Gewährleistung in der Händler-Praxis: Die Grundlagen

Gewährleistung in der Händler-Praxis: Die Grundlagen
29.06.2023 | Lesezeit: 18 min

Kaum ein rechtliches Thema beschäftigt den Online-Händler in der Praxis so häufig wie das Gewährleistungsthema. Der folgende Beitrag soll den Händlern als übersichtlicher und einfach verständlicher Leitfaden in Bezug auf häufige Verständnis- und Praxisprobleme im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf (Händler verkauft Ware an Verbraucher) dienen.

A. Grundlegendes

Die unterschiedlichen Standpunkte zu Gewährleistungsansprüchen von Verkäufer und Käufer dürften wohl für die meisten Konflikte überhaupt in der Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer sorgen.

Das Gewährleistungsrecht ist hochkomplex und kann dennoch in der Praxis dennoch immer nur eine gewisse Richtschnur liefern, da jeder Sachverhalt und Mangel individuell gelagert ist.

Schon aufgrund der hohen Kostenbelastung durch die Gewährleistungsabwicklung sollten Händler zumindest einen groben Überblick über die Rechtslage haben, um möglichst treffsicher und pragmatisch entscheiden zu können. Dies einerseits deswegen, um unnötige Rechtstreitigkeiten und damit verbundene Kosten mit im Recht befindlichen Kunden vermeiden zu können. Zum anderen aber auch deswegen, um nicht bestehende Gewährleistungsverlangen zur Vermeidung unnötiger Kosten ablehnen zu können.

Diesen Überblick soll der nachfolgende Beitrag auf einfach verständliche Weise verschaffen, zunächst in Bezug auf die „Basics“ der Gewährleistung.

Bereits hier führen zahlreiche Fehlinterpretationen hinsichtlich des Wesens und Umfangs der Gewährleistung immer wieder zu Fehlentscheidungen der Händler in der Praxis.
Der Beitrag kann hierbei im Interesse von Übersichtlichkeit und Verständlichkeit weder auch nur ansatzweise das komplexe Gebiet der Gewährleistung in voller Bandbreite behandeln noch auf eine Diskussion von rechtlichen Einzelproblemen im Detail eingehen.

B. Was ist denn Gewährleistung überhaupt?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Gewährleistung bereits seit dem 01.01.2002 eigentlich einen neuen Namen hat: Durch die Schuldrechtsreform wurde sie in Sachmängelhaftung oder kurz Mängelhaftung umbenannt. Der Begriff der Gewährleistung scheint aber nach wie vor deutlich verbreiteter zu sein, so dass er auch in diesem Beitrag Verwendung finden soll.

Die kaufrechtliche Gewährleistung kommt dann zum Tragen, wenn der Verkäufer den Kauvertrag nur schlecht erfüllt hat, er also eine Ware übergibt und übereignet, die in ihrer Beschaffenheit hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt.

Kurz gesagt: Besteht ein Kaufvertrag und die Ware weist einen Sachmangel auf, stehen dem Käufer gegen den Verkäufer gesetzliche Gewährleistungsrechte nach den §§ 437 ff. BGB offen.

Es handelt sich also um Ansprüche, die das Gesetz bei einem schlechterfüllten Kaufvertrag vorsieht.

Gewährleistung ist also keine freiwillige Leistung des Verkäufers, sondern das Bestehen und der Umfang der Gewährleistungspflicht sind im Gesetz genau definiert.

Liegt ein Sachmangel an der Ware vor, kann der Käufer gegenüber dem Verkäufer nach den §§ 437 ff. BGB folgende Gewährleistungsrechte geltend machen:

• Er kann Nacherfüllung nach § 439 BGB verlangen und dabei grundsätzlich nach seiner Wahl die Reparatur der Sache (=Nachbesserung) oder Nachlieferung einer mangelfreien Sache verlangen;
• Unter weiteren Voraussetzungen (etwa wenn der Mangel wiederholt nicht beseitigt werden kann) vom geschlossenen Kaufvertrag zurück treten oder den Kaufpreis wegen der Mangelhaftigkeit mindern;
• Unter weiteren Voraussetzungen (etwa wenn der Verkäufer schuldhaft nicht nach § 439 nacherfüllt) Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz verlangen.

