte – das ist dem Laien natürlich nicht gerade leicht begreifbar zu machen – der „geschlagene“ „Täter“ möglicherweise eine Strafanzeige wegen Körperverletzung machen.
Wehren können sich Opfer (meines Erachtens) eigentlich nur dadurch, dass sie die Personalien des Täters feststellen (lassen), um später bei Verstößen (der „Täter“ darf das Foto ja nicht ohne Einwilligung des „Opfers“ veröffentlichen bzw. verbreiten) den Verantwortlichen ausmachen zu können. Dabei kann auch die Polizei eine Hilfe sein.
6. Was können Opfer tun, wenn die Bilder bereits im Internet sind?
Der Betroffene hat aufgrund seines Rechts am eigenen Bild nach § 37 KUG einen Vernichtungsanspruch gegen denjenigen, der die Bilder unrechtmäßig ins Internet gestellt hat. Derjenige muss die Bilder dann aus dem Netz nehmen und vernichten.
Unterscheiden muss man hier zwischen dem Täter und etwa dem Internetprovider. Gegen den Täter, also denjenigen, der das Bild gemacht hat und z.B. auf seiner Homepage ins Internet stellt, hat der Betroffene einen Unterlassungs-, Vernichtungs- und (siehe Frage 7 ) ggf. einen Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch.
Gegen den Internetprovider, also z.B, my space, wird der Betroffene lediglich einen Unterlassungsanspruch haben, da den Provider in der Regel kein Verschulden trifft. Er genießt das Privileg des § 10 TMG. Das heißt, er muss nicht prüfen, ob die bei ihm eingestellten Inhalte rechtmäßig sind. Wird er aber über die Rechtswidrigkeit informiert, muss er sofort handeln und das Bild entfernen.
7. Wie sieht es aus mit Schadenersatz, Schmerzensgeld etc?
Ein Anspruch auf Schadensersatz kann nach § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG geltend gemacht werden.
Ersatzfähig ist dabei zum einen der konkrete Schaden, der jedoch in aller Regel nur sehr schwierig genau beziffert werden kann.
Falls mit dem Bild Geld verdient worden ist, kann der Gewinn nach einer Analogie zu § 97 Absatz 1 Satz 1 UrhG herausverlangt werden.
Falls die Veröffentlichung oder Verbreitung eines Bildes zu einer schwerwiegenden Verletzung des Rechts am eigenen Bild geführt hat (z.B. Bilder, die unter dem Rock geschossen worden sind) kann ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen, Anspruchsgrundlage hierfür ist § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 GG.
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