Das Gesetz geht dabei von einem Vorrang der Nacherfüllung aus. D.h., dem Verkäufer wird das Recht zur zweiten Andienung gegeben, er soll „eine zweite Chance“ erhalten, den Kaufvertrag doch noch ordentlich zu erfüllen.
Erst für den Fall, dass dies nicht klappt, stehen dem Käufer die „großen Rechte“, wie z.B. die Rücktrittsmöglichkeit oder das Recht auf Kaufpreisminderung zu.
Im Übrigen kommt es für das Vorliegen des Anspruchs auf Nacherfüllung nicht darauf an, ob der Verkäufer die Schlechtleistung zu vertreten hat. Das Gewährleistungsrecht besteht in diesem Fall verschuldensunabhängig.

C. Was ist der Unterschied zu einer Garantie?

Auffällig ist in der Beratungspraxis, dass sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite die Gewährleistung sehr häufig mit einer Garantie verwechselt bzw. beides gleichgesetzt wird.

Dabei unterscheiden sich diese beiden Rechtsinstitute grundlegend.

Während die Gewährleistung eine gesetzliche, zwingende Verpflichtung des Verkäufers darstellt, handelt es sich bei der Garantie um eine freiwillige, vertragliche Leistung. Mit anderen Worten: Verkauft ein Händler eine Ware an einen Verbraucher, haftet der Verkäufer bei einem Sachmangel immer im Rahmen der Gewährleistung. Für „jede“ Ware besteht somit die Gewährleistung kraft Gesetzes.

Eine Garantie besteht dagegen nur für einen Bruchteil aller Waren. Eben nur dann, wenn der Hersteller bzw. Verkäufer freiwillig eine Garantie für seine Ware einräumt.

Zudem wird die Garantie in aller Regel vom Hersteller der Ware versprochen und nicht vom Verkäufer. Dies ist gerade bei Markenprodukten der Fall.

Während bei der Gewährleistung immer der Verkäufer Ansprechpartner des Käufers ist, ist dies bei einer Garantie im Regelfall der Produkthersteller. Natürlich kann auch ein Verkäufer über die Gewährleistung hinaus freiwillig eine (Verkäufer)Garantie für seine Ware einräumen. Dann wäre er auch in Bezug auf die Garantieleistung der Ansprechpartner des Käufers.

Grundlegend unterscheiden sich Gewährleistung und Garantie aber noch in einem weiteren Punkt: Die Schutzrichtung ist eine ganz andere. Während die Gewährleistung nur dann greift, wenn der Verkäufer dem Käufer eine (bereits) mangelhafte Ware übergibt, stellt eine Garantie in aller Regel eine sogenannte Haltbarkeitsgarantie dar.

Ein Gewährleistungsfall liegt also nur dann vor, wenn die Ware bereits bei Übergabe an den Käufer mangelhaft war (bzw. der Mangel zu diesem Zeitpunkt bereits angelegt war).

Ein Garantiefall ist bei dem typischen Garantieversprechen dagegen auch dann gegeben, wenn der Mangel (erst) irgendwann im Laufe der Garantiedauer auftritt.

Beispiel:

Verbraucher K kauft eine neue Armbanduhr von Händler V. Hersteller H verspricht eine Haltbarkeitsgarantie von 3 Jahren auf das Modell.

14 Monate nach Übergabe beginnt die Uhr, massiv nachzugehen, so dass eine Nutzung als Uhr nicht mehr möglich ist, da die Zeitanzeige dadurch extrem unzuverlässig wird. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Mangel bereits von Anfang an angelegt gewesen ist (z.B. Serienfehler des Uhrwerks), existieren nicht.

Im Rahmen der Gewährleistung stehen K keine Rechte gegenüber V zu, solange K nicht (etwa durch Sachverständigengutachten) die Mangelhaftigkeit der Uhr bereits bei Übergabe an ihn nachweisen kann (was ihm hier nicht gelingen dürfte).

Dagegen wird K hier durch die Haltbarkeitsgarantie des H geschützt. Denn H hat mit der Garantie versprochen, dass die Uhr 3 Jahre lang einwandfrei funktioniert. Zur Abwicklung seines Garantieanspruchs muss K sich dann im Regelfall an H wenden, wobei V ihn gegebenenfalls unterstützt. Ansprüche aus der Garantie des H kann K aber gegenüber V nicht herleiten.

Die Gewährleistung greift also nur ein, wenn der gerügte Mangel bereits bei Übergabe vorgelegen hat bzw. zu diesem Zeitpunkt zumindest bereits angelegt gewesen war (z.B. Mikroriss im Uhrglas, der nach Übergabe bei bestimmungsgemäßer Nutzung zu einem sichtbaren Sprung im Glas führt).

Wenn die Ware zum Zeitpunkt der Übergabe dagegen in einwandfreiem Zustand war und sich der Mangel erst danach einstellt, sind keine Gewährleistungsrechte eröffnet.

„Zwei Jahre Gewährleistung“ bedeutet also nicht eine Haftung des Verkäufers dafür, dass die Ware zwei Jahre lang in einwandfreiem Zustand bleiben muss. Vielmehr bedeutet dies, dass der Käufer zwei Jahre lang ab Übergabe Zeit hat, den Verkäufer wegen bereits bei Übergabe vorhandener bzw. zumindest angelegter Mängel in Anspruch zu nehmen. Die zwei Jahre sind also nicht mit einer Garantiedauer vergleichbar, sondern regeln die Verjährungsfrist für die Geltendmachung bereits bei Übergabe bestehender Mängel.

Bei einer Garantie dagegen bedeutet die Angabe des Garantiezeitraums im Regelfall das Einstehen des Garantiegebers dafür, dass die Ware dementsprechend lange einwandfrei funktioniert. Im Falle einer Haltbarkeitsgarantie ist es somit egal, wann der Mangel auftritt, solange dies nur innerhalb der Garantiedauer erfolgt.

Deswegen ist der „Schutzumfang“ der Gewährleistung wesentlich geringer, als die meisten Händler befürchten und viele Käufer erwarten. Mit der größte Streitpunkt in der Praxis ist daher, wann der gerügte Mangel aufgetreten ist.

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D. Wie war das mit der „Beweislastumkehr“?

Auch im Bereich der Gewährleistungsrechte gilt der zivilrechtliche Grundsatz, dass im Streitfall vor Gericht derjenige die Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen hat, die für ihn günstig sind.

Im Falle der §§ 437 ff. BGB bedeutet dies, dass der Käufer dem Grunde nach darlegen und beweisen muss, dass ein relevanter Mangel an der Sache bereits bei Übergabe an ihn vorgelegen hat.

In der Praxis ist dies oft ein sinnloses Unterfangen, da bei Bestreiten des Verkäufers in aller Regel ein sehr teures Sachverständigengutachten erstellt werden muss.

Allerdings greift dem Käufer, kauft er als Verbraucher bei einem Händler ein, bereits seit dem 01.01.2002 eine Beweiserleichterung unter die Arme. Bis zum 31.12.2021 wurde vermutet, dass ein Mangel, der sich innerhalb von 6 Monaten seit Übergabe der Ware zeigt, dieser bereits bei Übergabe der Ware vorhanden gewesen ist. Seit der Reform des Kaufrechts zum 01.01.2022 wurde dieser Zeitraum sogar auf ein Jahr verdoppelt.

Es handelt sich bei der Vorgabe des § 477 BGB jedoch nicht um eine unumkehrbare Beweislastumkehr. Die Vermutung, dass ein sich in den ersten zwölf Monaten zeigender Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war gilt dann nicht, wenn diese mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar ist.

Beispiel:

Die Uhr aus dem vorigen Beispiel fängt bereits 11 Monate nach Übergabe an K an, massiv nachzugehen. K kann sich daher auf die Vermutung des § 477 BGB berufen und hat deswegen sehr gute Erfolgsaussichten, V im Rahmen der Gewährleistung in Anspruch zu nehmen. Der Mangel, der sich hier innerhalb der ersten zwölf Monate zeigte, wird als so behandelt, als wäre er bereits bei Übergabe vorhanden gewesen.

Abwandlung:

K tritt nach 11 Monaten an V heran, weil die Uhr ein gesprungenes Glas aufweist und daher nicht mehr benutzbar ist. Zugleich weist die Uhr im Bereich des Sprunges auch Beschädigungen am Gehäuse auf.

Wenngleich der mangelhafte Zustand hier ebenfalls binnen der Jahresfrist aufgetreten ist, wird sich K nicht erfolgreich auf die Vermutung des § 477 BGB berufen können.

Aufgrund der Beschädigung von Glas und Gehäuse im angrenzenden Bereich spricht vieles für eine Beschädigung der Uhr durch unsachgemäße Handhabung (Schadensbild plausibel zu mechanischer Gewalteinwirkung, etwa durch Sturzgeschehen). V kann sich damit mit einigen Erfolgsaussichten gegen eine mögliche Inanspruchnahme durch K wehren, weil die Art des aufgetreten Mangels mit der gesetzlichen Vermutung unvereinbar ist.

Die Vermutungswirkung des § 477 BGB führt in der Praxis dazu, dass der Verkäufer im ersten Jahr ab Übergabe sehr weitgehend haften muss, da auftretende Mängel dann in aller Regel als bereits von Anfang an vorliegend vermutet werden.

Dies gilt auch für Grenzfälle, in denen sich nicht klären lässt, ob wirklich ein Fehler an der Ware vorlag oder der Käufer den Fehler durch ein Fehlverhalten verursacht hat. „Dreiste“ Kunden haben daher leider gute Chancen, mit Sachverhalten, in denen die Ware einwandfrei war und kundenseitig beschädigt wurde, durchzukommen.

Nur wenn eindeutig erkennbar ist, dass ein „Kundenverschulden“ (mit)ursächlich ist, wird sich der Verkäufer im ersten Jahr einer Inanspruchnahme nach den §§ 437 ff. BGB entziehen können.

Viele Händler sprechen daher auch von einer „Garantie im ersten Jahr“, wenngleich dies rechtlich nicht zutrifft.

E. Wann liegt überhaupt ein Sachmangel vor?

Der Käufer kann den Verkäufer nur dann in Anspruch nehmen, wenn an der gekauften Sache überhaupt ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB vorliegt.

Bislang haben wir hier nur eine – meist streitige – Komponente des Sachmangels beleuchtet, nämlich die zeitliche Komponente.

In der Praxis besteht aber nicht nur dahingehend Streit, wann der Mangel aufgetreten ist, sondern oft auch dahingehend, ob (qualitativ betrachtet) überhaupt ein Sachmangel vorliegt oder die Beschaffenheit bzw. Funktion der Ware im Normalbereich liegt.

Während der Käufer fest davon überzeugt ist, dass die gelieferte Ware nicht so funktioniert bzw. beschaffen ist, wie sich das gehört, geht der Händler dabei nicht selten davon aus, dass alles seine Richtigkeit habe.

Um als Händler sicher im Rahmen der Abwicklung von Gewährleistungsfällen agieren zu können, müssen Händler sich zumindest im Groben darüber im Klaren sein, wann ein Sachmangel vorliegt und wann nicht.

Als allgemeingültige Definition des Sachmangels lässt sich festhalten, dass ein Sachmangel dann vorliegt, wenn die tatsächliche Beschaffenheit (sog. Ist-Beschaffenheit) der Ware von den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen oder den Montageanforderungen (sog. Soll-Beschaffenheit) zum Nachteil für den Käufer abweicht.

Wir erinnern uns: Diese nachteilige Abweichung muss zeitlich schon im Zeitpunkt der Übergabe der Ware vorgelegen haben oder zumindest schon im Kern angelegt gewesen sein.

Tritt die Abweichung in den ersten 12 Monaten ab Übergabe auf, wird dies im Regelfall wegen § 477 BGB zugunsten des Käufers vermutet.

Wichtig ist für eine korrekte Bewertung also, dass ein Vergleich der tatsächlichen Ist-Beschaffenheit der Ware (zum Zeitpunkt der Übergabe) mit der relevanten Soll-Beschaffenheit angestellt wird. Führt dieser Vergleich dazu, dass die Ware tatsächlich von der Soll-Beschaffenheit nachteilig für den Käufer abweicht, liegt ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB vor, egal wie klein die Negativabweichung sein mag.

Das große Problem in der Praxis: Die Soll-Beschaffenheit ist variabel und muss anhand unterschiedlicher Kriterien, insbesondere nach subjektiven und objektiven, bestimmt werden.

Hierfür gibt es kein Patentrezept. Die Bestimmung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls, vor allem von den vertraglichen Vereinbarungen, der Artikelbeschreibung und der Art der Ware ab.

Hat der Verkäufer den zu verkaufenden Artikel sehr umfassend und detailliert in seinem Angebot beschrieben, wird sich die Bestimmung der relevanten Soll-Beschaffenheit in erster Linie nach subjektiven Kriterien richten.

Die Vorschrift des § 434 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt dazu:

Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

1. die vereinbarte Beschaffenheit hat,
2. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und

3. mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.

Beispiel:

K kauft bei im Tauchshop des V eine neue Smartwatch für Taucher. V hat diese in seinem Angebot sehr umfassend und detailreich beschrieben. So finden sich dort etwa Angaben zum Speicherplatz und zur Eignung der Uhr für Zwecke des Tauchsports bis zu einer Tiefe von 40 Metern. Ferner soll diese gemäß Angebotsbeschreibung mit einem Ladegerät als Zubehör geliefert werden.

Als K die Uhr geliefert bekommt, stellt er fest, dass dieser statt der angegeben 64GB nur 32GB Speicher verbaut hat.

Dennoch trägt K die Uhr auf den nächsten Tauchgang, der ihn bis zu einer maximalen Tiefe von 5 Metern führt. Während des Tauchens stellt K fest, dass Wasser hinter das Uhrglas eingedrungen ist und die Anzeige daher nicht mehr abgelesen werden kann.

Als K wieder zuhause ankommt und der Akku der Uhr fast leer ist, will er diese aufladen. Ein Ladegerät befand sich jedoch nicht im Lieferumfang.

Die gelieferte Uhr ist hier gleich in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. So hat die Uhr schon nicht die vereinbarte Beschaffenheit, weil nur die Hälfe des vertraglich vereinbarten Speichers verbaut ist.

Ferner eignet sich die Uhr nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, weil diese schon bei einer viel geringeren Tauchtiefe einen Wassereinbruch erleidet und nicht mehr nutzbar ist.

Schließlich fehlt das Ladegerät als vereinbartes Zubehör.

Je mehr Details zur Beschaffenheit, Verwendbarkeit und Funktion der Ware die Parteien bei Kaufabschluss zum Vertragsinhalt machen, umso einfacher kann später bestimmt werden, ob ein Sachmangel vorliegt oder nicht.

Fehlt es dagegen an stichhaltigen Kriterien zur Beschaffenheit der Ware, etwa weil der Verkäufer keinen Wert auf eine umfassende Artikelbeschreibung gelegt hat, wird die Sache schwieriger. Sodann muss primär auf objektive Kriterien zur Bestimmung der maßgeblichen Soll-Beschaffenheit zurückgegriffen werden.

§ 434 Abs. 3 S. 1 BGB regelt hierzu:

Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie

1. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a) der Art der Sache und
b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
3. der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
4. mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Beispiel:

K kauft bei V eine günstige Quarzuhr.

V legt keinen Wert auf eine umfassende Artikelbeschreibung und nannte neben Hersteller, Modellname und Farbe nur den Preis. Ferner wurde angegeben, dass die Uhr neben dem montierten Stahlarmband mit einem zusätzlichen Armband aus Leder geliefert wird.

Als die Uhr bei K ankommt, will dieser als erstes das Armband tauschen. Da keinerlei Anleitung vorhanden ist, scheitert er mit seinem Vorhaben. Es müssten parallel zwei versenkte Stifte gegen einen Federwiderstand gedrückt werden, um das Band tauschen zu können.

Nach dem ersten Tag stellt K fest, dass die Uhr jede Stunde um 5 Minuten vorgeht.

Dennoch trägt K die Uhr in der Hoffnung auf Besserung weiterhin und geht damit am übernächsten Tag im Schwimmbad ins Wasser. Schon nach wenigen Minuten stellt er fest, dass Wasser in die Uhr eingedrungen und diese daher stehen geblieben ist.

Auf der Webseite des Herstellers der Uhr H hatte K vor seinem Kauf noch gelesen, dass die Uhr wasserdicht bis 10 Meter sei und daher problemlos beim Schwimmen getragen werden kann.

In Bezug auf die Montage der Austauscharmbands liegt ein Sachmangel vor, weil V dem K keine Montageanleitung für den nicht selbsterklärenden Wechsel des Armbands mitgeliefert hatte.

Auch das Voreilen der Uhr stellt einen Sachmangel dar, weil sich die Uhr durch die Voreilung von 5 Minuten je Stunde nicht mehr für die gewöhnliche Verwendung eignet.

Hinsichtlich des „Wasserschadens“ wäre alleine anhand der von V getätigten Angaben kein Sachmangel gegeben. Bei einer günstigen Uhr kann K nicht ohne weiteres erwarten, dass eine Beschaffenheit der Uhr dahingehend gegeben ist, dass diese wasserdicht ist.

Allerdings spielen die öffentlichen Äußerungen auf der Webseite von H in diesem Zusammenhang eine Rolle. Die dahingehende Äußerung zur Wasserdichtigkeit bis 10 Meter und Eignung zum Tragen beim Schwimmen muss V sich zurechnen lassen. Aufgrund dieser öffentlichen Äußerungen des H darf K erwarten, mit der Uhr schwimmen gehen zu können, ohne dass die Uhr beschädigt wird. Deswegen ist ein Sachmangel auch in diesem Punkt zu bejahen.

Wichtig: Die Sache muss nicht nur den subjektiven Anforderungen genügen, um mangelfrei zu sein, sondern daneben immer auch den objektiven Kriterien.

Einem Sachmangel gleichgestellt sind inzwischen auch Aliud- und Minus-Lieferungen, also die Fälle, in denen der Verkäufer eine andere als die geschuldete bzw. weniger als geschuldete Ware liefert.

Vertiefende Informationen zum Vorliegen eines Sachmangels finden Sie gerne hier.

F. Wer trägt die Kosten?

Da es sich bei der Gewährleistung um eine vertragliche Pflicht des Verkäufers handelt, gehen sämtliche Kosten in diesem Zusammenhang auf dessen Kappe. Insbesondere muss die Nacherfüllung für den Käufer kostenfrei erfolgen.

Der Verkäufer muss nach der Vorschrift des § 439 Abs. 2 deswegen insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten tragen. Muss der Käufer – wie im Fernabsatz meist der Fall – die mangelhafte Ware zur Prüfung bzw. Vornahme der Nachbesserung zum Verkäufer senden und der Verkäufer nach erfolgter Reparatur diese zurück zum Käufer, trägt der Verkäufer sämtliche Versandkosten.

Es ist daher nicht zulässig, vom Käufer Bearbeitungs- oder Servicegebühren bzw. Versandkosten für die Abwicklung von Gewährleistungsfällen zu verlangen.

Wurde die mangelhafte Sache vom Käufer bereits in eine andere Sache eingebaut (z.B. defekter Scheinwerfer wurde bereits im Fahrzeug verbaut), muss der Verkäufer auch die notwendigen Kosten für den Ausbau und ggf. Wiedereinbau der reparierten oder nachgelieferten Sache tragen.

Durch die Abwicklung von Gewährleistungsfällen können dem Verkäufer also erhebliche Kosten entstehen, so dass eine gewisse Treffsicherheit bei der Beurteilung, ob ein entsprechender Anspruch besteht oder nicht schon aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten unbedingt anzuraten ist.

G. Wie kann ich als Händler Regress nehmen?

Wie dargestellt, lösen Gewährleistungsfälle erhebliche Kosten bei den Händlern aus.

Die gute Nachricht: Soweit der Händler Neuware an den Verbraucher verkauft hat, die sich als mangelhaft herausgestellt hat, kann er seinen Lieferanten diesbezüglich in Regress nehmen.

Das Stichwort lautet „Unternehmerregress“. Das BGB sieht hierzu in seinen §§ 445a, 445b und 478 entsprechende Regelungen vor, nach denen sich der gewerbliche Letztverkäufer bei seinem Vorlieferanten schadlos halten kann, hat er selbst Aufwendungen gegenüber dem Letztkäufer wegen der Mangelhaftigkeit der Ware.

War die Ware schon bei Übergabe vom Lieferanten an den Verkäufer mangelhaft, kann der Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten die gleichen Rechte geltend machen wie der Käufer diese ihm gegenüber geltend macht.

Der Verkäufer kann vom Lieferanten dann je nach Lage der Dinge ebenfalls Nacherfüllung verlangen oder vom Lieferantenvertrag zurücktreten bzw. Minderung des Einkaufspreises bzw. Schadensersatz verlangen.

Beispiel:

V musste dem K aufgrund des Wasserschadens eine neue, mangelfreie Uhr nachliefern. Es stellte sich heraus, dass ein Fabrikationsfehler die Undichtigkeit verursacht hat.

Diesbezüglich sind dem V Kosten in Höhe des Einkaufspreises für ein weiteres Exemplar der Uhr sowie Portokosten für die Rücksendung der defekten Uhr und die Neuzusendung der nachgelieferten Uhr entstanden.

V hatte die Uhr beim Hersteller H bezogen gehabt.

Im Rahmen des Unternehmerregresses kann V nun bei H die Kosten in Höhe des Einkaufspreises für das weitere Uhrenexemplar sowie die im Rahmen der Nachlieferung angefallenen Versandkosten regressieren.

Die besonderen Vorschriften des Unternehmerregresses gelten jedoch nur dann, wenn Neuware verkauft wurde. Geht es um Gebrauchtware, ist der Letztverkäufer auf die normalen Gewährleistungsrechte, die möglicherweise gegenüber seinem Lieferanten bestehen, beschränkt.

Vertiefte Informationen zum Unternehmerregress finden Sie gerne hier.

Nützliche Muster für die Geltendmachung des Unternehmerregresses finden Update-Service-Mandanten im Mandanten-Portal

H. Fazit

Streitigkeiten in Bezug auf angebliche Gewährleistungsansprüche gehören leider zum Tagesgeschäft fast aller Online-Händler.

Aus diesem Grund sollte jeder Online-Händler zumindest einen groben Überblick über das rechtliche Terrain haben, auf welchem er sich bewegt.

Daneben sollten Online-Händler immer auch darauf achten, in ihren AGB über das Bestehen der gesetzlichen Gewährleistung zu informieren und die Haftung für Mängel in den AGB so weit wie zulässig einzuschränken, um Haftungsrisiken zu minimieren.

Die IT-Recht Kanzlei stellt Ihnen gerne Rechtstexte zur Verfügung, die eine entsprechende Information und diesbezügliche Regelungen beinhalten.

Wählen Sie dazu einfach das Schutzpaket Ihrer Wahl aus.

In einer Fortsetzung dieses Artikels werden wir Sie über die praxisrelevantesten Streitpunkte bei der Anwendung der Gewährleistung in der Händlerpraxis informieren.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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